Der linke Straßenterror

Die Szene war mehr als symbolisch: Als die Abgeordneten des Thüringer Landtags am Mittwoch über den neuen Ministerpräsidenten abstimmten, wehten über ihren Köpfen hinter den riesigen Glasfront des Hohen Hauses gut sichtbar die Fahnen von linken, militanten Gruppierungen (siehe hier). Augenzeugen berichteten von dem, was Angela Merkel im DDR-Deutsch „Zusammenrottungen“ nennt, vor der Volksvertretung: Gewerkschaftsfunktionäre, Jungsozialisten, „Omas gegen Rechts“ und militante Mitglieder der so genanten Antifa, die wegen ihres Linksextremismus vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Sie protestierten fast direkt vor der Nase der Abgeordneten, krakeelten, lärmten und störten – auch während der Sitzungen. Dies ist aus zwei Gründen besonders heikel: Zum einen gibt es die Tradition der „Bannmeile“ – die genau solche Proteste im Umfeld von Parlamenten verbietet. Aus historischer, qualvoller Erfahrung heraus soll ausgeschlossen werden, dass Druck von der Straße, im schlimmsten Fall sogar Gewalt, Einfluss auf die Entscheidung von Volksvertretern ausübt. Sinn der Bannmeile ist es, bereits im Vorfeld Schutz vor einer strafbaren Nötigung von Verfassungsorganen zu bieten und diese auszuschließen. Diese Bannmeile hätte auch in Thüringen die Proteste unmöglich gemacht – hätte sie nicht der Thüringer Landtag 2010 auf Antrag der Sozialdemokraten aufgehoben.

Der zweite Grund, der den martialischen Aufmarsch vor der Volksvertretung so heikel macht: Der Rücktritt des liberalen Ministerpräsidenten Kemmerich war auch die Folge von massivem Druck und Gewaltandrohungen gegen ihn von der Straße. Seine Frau wurde in der Öffentlichkeit bespuckt, seine Kinder konnten nach Drohungen nur noch mit Polizeischutz in die Schule. Bundesweit kam es zu Aggressionen gegen FDP-Politiker – nicht nur verbal. „Es hat Vandalismus gegen Einrichtungen, Bedrohungen und Übergriffe im gesamten Bundesgebiet gegeben“, teilte die FDP-Zentrale in Berlin mit. So habe etwa die FDP-Politikerin Karoline Preisler in Mecklenburg-Vorpommern nach einem Angriff mit Feuerwerkskörpern zusammen mit ihrer Tochter fliehen müssen. Es gab wegen dieser massiven Gewalt keinen Aufschrei, keine Sondersendungen, keine „Lichterketten gegen Links.“

Insofern ist die Frage zu stellen, ob angesichts des massiven, martialischen Aufmarsches vor dem Thüringer Landtag nach all den Erfahrungen der letzten Wochen mit Gewalt gegen Liberale ein Anfangsverdacht der „Nötigung von Verfassungsorganen“ ausgeschlossen werden kann. Oder, bildlicher gesprochen: Können sich die Wähler sicher sein, dass etwa die FDP-Abgeordneten wirklich völlig frei waren in ihrer Wahlentscheidung – oder wäre es denkbar, dass der Druck von der Straße und mögliche Konsequenzen diese Entscheidung beeinflussten. Umso heikler ist vor diesem Hintergrund, dass eine Abgeordnete und (erneute) Ministerin wie die Grüne Anja Siegesmund den Aufmarsch auch noch auf twitter dokumentierte – offenbar erfreut darüber.

Dass die FDP letztlich einknickte, ja gerade zu peinlicher Selbst-Geißelung griff wie etwa Liberalen-Chef Lindner im Bundestag, ist nur vor dem Hintergrund der massiven Attacken auf die Partei zu verstehen. Wer in diesen Tagen gegen den linksgrünen Zeitgeist antritt, muss mit schwerwiegenden Folgen rechnen – ob das der Farbbeutel-Angriff auf das Haus von Erika Steinbach ist, oder Drohungen gegen die 19-Jährige „Anti-Greta“ Naomi Seibt. Dabei sind physische Angriffe bzw. Drohungen mit denselben nur ein Teil der Bedrohung – Psycho-Terror und Beleidigungen wie „Nazi-Schlampe“ sind für Politiker, Journalisten und sogar Youtuber, die „unzeitgemäße“ (neudeutsch: „rechte“) Positionen vertreten, an der Tagesordnung.

