Von Kai Rebmann
Der Name von Aminata Touré (Grüne) war bisher wohl nur politischen Insidern ein Begriff. Die 30-Jährige leitet in Schleswig-Holstein das Ressort für Soziales, Jugend, Familien, Senioren, Integration und Gleichstellung und gehört damit zu den jüngsten Ministern in Deutschland. Auf berufliche Erfahrungen außerhalb der politischen Blase kann die studierte Politikwissenschaftlerin nicht verweisen. Und so scheinen es vor allem ihre malische Abstammung und ihre Parteizugehörigkeit zu sein, die sie für ein Amt innerhalb des schwarz-grünen Kabinetts in Kiel qualifiziert haben. Weitere Zweifel an ihrer Eignung als Integrationsministerin schürte Touré vor wenigen Tagen mit einem entlarvend realitätsfernen Tweet über die Silvester-Schlacht in Berlin und vielen weiteren deutschen Städten. „Wir können jetzt natürlich gerne 18 Wochen lang dämliche Metadebatten über Integration führen oder wir schützen Einsatzkräfte und Bevölkerung mit nem Verbot von Böllern. Wie schwer kann es sein eine so einfache Lösung für ein klares Problem zu finden?“
Das Problem sind also die Böller und nicht die Leute, die damit hantieren und diese zweckentfremden. Davon zumindest ist Aminata Touré überzeugt. Ob diese Ansicht jugendlicher Naivität ihrem Parteibuch oder ihrer Abstammung geschuldet ist – oder von allem ein bisschen – lässt sich von außen natürlich nur schwer beurteilen. Fest steht aber: Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass es zu Gewaltexzessen von Jugendlichen mit überwiegend migrantischem Hintergrund gekommen ist. Nur eben mit dem Unterschied, dass jetzt zur Abwechslung mal Raketen und China-Böller als Tatwaffen eingesetzt wurden. Wenn dieser Umstand von einer Integrationsministerin dann aber dazu missbraucht wird, eine eigentlich schon längst überfällige Debatte endlich auch einmal mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit anzugehen, dann ist das mindestens befremdlich, grenzt aber schon eher an ideologiebedingte Arbeits- und Realitätsverweigerung.
Opposition äußert nur zaghafte Kritik
Auf ein offensichtliches Gewalt- und Integrationsproblem mit einem Böllerverbot zu reagieren ist in etwa so einleuchtend, wie wenn man nach dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz alle 40-Tonner aus dem Verkehr gezogen hätte. Selbst die Opposition im Kieler Landtag hält sich mit allzu strenger Kritik an der Verweigerungshaltung der Integrationsministerin zurück. Vielleicht aus Angst vor negativen Schlagzeilen in den Medien, die seit Tagen mindestens ebenso fleißig damit beschäftigt sind, die wahren Ursachen für die Silvester-Schlacht unter dem Teppich der Wokeness verschwinden zu lassen? Lars Harms, Fraktionschef des SSW, spricht sich gegenüber der dpa zunächst für ein Böllerverbot aus und suggeriert damit ebenfalls, dass das eine mit dem anderen etwas zu tun hätte. Erst danach lässt er durchblicken: „Selbstverständlich müssen wir auch eine Integrationsdebatte führen, sollte sich herausstellen, dass sich unter den Randalierern, die in zahlreichen Städten Einsatzkräfte in Lebensgefahr gebracht haben, überproportional viele Eingewanderte befanden.“
Dass an den bundesweiten Krawallen rund um den Jahreswechsel „überproportional viele Eingewanderte“ beteiligt waren, steht freilich längst fest. Dieser Umstand ist Harms entweder entgangen oder er ist mit den Grundrechenarten nicht vertraut. In der dazugehörigen dpa-Meldung heißt es: „Von 145 vorläufig festgenommenen Menschen in Berlin haben nach Polizeiangaben 45 die deutsche Staatsangehörigkeit.“ Diese Formulierung ist bemerkenswert und lässt tief blicken. Warum schreibt die dpa nicht einfach „45 Deutsche“? Ahnt da jemand (oder weiß es aus entsprechenden Quellen vielleicht sogar), dass sich auch unter diesem knappen Drittel der Tatverdächtigen eine mehr oder weniger große Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund befindet?
Am weitesten wagt sich in Schleswig-Holstein noch Christopher Vogt mit seiner Kritik aus der Deckung. Der Fraktionschef der FDP bescheinigt der Landesregierung, ein trauriges Bild abzugeben, „wenn die zuständige Integrationsministerin plötzlich nicht mehr über Integration sprechen will und stattdessen nur alberne Nebelkerzen wirft“. Völlig enthemmte Jugendliche, die offenkundig keinen Respekt vor dem Rechtsstaat haben und gezielt Einsatzkräfte angreifen, wertet Vogt als Zeichen für „erhebliche Erziehungs- und Integrationsdefizite“. Mit einem Böllerverbot lasse sich das Problem der Verrohung „bei bestimmten Gruppen“ nicht lösen, ist der FDP-Politiker überzeugt.
Integrationsbeauftragte ducken sich reihenweise weg
Die „Bild“ wollte schließlich wissen, wie es um das Problembewusstsein für die offensichtlich gescheiterte Migrationspolitik in anderen Bundesländern bestellt ist. Traurig, aber wahr und leider schon fast nicht mehr überraschend: Gerade einmal zwei (von 16!) Integrationsbeauftragten haben dem Springer-Blatt geantwortet, darunter der parteilose Stefan Schmidt aus Schleswig-Holstein. Der Zuwanderungsbeauftragte aus dem hohen Norden wollte seiner Kollegin und Landsfrau wohl nicht in den Rücken fallen und teilte mit, er finde, „dass der deutsche Staat nicht zu lasch mit Ausländern umgeht, sondern im Gegenteil das Aufenthaltsrecht sehr viele restriktive Regelungen enthält“.
Die zweite und damit auch schon letzte Antwort kam aus Thüringen von der dortigen Integrationsbeauftragten Mirjam Kruppa. Ähnlich wie ihre Parteifreundin versuchte auch die Grünen-Politikerin aus dem Osten das Problem zu negieren. Es sei ein „gefährlicher und absolut nicht zielführender Reflex“, eine solche Frage vor dem Hintergrund der Silvesternacht zu stellen. Die Integrationsbeauftragten aus Brandenburg und Bremen teilten wenigstens noch mit, dass sie sich derzeit im Urlaub befänden und daher keine Einschätzung abgeben könnten.
Völlig an der Realität vorbei geht dagegen die Einschätzung von Reem Alabali-Radovan (SPD). Die Integrationsbeauftragte des Bundes sucht die Schuld lieber bei anderen: „Wer jetzt mit Generalverdacht gegenüber Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte reagiert, trägt zur weiteren Stigmatisierung von Teilen der Gesellschaft bei und spaltet“. Man müsse Täter anhand ihrer Taten beurteilen und nicht anhand ihrer „vermuteten Herkunft“, verschließt Alabali-Radovan die Augen.
Und so blieb es dem als Klartext-Migrationsexperten bekannten Ahmad Mansour vorbehalten, die Probleme beim Namen zu nennen: „Bei Frau Touré, genau wie bei der Bundesbeauftragten für Integration und leider zahlreichen weiteren Aktivisten verhindert die ideologische Verblendung eine sachliche Debatte! Für Sie ist Integration ausschließlich die Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft!“
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