Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass mich 16 Jahre in Russland etwas sentimental gemacht haben, was Deutschland angeht. Ein unverkrampftes Verhältnis zu Begriffen wie „Heimat“ lernte ich paradoxerweise ausgerechnet fernab derselben in den Jahren in Moskau. Und so habe ich auch eine ganz bestimmte Vorstellung von dem, was man als „Heimatlieder“ bezeichnet. Hätte ich die vor meiner Abreise gen Osten zum Studium wohl noch als kitschig aufgefasst, so kann ich mich heute mit ihnen durchaus anfreunden. Und wundere mich, warum ich in jungen Jahren mit ihnen haderte.
Und so war ich richtig neugierig, als ich jetzt las, dass die Bundeszentrale für politische Bildung eine neue CD mit dem Titel „Heimatlieder aus Deutschland“ herausgab. Wobei mich schon der Untertitel hätte stutzig machen müssen. „The Best Originals and Remixes of New German Folk“.
Als ich dann weiter las und auf die Liederliste stieß, war ich dankbarer als sonst, dass ich kein Toupet trage – denn das wäre mir garantiert vom Kopf gefallen. Also, setzen Sie sich bitte hin, wenn Sie jetzt die Liste lesen, denn mir liegt an Ihrer körperlichen Unversehrtheit:
1.La Caravane du Maghreb – Marhba
2.Gudrun Gut – Marhba (Remix)
3.Meşk – Heyder Heyder
4.Mark Ernestus – Moca ca la te (Remix)
5.Trio Fado – Toma dá la cá
6.Ricardo, Rafael y Pedro – Y tú, qué has hecho
7.Ulrich Schnauss – La Pagliarella (Remix)
8.Njamy Sitson – Ngaeh Nkuni
9.Guido Möbius – Milho Verde (Remix)
10.Matias Aguayo – Ay Linda Amiga (Remix)
11.Can Oral – Karavi Karavaki (Remix)
12.Symbiz Sound – Go Hyang yui Bom (Remix)
13.Quan Họ Chor Berlin – Con Duyen
14.Gudrun Gut – Projden kroz pasike (Remix)
15.Heide – E klî wält fijeltchen
16.Murat Tepeli – Adalardan bir yâr gelir bizlere (Remix)
17.Amigas Cantan – Ay linda amiga
18.Sandra Stupar und Dusica Gačić – Duni mi duni ladjane
Weiter steht da: „Diese CD enthält 18 deutsche Heimatlieder und Remixe aus Kuba, Portugal, Spanien, Marokko, Italien, Kroatien, Serbien, Griechenland, Türkei, Mosambik, Südkorea, Vietnam, Rumänien, Kamerun. Die Compilation zeigt die Vielfalt der in Deutschland eingewanderten Folklore.“
Hier können Sie sich eines dieser „deutschen Heimatlieder“ anhören:
Nein, ich habe überhaupt nichts gegen Musik aus anderen Kulturen und Ländern. Ich liebe sie. Ich habe auch nichts gegen Remixe.
Aber sie als „Heimatlieder aus Deutschland“ herauszugeben, ist schlicht und einfach verquer. Und klingt nach Polit-Instruktion.
Soll da mit Steuergeldern der Begriff „Heimat“ umgeframt werden? Vielleicht sollten diejenigen, die die Idee und die Verantwortung hatten für diese CD, auch einmal länger ins Ausland? Vielleicht würden sie dann auch eine entspanntere Einstellung zum Begriff „Heimat“ finden?
PS: Früher war es eine gute Tradition, dass der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung regelmäßig wechselte, und immer unterschiedlichen Parteien angehörte. So sollte einer politischen Monokultur vorgebeugt werden. Der aktuelle Präsident, der SPD-Politiker Thomas Krüger, ist seit 20 Jahren im Amt.
Bild: Pixabay
Text: br