Die Gefahr von Links wird nicht nur unterschätzt – wer sie erforscht, macht sich unbeliebt und tut sich schwer, seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen: Karsten Hoffmann ist einer der besten Kenner der militanten linken Szene in Deutschland. Im August 2020 hat er nach einigen Mühen sein neues Buch veröffentlicht, mit einem markanten Titel: „Gegenmacht. Die Militante Linke und der kommende Aufstand“. Gastautor Josef Kraus sprach mit Hoffmann über seine Thesen – und die Schwierigkeiten bei deren Verbreitung.
Josef Kraus: Herr Dr. Hoffmann, Ihr Buch „GEGENMACHT“ ist in einem eher unbekannten, kleinen Verlag erschienen. Fand sich dafür kein großer Verlag mit mehr öffentlicher Wirkung?
Dr. Hoffmann: Mein letztes Buch („Rote Flora“) habe ich 2011 in einem großen Verlag (Nomos) veröffentlicht. Ich habe nicht einen Euro daran verdient und das Buch wurde für 59 Euro pro Stück verkauft. Das hat mich ziemlich geärgert – weil ich ja etwas zu sagen hatte, aber kein normaler Mensch zu diesem Preis ein Buch kaufen würde.
Josef Kraus: Bei wissenschaftlichen Büchern ist so ein Preis ja nicht unüblich?
Dr. Hoffmann: Das stimmt leider. Und ich habe das jetzige Buch auch erstmal wieder bei meinem alten Verlag, Nomos, vorgestellt. Dort hat man es einige Wochen geprüft und mir schließlich eine Absage erteilt – genau wie bei den vierzig Verlagen, die ich danach angeschrieben habe.
Josef Kraus: … Das geht allerdings vielen Autoren so.
Dr. Hoffmann: Allerdings bekommen die entweder gleich eine Absage oder hören gar nichts vom Verlag. In meinem Fall haben mehrere Verlage Interesse signalisiert, wollten unbedingt das gesamte Manuskript lesen, es gab Vorgespräche und nach ein paar Wochen ruderten sie alle wieder zurück. Es haben mich sogar Verleger angerufen und mir ihr Bedauern ausgedrückt, dass die Rahmenbedingungen einfach nicht stimmen würden. Das hat ziemlich viel Zeit und Nerven gekostet – das Manuskript war eigentlich schon im Sommer 2019 fertig.
Josef Kraus: Also hatten die anderen Verlage Fracksausen?
Dr. Hoffmann: Es ist immer dasselbe. Niemand hat Lust, sich mit dieser Szene anzulegen und jeder fürchtet, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Auch mit der Vermarktung gibt es Probleme. Wir haben kürzlich versucht, Großplakat-Werbung zu machen. Das Geld war schon überwiesen, da hieß es plötzlich, man wolle diese Werbung nicht. Und bei den großen Online-Versandhäusern wird das Buch nur sehr zögerlich in das Programm aufgenommen. Bei Amazon war es im ersten Monat nur über einen Drittanbieter mit zwei Wochen Lieferzeit erhältlich. Das alles bestärkt mich nur in dem Entschluss, das Thema an den Nagel zu hängen.
Josef Kraus: Sie schreiben, dieses Buch sei Ihr letztes über dieses Thema. Warum?
Dr. Hoffmann: Man hat eigentlich nur Nachteile, wenn man sich dieses Thema aussucht. Deswegen habe ich noch mal alles aufgeschrieben, was ich für wichtig halte und betrachte dieses Buch als einen Abschluss. Verstehen Sie, auf der einen Seite hat man eine militante Strömung, die verhindern will, dass man über sie forscht. Auf der anderen Seite erfährt man von der Gesellschaft kaum Rückhalt. Nur ganz wenige gesellschaftliche Institutionen befassen sich überhaupt mit dem Thema, das heißt, es gibt auch kaum bezahlte Aufträge. Das kann man aus Idealismus ein paar Jahre durchhalten, aber irgendwann geht es an die Substanz.
Josef Kraus: Was ist mit den Sicherheitsbehörden und dem Bundesinnenministerium? Sind Ihre Rechercheergebnisse dort bekannt?
Dr. Hoffmann: Nach meinem ersten Buch („Rote Flora“) habe ich häufiger Vorträge vor Behördenvertretern gehalten. Also ja, da ist durchaus Interesse, aber dort sehe ich auch nicht das Problem. Ich höre zwar öfter Kritik nach dem Motto „Die Behörden sind auf dem linken Auge blind“, aber in Wirklichkeit sind sie ja die einzigen, die sich wirklich mit diesen Szenen auseinandersetzen. Meine Vorwürfe gehen an die politischen Parteien und deren Stiftungen, an die Sozialwissenschaften und das bürgerliche, konservative Spektrum insgesamt. Hier wird einfach zu wenig getan.
