Berlins Verwaltung wirkt in der Corona-Krise hoffnungslos überfordert. Die landeseigene IBB kommt mit der Auszahlung der Soforthilfen für Corona-geschädigte Kleinst- und Kleinunternehmer nicht vom Fleck, Antragsteller berichten von Server-Problemen, Chaos und peinlichen Fehlern – Menschen können Finanzdaten wildfremder Dritter einsehen. „Chaos in der Krise – Datenpanne, Hacker-Angriffe, Geld alle! Fehlstart bei Corona-Hilfen für Berliner“, titelt die BZ.
Wie anderswo auch fehlt es in der Stadt am Nötigsten: an Schutzmitteln wie Masken, Desinfektionsstoffen und Schutzkleidung. Polizisten beklagen, dass sie angespuckt und angehustet werden; manche Stadtbewohner sind so renitent, wenn es um die Ausgangsbeschränkungen geht, dass es am Wochenende sogar zu Festnahmen kam. Kliniken und Heime in der Hauptstadt suchen verzweifelt nach Personal. „80% der Betten mit Beatmungsgeräten belegt: Können Berlins Kliniken die Corona-Krise packen?“ fagt die BZ bange. Auch mit den Corona-Tests ist Berlin schlecht aufgestellt: „Immer wieder berichteten Betroffene: Stundenlanges Anstehen an den Test-Zentren.“
Selbst das Bestatten könnte bald zum Problem werden, warnt der RBB, weil der Nachschub an Leichensäcken ausgeht. Am vergangenen Wochenende wurden gar 271 Häftlinge, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, aus dem offenen Vollzug in Berlin entlassen – im Zuge der Virus-Krise („Unruhen wegen Corona nicht ausgeschlossen – Berlin lässt Häftlinge frei“, titelt die BZ). Auch die zahlreichen Obdachlosen in der Hauptstadt trifft die Corona-Krise besonders hart. Sie sind Risikogruppe, ihr Hilfsnetz bricht zusammen.
Und während ich gerade all das zusammenschreiben wollte, schickte mir eine Freundin einen Link. Ich konnte zuerst nicht glauben, was ich sah, als ich ihn öffnete. Das muss doch ein alter Artikel sein, war mein erster Gedanke, als ich die Überschrift las: „Berlin will in Eigenregie bis zu 1500 Flüchtlinge aus dem Camp Moria holen.“ Aber leider ist die Nachricht aktuell – vom 30. März.
Weiter heißt es in dem Bericht: „Nach wochenlangem Hin und Her um die Aufnahme vor allem von geflüchteten Kindern und unbegleiteten Minderjährigen aus dem Elendscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos will Berlin jetzt in eigener Regie handeln.“ Und: „Die Bereitschaft Berlins voranzugehen, wäre für das Land ,eine europäische, eine menschenrechtliche Verpflichtung´“. Berlins Justizsenator Behrendt von den Grünen „verwies darauf, dass sich der rot-rot-grüne Senat in dieser Frage einig sei“. Und weiter: Wenn Berlin die Minderjährigen „einmal evakuiert hat, stehen die nächsten Fragen an, also zum Beispiel die Familienzusammenführung.“
So setzt Berlins rot-rot-grüner Senat auf seine Weise Akzente in diesen Zeiten der schwersten Krise seit dem zweiten Weltkrieg, in der er die eigene Bevölkerung nicht einmal mit nötigsten Schutzmitteln versorgen kann.
Der grüne Justizsenator sagte, „die Zustände im Lager Moria mit mehr als 20.000 Geflüchteten, seien ,katastrophal, geradezu apokalyptisch´“. Und weiter: „Es ist schon sehr begründungsbedürftig, warum es dem Bund in der Coronakrise binnen weniger Tage gelingt, mehr als 170.000 Urlauber aus allen Teilen der Welt heimzufliegen und es zugleich nicht gelingt, die Geflüchteten auf Lesbos aus ihrer unerträglichen Situation zu befreien und nach Deutschland zu holen.“
Die Begründung ist hart, unschön, bitter, traurig – aber sie ist leider die Realität, und es ist erstaunlich, dass ein Justizsenator nicht von sich aus darauf kommt: Der deutsche Staat ist in erster Linie für den Schutz seiner eigenen Staatsbürger und der Menschen mit anderen Staatsangehörigkeiten, die im Inland leben, verantwortlich. Es ist richtig, dass wir versuchen, den mehr als 70 Millionen Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden, darunter auch unzählige Kinder, und den Milliarden Armen weltweit zu helfen.
Aber genauso wenig wie ein kleines Land mit rund 83 Millionen Einwohnern im Alleingang das Weltklima retten kann, kann es Armut und Elend auf der ganzen Welt beseitigen oder mehr als 70 Millionen Flüchtlinge retten. Insbesondere nicht dadurch, sie alle nach Deutschland zu holen. Und bevor die rot-rot-grüne Stadtregierung der heruntergekommenen Hauptstadt ihre Fremdenliebe in die Realität umsetzt, sollte sie erst mal für die Bevölkerung bei sich Zuhause ein Minimum an Schutz sicherstellen – etwa Mundschutz und Desinfektionsmittel. Auch Berlins Senat muss allmählich verstehen, dass die fetten Jahre vorüber sind, in denen die Gelder aus dem Länderfinanzausgleich wie aus dem Füllhorn verteilt werden konnten. Jetzt geht es nicht mehr um Party und Gutsein. Es geht ums nackte Überleben.
PS.: Mein Vorschlag – Justizsenator Behrendt und diejenigen, die so denken wie er, sollten
Minderjährige aus Griechenland auf eigene Kosten einfliegen lassen und dann die Betreuung hier übernehmen – bzw. zumindest die Rechnung hierfür. Später, wenn der angeregte Familiennachzug erfolgt, müssten sie dann auch Wohnraum bei sich Zuhause zur Verfügung stellen. In einer Stadt wie Berlin, in der gefühlt die Zahl der Menschen, die ständig nur Gutes tun wollen bzw. das beteuern, in die Hunderttausende geht, müssten sich doch recht einfach 1.500 solche edlen Helfer finden lassen.
Bild: Piqsels, Lizenz Creative Commons Zero – CC0