Ein Gastbeitrag von Dr. Andreas Bergemann*, Hochschullehrer in den USA
Über den Atlantik hört man es aus dem fernen Deutschland grollen: Demokratie! Wir müssen sie verteidigen, hinter jedem Baum steht ein neuer Adolf!
Nun haben wir hier in den Staaten so unsere Erfahrungen gemacht mit dem Herbeibomben von Demokratie. Ein echter Erfolgsschlager wurde sie nie. Weder in Afghanistan noch im Irak, auch nicht in Syrien, in Gaza oder Libyen. Denn, wie sollte es auch anders sein, dem Ganzen liegt ein schrecklicher Denkfehler zugrunde.
Demokratie ist so etwas nach dem Geschmack von Turnvater Jahn. Eine Technik und Leibesübung. Man schleppt sich alle vier, fünf Jahre in ein Wahllokal, setzt sein Kreuz – oder bekreuzigt sich lieber und wirft einen leeren Zettel in die Tonne.
Freiheit dagegen, Liberalität, das sind fassbare Werte, etwas das man mit jedem Atemzug spüren kann. Selbst der zurecht viel gescholtene Vladimir Putin hat auf die Frage, was er an den Vereinigten Staaten denn möge (wenn überhaupt etwas) geantwortet: das freie, kreative Denken und der dadurch unbändige Erfindergeist.
In Deutschland hat man, anders als Herr Putin, bis heute nicht verstanden, was 1933 schief gelaufen ist: nicht die Demokratie hat versagt, sondern die freiheitliche Gesinnung der Deutschen. Denn anders als immer noch viele denken, ist Adolf Schicklgruber – auch bekannt als Herr Hitler – durch saubere demokratische Wahlen an die Macht gekommen. In einer Koalitionsregierung zumal!
Parallelen zwischen 1933 und den Ökos
Ja, danach kamen der Reichstagsbrand und der restliche Wahnsinn, aber es war kein Demokratieversagen, das den “Führer” ermöglichte, es war die Implosion der Freiheitlichkeit, des Liberalismus.
Übrigens sind deshalb auch strukturellen Parallelen zwischen den Ökos, Bürgerbewegungen und Berufspazifisten in Deutschland mit dem Geist von 1933 keine Polemik, sondern Realität. Und zwar nicht nur, weil Herr Schicklgruber Vollkornbrot bevorzugte. Nein, es geht darum, dass es in Deutschland ständig “um’s Ganze geht”. Hysterisch bis hypochondrisch betet man Umweltterroristen an, als könnte das klitzekleine Deutschland irgendetwas ausrichten. Auch wenn alle Deutschen auf der Stelle ihren Strom mit einem Windrad im Garten erzeugen und sich nie wieder waschen, reichen die kollektiven Fürze argentinischer Rinder um das wieder wettzumachen.
Auch jetzt bei den Anti-Corona-Demonstrationen fragt man sich, wer da was falsch gefrühstückt hat. Klar kann man gegen Maßnamen sein und dieses oder jenes in Frage stellen. Aber in Deutschland will mal wieder jeder Recht haben, das volle Recht und nichts als das Recht auf seiner Seite. Doch mit Rechthaberei und Dogmatismus (und sei er noch so süß verpackt) funktionieren freiheitliche Gesellschaften nicht.
Alternative Fakten
Als die Architektin des Trump-Sieges 2016, Kellyanne Conway von alternativen Fakten sprach, gab es ein Geschrei als sei die Frau der Gottseibeiuns. Dabei hatte sie schlicht Recht. Fakten sind außerhalb von Mathematik, Physik und Chemie eher wackelige Konstrukte, und Meinungen erst Recht.
Mit der Spannung alternativer Fakten zu leben, wäre die Lektion, die Deutschland aus der Nazizeit hätte lernen müssen. Auf die Freiheit kommt es an, auf Respekt voreinander, auf die Fähigkeit damit klarzukommen, dass die Welt nicht nur Plus oder Minus ist, sondern ein ziemlich bunter Haufen. Erst wer das zu ertragen willens und in der Lage ist, darf sich freiheitlich nennen. Von mir aus kann darauf dann eine Demokratie gebaut werden. Aber sie ist nicht das, was in Gefahr ist. Sondern Respekt, Anstand, Toleranz und die Kraft mit Spannungen als Normalzustand zurechtzukommen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade die Beiträge und Autoren, die schwer zu verdauen sind, und die man neudeutsch als “umstritten” diskreditiert, für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.*Der Autor ist Deutscher und Hochschullehrer in den USA. Da er sich aufgrund von Auflagen seines Arbeitgebers zu politischen Fragen nicht öffentlich äußern darf, erscheint dieser Artikel unter Pseudonym und sein Bild verfremdet.
Text: Gast