Josef Kraus: Das könnte auch mit der staatlichen Förderung zusammenhängen. Wie viel Geld wurde seit der Jahrhundertwende in den Kampf gegen Extremismus gesteckt?
Dr. Hoffmann: Genaue Zahlen kann man hier nicht nennen. Es gibt ja nicht nur die direkte Förderung des Bundes. Es gibt auch die Kommunen und parteinahe Stiftungen, die auf diesem Gebiet tätig sind. Und sie können nun mal von Grünen, Linken und Sozialdemokraten nicht erwarten, dass sie ernsthaft etwas gegen Linksextremismus unternehmen – das heißt, erwarten könnte man es eigentlich schon, nur passieren wird es nicht. Sie können davon ausgehen, dass der Gesamtbetrag eine halbe Milliarde Euro längst überschritten hat. Und das Interessante dabei ist, dass allein das Fördervolumen des Bundesfamilienministeriums in den letzten fünf Jahren von knapp 30 auf 125 Millionen Euro pro Jahr gestiegen ist. Also grundsätzlich wäre sicherlich genug Geld da, um in allen Phänomenbereichen angemessen Präventionsarbeit zu betreiben.
Josef Kraus: Aber das ist nicht der Fall? Wie viel Geld wird für den Kampf gegen Linksextremismus aufgewendet?
Dr. Hoffmann: Auch hier ist eine genaue Aufteilung schwer zu beziffern, weil viele Träger zumindest formell den Anspruch haben, phänomenübergreifend zu arbeiten. Inwieweit das tatsächlich geschieht, steht aber auf einem anderen Blatt. Ich schätze, dass die Mittel, die explizit zur Prävention linker Militanz aufgewendet werden, irgendwo im Bereich zwischen ein und zwei Prozent des Gesamtvolumens liegen.
Josef Kraus: Würde man eine parteiunabhängige Initiative gründen, würde man allerdings auch schnell als rechts eingeordnet.
Dr. Hoffmann: Ich habe ab 2015 versucht, eine solche Initiative aufzubauen. Und ich kann Ihnen sagen, die Gegner von links waren das geringere Problem. Es ist dagegen ziemlich frustrierend, für einen Vortrag vor dreißig Leuten quer durch die Republik zu fahren, dafür gerade einmal die Fahrtkosten erstattet zu bekommen, und wenn Sie bei den Leuten um Mitglieder werben, dann schauen die Sie an wie Autos und keiner rührt sich. Nach fünf Jahren hatte ich trotz intensiver Werbung gerade einmal fünfzig Leute zusammen, aber auch nur, weil wir auf Mitgliedsbeiträge verzichtet haben. Und wirklich aktiv waren davon vielleicht gerade einmal zehn. Deswegen haben wir den Verein wieder aufgelöst. Aber Sie haben natürlich Recht, wenn es tatsächlich gelänge, eine solche Institution langfristig zu etablieren, dann müsste man damit leben, dass sie von der Amadeu-Antonio-Stiftung als rechtspopulistisch gebrandmarkt wird.
Josef Kraus: Welche Rolle spielt denn die Antonio-Amadeu-Stiftung bei diesem Thema?
Dr. Hoffmann: Die hat auf jeden Fall ihre Nische gefunden. Und das Kritikwürdige an ihr ist nicht etwa, dass sie selbst linksextrem wäre, wie aus konservativen Kreisen immer mal wieder behauptet wird. Die sind ja nicht blöd. Die werden ihre staatlichen Zuwendungen nicht gefährden. Das Provokante an der Stiftung ist, dass sie sich eben nicht nur gegen Extremismus engagiert, sondern einen gesellschaftspolitischen Ansatz verfolgt und dafür alles und jeden in Verbindung mit Rechtsextremismus bringt, der ihr nicht passt – sei es nun ein Kommentator der Welt oder gleich die ganze CDU. Aber statt sich darüber aufzuregen, sollte man sich diese Stiftung lieber zum Vorbild nehmen und ähnliche Stiftungen gründen, die sich dann aber auch mit Themen wie linker Militanz, linksextremen Parteien oder den Autonomen befassen.
Josef Kraus: Wie bestreiten die Linksextremen, die Autonomen – oder wie immer sie auch heißen – eigentlich ihren Lebensunterhalt?
