Der Geist von Weimar – das Demo-Wochenende in Berlin reitschuster.live

Nicht nur in Berlin lagen am Wochenende rund um die Demonstrationen die Nerven blank: Die riesigen Gräben, die unser Land inzwischen durchziehen, auch hier auf twitter, werden erschreckend groß. Ist unsere Gesellschaft vergiftet? (Sehe Sie hierzu meine Sendung „reitschuster live“.

Und hier noch meine Bilanz des Wochenendes_
Es war ein aufwühlendes Demonstrations-Wochenende in Berlin. Mit vielen bewegenden, positiven Momenten. Und auch mit schrecklichen. Mit sehr vielen Gesprächen, die sehr wertvoll waren. Wie schon bei den Corona-Protesten am 1. August waren es auch diesmal ganz überwiegend Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die sich zum Demonstrieren trafen. Und an den drei Tagen wurde die gesamte Zerrissenheit unserer Gesellschaft deutlich, die tiefe Spaltung, die unser Land wie einen Graben durchzieht. Ebenso offensichtlich wurde das extreme Abrücken von einem Großteil unserer Medien vom journalistischen Ethos.

Für mich einer der schlimmsten Momente war die Auflösung einer Spontan-Versammlung an der Siegessäule in der Nacht auf Sonntag. Die Berliner Polizei ging mit unnötiger Härte und Gewalt gegen völlig friedliche Demonstranten vor, weil sie den Platz nicht verließen. Die anwesenden Polizisten aus Niedersachsen und Bayern griffen zwar ruppig und hart durch. Aber, so weit ich sah, nie brutal. Ganz anders die Beamten aus Berlin und Brandenburg. Die drückten schon mal einem Mann das Knie auf den Kopf, der auf dem Asphalt lag. Die Niedersächsischen Beamten schüttelten den Kopf über ihre Berliner Kollegen, die von einem Ex-SED-Mann geführt werden: Innensenator Geisel (SPD).

Am nächsten Tag las ich in der Bild einen Bericht, der genau das Gegenteil darstellte von dem, was ich in der Nacht mit eigenen Augen gesehen hatte. Da war von Radikalen und Chaoten die Rede, die eine Sitzblockade verkündet hätten. Dabei war gar niemand von der „Bild“ da. Es waren gar keine Journalisten von großen Medien vor Ort. Ein Kollege vom MDR machte sich dafür über meinen Livestream lustig. Verrückte Welt.
Zum Bericht in der Bild
Ich war müde und erschöpft, als ich in der gleichen Nacht fast heulen musste: Weit nach Mitternacht, als ein Großteil der Demo aufgelöst war, nahmen die Berliner Polizisten plötzlich ihre Helme ab, viele fingen an zu lächeln, einer verteilte Wasser an die Demonstranten. Die applaudierten den Beamten. Es waren bewegende Momente. Die leider nicht von Dauer waren. Am nächsten Tag wurden wieder Demonstranten sehr brutal behandelt, eine am Boden liegende Frau geschlagen.

Am Sonntag Abend rief mich mein Bekannter, Russlands früherer Vize-Regierungschef Alfred Koch an und fragte, ob es stimme, was ihm Freunde erzählten: In Berlin sei eine Erstürmung des Reichstags durch Nazis in letzter Sekunde verhindert worden. Genau so stellten das nicht nur viele deutsche Medien dar, sondern auch ausländische. Ich recherchierte und kam der Sache auf die Spur: Sie war eine Posse. Ohne dass ich den Tumult vor dem Reichstag verharmlosen will (im Gegenteil, ich verurteile ihn). Aber diese Randale zu einem „Sturm“ aufzublasen, ist einfach eine Manipulation. (Lesen Sie hier, wie es wirklich war).

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