Attacke auf mich aus der ARD-Schaltzentrale Dubiose Klage von Chef-Faktenfinder Gensing

Ich denke, die meisten von uns kennen ein Weihnachten, an das sie sich ganz besonders erinnern. Bei mir ist das Heiligabend 2019. Leider. Wenige Stunden vor der Bescherung flatterte mir eine Klage in den Briefkasten. Vom Chef-Faktenfinder der ARD, Patrick Gensing. Heute, am 10. September 2020, sollte endlich die Verhandlung stattfinden. Vor dem Amtsgericht Köln. Sie wurde verschoben, weil die Richterin erkrankte. Da ich immer wieder gefragt werde, wie es weitergeht im Prozess, will ich Ihnen heute hier einen Zwischenstand geben.

Mein „Vergehen“ war etwas, das Millionen Menschen täglich machen: Sie sehen auf Twitter ein Bild mit Text, eine sogenannte “Kachel” oder „Meme“. Und teilen sie. Und kommentieren sie oft auch noch. Genau das habe ich am 26. Oktober 2019 gemacht. Und bekam daraufhin Post von Gensings Anwalt – mit der Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung und einer gesalzenen Rechnung. Auf der Kachel war der ARD-Chef-Faktenfinder zu sehen, bekannt auch für seine frühere Nähe zur linksextremen Antifa. Auch heute ist die Kachel noch vielerorts auf Twitter und im Internet zu finden. Neben dem Bild Gensings steht dort dieses Zitat von ihm: “Ich glaube, dass man die Leser eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da einfach nur Fakten angehäuft werden. In meinen Augen ist das auch überhaupt nicht Journalismus”. Das Zitat ist echt, jeder kann es hier nachlesen.

Mein Tweet wurde in kurzer Zeit 623 Mal geteilt und fast 1600 Mal geliked. Gensings Anwalt schrieb, dieser Post sei „Pöbelei“. Gensing machte geltend, er habe vom Fotografen die ausschließlichen Nutzungsrechte an seinem Bild erworben. Die hätte ich durch das Teilen verletzt. Auf meine Bitte, doch den Vertrag mit dem Fotografen vorzulegen, kam aber nur per Mail eine fast schwarze, unleserliche Kopie. Erst mit der Klage legte der Anwalt dann eine lesbare Kopie vor: mit einem Datum, das nach (!) der Aufforderung zur Unterlassungserklärung liegt. Inzwischen musste Gensings Anwalt einräumen, dass es nicht einmal einen schriftlichen Vertrag gegeben hatte. Demnach wurde das „ausschließliche Nutzungsrecht“ mündlich übertragen. So etwas habe ich in meiner langen journalistischen Praxis nie erlebt. Dass man ein Nutzungsrecht mündlich einräumt – ja. Aber ein ausschließliches? Ohne Vertrag?

Der Fotograf ist für die ARD tätig, hauptsächlich als Wortjournalist. Gensing hat eine Führungsposition in der ARD inne. Mein Anwalt schrieb dazu, es sei „nicht anzunehmen, dass der Zeuge“, also der fotografierende ARD-Mitarbeiter, „Angaben machen würde, die ihm beruflich nachhaltigen Schaden bereiten würden.“ Und weiter: „So verwundert auch, warum der Zeuge für so eine einfache Erklärung so lange zugewartet hat“:

Gensings Anwalt wollte erreichen, dass der Zeuge vor Gericht gar nicht gehört wird und die Entscheidung ohne Verhandlung fällt. Ich konnte Gott sei Dank jedoch durchsetzen, dass eine Verhandlung stattfindet und der ARD-Mitarbeiter als Zeuge anreisen muss. Doch dann erkrankte dieser plötzlich. Und es wurde erneut beantragt, dass er nicht anreisen solle. Woher kommt dieser Unwille, vor Gericht Rede und Antwort zu stehen? Ich habe viele Fragen. Und nicht nur mir kommt die ganze Sache spanisch vor.

Mein Anwalt schrieb dazu: „Insofern spricht alles dafür, dass der Sachverhalt sich wie folgt abgespielt hat: Der Kläger hatte nur im Sinn, sein in der Tat wirklich peinliches Wortzitat unterbunden zu wissen. Ein Chef-Faktenfinder der größten deutschen Rundfunkanstalt, dem sein eigenes altes Zitat vorgelegt wird, aus dem sich erschließen lässt, dass Fakten nachrangig sind und die Haltung entscheidend, ist gefundenes Fressen für Shitstorms all derjenigen, die sich gerade bemühen, den gebührenfinanzierten Rundfunk zu hinterfragen … Insofern liegt auf der Hand, dass der Kläger zu einem Anwalt gegangen ist, der ihm das Ganze schnellstmöglich unterbinden sollte. Dass er sich dabei auch noch einen der besten der Zunft ausgesucht hat, spricht Bände. Denn ginge es dem Kläger um die simple Durchsetzung eines Bildrechtes, so hätte es auch der berühmte Feld-, Wald- und Wiesenanwalt getan. Der Klägeranwalt wird ihm gesagt haben, dass er keine rechtliche Handhabe gegen die Verwendung des Zitates habe, so dass man sich entschied, das ‘Meme‘ über den Umweg des Bildrechts zu unterbinden. Also hat man kurzerhand einen Vertrag fingiert, mit welchem dem Kläger die ausschließlichen Nutzungsrechte übertragen worden seien. Da es einen schriftlichen Vertrag für diese Behauptung nicht gab, hatte (und hat) man ein Problem.“