Dr. Hoffmann: Naja, ich finde es schon wichtig, begrifflich präzise zu bleiben, weil sich eben nicht jeder Linksextreme auch als Autonomer sieht. Aber Ihre Frage nach dem Lebensunterhalt der Autonomen ist natürlich berechtigt, insbesondere wenn man sich die Bilder von den Wohnungen nach der Liebig-34-Räumung ansieht. Aber hier hat ein deutlicher Wandel stattgefunden. Der Vollzeit-Autonome, der in besetzten Häusern lebt und im Grunde 24/7 Autonomer ist, das war zu Hafenstraßenzeiten noch aktuell, aber das ist ein Auslaufmodell. Heute sind die Leute auf den Demos zum absoluten Großteil gut gesellschaftlich integriert, obwohl sie diesen Staat eigentlich ablehnen. Aber ihnen wird ja nicht mit Ausgrenzung begegnet. Wenn Sie als ehemaliger Militanter noch Außenminister werden können oder als ehemaliger RAF-Terrorist, wie Christian Klar, noch für einen Bundestagsabgeordneten arbeiten können, dann wird ja klar, dass es eine gesellschaftliche Ächtung wie beim Rechtsextremismus hier nicht gibt. Also können Leute, die sich etwa in ein Autonomes Zentrum einbringen, auch geregelte Arbeitsverhältnisse eingehen. Es gibt ja genug linke Stiftungen und Jobs an Universitäten.
Josef Kraus: Sind diese linken Zentren bzw. Autonome Zentren die Brutstätten des Linksextremismus?
Dr. Hoffmann: Naja, wer regelmäßig in einem Zentrum der militanten Szene verkehrt, der muss seine radikale Grundhaltung ja nicht erst „ausbrüten“. Aber linke Zentren haben natürlich wichtige Funktionen für die Szene. Da wird um Nachwuchs geworben, da gibt es einen Kulturbetrieb und vor allem wird da Geld eingenommen – und das sind keine kleinen Summen. Manche Zentren funktionieren wie Diskotheken, nur dass keine Steuern gezahlt werden und auch sonst keine Kosten wie für Personal, GEMA oder Schanklizenz anfallen. Der größte Unterschied zu einem professionellen Diskothekenbetrieb ist, dass das Geld für politische Zwecke verwendet wird. Und dabei sollte man nicht vergessen, dass es im Endeffekt darum geht, unseren Rechtsstaat zu beseitigen, auch mit Gewalt.
Josef Kraus: Trotzdem setzen Sie auf Prävention, also auf Bildung und Erziehung. Gegenüber repressiven Maßnahmen sind sie skeptisch. Warum?
Dr. Hoffmann: Ich würde eher sagen, ich setze auf intelligente Lösungen. Zu glauben, man könnte linke Militanz durch Draufschlagen in den Griff bekommen, das ist nicht intelligent. Die Szene braucht diese eskalierten Demonstrationen, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen und um neue Leute zu werben. Das Gleiche gilt für Häuserräumungen. Nehmen Sie das aktuelle Beispiel Liebig34. Da kann man jetzt jubeln, dass das Haus geräumt wurde, aber das Problem ist mindestens genauso groß wie vorher. Denn die Leute sind ja noch da und sie werden durch solche Maßnahmen nicht unbedingt weniger radikal. Ich sage aber nicht, dass man auf die Durchsetzung des Rechtsstaats verzichten sollte. Ich mache Vorschläge, wie man militanten Szenen schon im Vorhinein die Kraft nehmen kann. Dazu gehört es zum Beispiel, dass man in Zusammenarbeit mit Hauseigentümern versucht, Leerstand in den betreffenden Gegenden auf jeden Fall zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass man sich Gedanken darüber macht, wie der Geldfluss an linksradikale Gruppen, etwa über die Zwangsgebühren an Universitäten (Stichwort AStA), minimiert werden könnte; oder dass man sich über die Mindeststrafandrohung im Versammlungsrecht Gedanken macht. Dass alles aber ergibt nur Sinn, wenn auch linke Militanz weitläufig geächtet wird, und da sind wir dann doch wieder beim Thema Bildung.
Josef Kraus: Sie sprechen bzw. schreiben bereits im Untertitel Ihres Buches von einem „kommenden Aufstand“. Was meinen Sie damit?
Dr. Hoffmann: Der Begriff ist nicht von mir, sondern er stammt aus einem linksradikalen Essay, in dem Aufstandsszenarien thematisiert werden. Ich sage aber, dieser Aufstand wird nicht kommen, weil die militante Linke durch die alltäglichen Angriffe auf Politiker und Institutionen bereits jetzt einen so großen Einfluss auf den demokratischen Prozess hat, dass sie eine direkte Konfrontation gar nicht nötig hat. Andersherum könnte man sagen, der kommende Aufstand ist schon längst da.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl).
Text: Gast