Erinnern Sie sich noch, wie heftig das Rauschen im deutschen Blätterwald war, als Ex-US-Präsident Donald Trump im vergangenen Sommer in den Verdacht geriet, Geheimdokumente nach seinem Ausscheiden aus dem Amt weiter aufbewahrt zu haben? Und ein Rollkommando des FBI seine Privaträume überfallartig heim- und durchsuchte, TV-Übertragung inklusive? Die Nachrichten über Trumps angebliches Vergehen sprangen einem gefühlt von fast allen Bildschirmen, Internet-Portalen und Zeitungs-Titelseiten entgegen. Fast hätte man damals den Eindruck bekommen, der meistgehasste Politiker in Deutschland stehe bzw. sitze mit einem Fuß im Gefängnis.
Und jetzt das: Fast der identische Vorwurf wird nun gegen den amtierenden Präsidenten und Trump-Widersacher Joe Biden laut. In einem ehemaligen Büro des heutigen greisen 80-jährigen US-Präsidenten Biden in einer sogenannten „Denkfabrik“ (Think Tank) sind geheime Papiere aus seiner Zeit als Vizepräsident gefunden worden. Das US-Justizministerium, in solchen Fällen wie bei uns die Staatsanwaltschaft zuständig für Ermittlungen, prüft nun die Papiere, die in Washingtoner Büroräumen des Biden Centers gefunden wurden.
Merkwürdig nur, dass das Echo in den deutschen Medien nicht einmal ansatzweise so heftig ist wie bei Trump. Wobei die Vorwürfe bei einem amtierenden Präsidenten noch viel relevanter und auch brisanter sind als bei einem ehemaligen. Die ARD und das ZDF berichten zwar pflichtschuldig im Internet – aber unter ferner liefen. Laut Google.News haben auch nur wenige deutsche Zeitungen über den brisanten Fund berichtet. Mit entsprechenden Suchanfragen bekommt man dafür viele Berichte aus der Schweiz.
Das Schweigen liegt wohl daran, dass die Nachricht nicht ins Trump-Verteufeln der deutschen Medien passt. Denn im Lager des Ex-Präsidenten dürften angesichts der Nachricht über den heiklen Fund wohl die Sektkorken geknallt haben. Dass gegen Biden nun genau der gleiche Verdacht besteht, mit dem sein Lager Trump kriminalisieren wollte, wirkt wirklich wie eine Fundstelle aus einer Hollywood-Schmierenkomödie. Und entlarvt die Doppelmoral von Biden und seiner „Administration“, wie man die Regierung in den USA nennt.
Besonders heikel: Die Papiere wurden schon am 2. November gefunden, also eine Woche vor den so wichtigen Kongresswahlen. Warum wurden sie nicht sofort publik gemacht, und jetzt verschwiegen? Hier liegt der Verdacht auf der Hand, dass die Justiz nicht unabhängig war und zu Gunsten des Weißen Hauses eingriff.
„Hat Biden nun ein Trump-Problem?“ titelt das Zofinger Tagblatt in der Schweiz. In der Tat. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die offensichtlichen Pläne von Biden & Co., Trump aus den Geheimdokumenten einen Strick zu drehen und so seine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 zu verhindern, drohen wie eine Seifenblase zu platzen. Ebenso wie das monochrome Weltbild vieler deutscher Journalisten – die deshalb die für sie unpassende Nachricht ignorieren oder herunterspielen.
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Bild: Jr_cartoon/Shutterstock