Weiter schrieb mein Anwalt: „Es liegt auf der Hand, dass es dem Kläger bei seinem Unterlassungsbegehren also nicht um das Foto ging, sondern darum, diesen Diskurs von prominenter Seite im Keim zu ersticken. Damit streift die abgemahnte Unterlassungsforderung die Rechtsmissbräuchlichkeit und ist zumindest wider Treu und Glauben gem. § 242 BGB, weil es im Kern um die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit des Klägers geht.“

Tatsächlich erinnerte die ganze Geschichte an einen Kafka-Roman: Gensings Anwalt drohte per E-Mail, wenn ich ihm meine Anschrift nicht mitteilte, würde er neben seinen bisherigen Gebühren für die Abmahnung bzw. Durchsetzung der Unterlassung (für die er 6.000 Euro Streitwert ansetzte) weitere “962,– zuzüglich 19 % Umsatzsteuer” in Rechnung stellen – „für die Adressermittlung“. Ich zitiere hier lieber nicht, wie das ein bekannter Jurist kommentierte, als ich ihm davon erzählte. Er meinte nur, 15 Euro seien für eine Adressermittlung Standard, maximal 80 Euro.

‘Übereifriger‘ Detektiv

Kurz darauf erhielt ein befreundeter Anwalt einen Anruf von Gensings Rechtsvertreter, und dieser sprach in dezenten Andeutungen von einem Detektiv, der “übereifrig” in der Sache aktiv sei. Ein Wink mit dem Zaunspfahl. Gleichzeitig meldete sich bei meinem Bruder telefonisch eine Frau, die sich offenbar in betrügerischer Absicht als Mitarbeiterin der Rentenversicherung ausgab und ihn nach meiner Adresse fragte. Er roch Lunte, dass etwas nicht stimmte – meine Adresse ist geheim, wegen Bedrohungen bis hin zu Morddrohungen. Meine alte Mutter, die es ohnehin mit dem Herz hat, machte sich große Sorgen, dass mich nun irgendjemand auf diese Weise sucht, und auch meinem alten Vater setzte es zu. Zeitgleich erfuhr ich, dass eine Privatdetektivin bei den Behörden in Berlin eine Adressauskunft über mich beantragt hatte. Hier sei nochmals ausdrücklich betont, dass ich selbstverständlich nicht davon ausgehe, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den merkwürdigen Vorgängen. Pikanterweise gab Gensing selbst in der Klageschrift nicht seine Adresse an, sondern die des NDR, bei dem er für die ARD sitzt. Die Klage kam also direkt aus der ARD.

Gensing fordert die Anwaltsgebühren für die Abmahnung. Weil er geltend macht, meine Twitter-Seite sei “beruflich”, und nicht privat, setzt er den Streitwert mit 6000 Euro an. Interessant: Dabei hat auch er, wie viele rundum versorgte öffentlich-rechtliche Journalisten und Politiker, früher betont, auf Twitter privat unterwegs zu sein. Bei einem freien Journalisten ohne Vollkasko vom Steuer- bzw. Gebührenzahler macht Gensing nun geltend, dass dieser beruflich auf Twitter sei. Inzwischen ist das aufgrund meiner Seite hier sicher so. Als ich die „Kachel“ geteilt habe, war meine Seite noch kaum gelesen. So bizarr das ist: Gensings Klage wurde zum Startschuss für reitschuster.de (siehe auch hier).

Auffallend in den Schriftsätzen von Gensings Anwalt ist, dass dieser sich abfällig darüber äußert, dass ich auf meiner Seite um Unterstützung bitte. Darin kommt eine besondere Arroganz zum Ausdruck. Besonders, wenn man bedenkt, dass sein Mandant dank unser aller Gebührengelder gut gepolstert ist und meine Seite ausschließlich durch die Unterstützung ihrer Leser existiert. Gensing hat mit der ganzen Sache eindrucksvoll belegt, mit welchen Mitteln ÖR-Journalisten gegen Kritik vorgehen. Und gegen freie Journalisten.

Ich werde Sie weiter über das Verfahren auf dem Laufenden halten und auch den neuen Gerichtstermin mitteilen. Ich freue mich sehr und bin Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie meine Arbeit auch weiterhin unterstützen und helfen, sie abzusichern gegen Angriffe wie den von Gensing.

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Bilder: Martin Kraft/Wikipedia (CC BY-SA 3.0) / Reitschuster

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