„Brandanschläge, Schmierereien, Drohungen: Nach Attacken auf die AfD wurden mehr als 800 Anzeigen gestellt. Mögliche Antifa-Täter könnten von Fördergeldern des Familienministeriums profitiert haben“, schrieb schon 2016 die Welt: „Schröder hatte 2011 als Familienministerin eine Extremismusklausel eingeführt, wonach sich die Empfänger von Förderprogrammen gegen Rechtsextremismus zum Grundgesetz bekennen mussten. Aber Amtsnachfolgerin Schwesig hob diese Klausel dann wieder auf.“

Natürlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass auch umgekehrt linksgrüne Politiker und Prominente mit massiven Aggressionen und Bedrohungen von Seiten Rechtsextremer leben müssen, und Islam-Kritiker nur noch unter massivem Polizeischutz ihr Haus verlassen können. Dies ist auf das Schärfste zu verurteilten und zu bekämpfen. Es wäre völlig absurd, die Terrorisierung von Nicht-Linken gegen die von Linken aufzurechnen. Das Problem liegt auf einer ganz anderen Ebene: Aggressionen und Gewalt von Rechts sind ein großes Thema in unserer Gesellschaft, es herrscht ein Konsens, dass sie nicht auf die leichte Schulter genommen werden dürfen und hart zu bekämpfen sind. Das ist gut so. Aber dieser Grundkonsens und diese Wachsamkeit fehlen grundsätzlich gegenüber linker Gewalt. Selbst wenn man sich die Behauptung der Linken, diese sei geringer, zu eigen machen würde – die fehlende Sensibilisierung würde sie dennoch zum aktuell größeren – weil eben nicht erkannten und kaum bekämpften – Problem machen.

Beim „Kampf gegen Rechts“ ist schon die Bezeichnung grob irreführend, denn „rechts“ ist eine legitime politische Richtung, es müsste von „Kampf gegen Rechtsextremismus“ die Rede sein – aber das würde nicht so gut klingen, da bei „Extremismus“ viele auch gleich „Links“ mitdenken würden. Dieser „Kampf gegen rechts“ wird genauso wie der Begriff heute vielfach für politische Zwecke missbraucht – das jüngste Beispiel ist die Tag eines psychisch Kranken in Hanau, die massiv instrumentalisiert wird (siehe hier).

In der heutigen Bundesrepublik wäre es völlig undenkbar, dass gewaltbereite Rechtsradikale massiv über die Straße Druck auf die Politik ausüben würden, und es in der Gesellschaft, in den Medien, keinen lautstarken Aufschrei geben würde. Dass dies so ist, ist gut und begrüßenswert. Was gewaltbereite Linke angeht, ist allerdings das Gegenteil der Fall: Medien und Politik sehen nicht nur weg – sie werden toleriert und geduldet. Ja, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie benutzt werden.

Das ist der wahre Tabubruch von Thüringen – ja ein „schleichender linker Putsch“: Dass heute wieder ein Mob – ein linker – über die Straße mit Gewalt Politik macht. Dass die Verfassungsorgane, allen voran Bundespräsident und Bundeskanzler, mit Schweigen darauf reagieren – was faktisch nichts anderes ist als eine Anstiftung dieses Mobs, der teilweise sogar indirekt mit der Regierung verbunden ist, etwa die Jusos, als Nachwuchsorganisation der mitregierenden SPD.

Die oft kolportierte indirekte finanzielle Unterstützung der Antifa durch Steuergelder ist zwar nicht nachweisbar – dass sie aber toleriert, ja geradezu geistig gefördert wird von großen Teilen der Medien oder der Politik, ist offensichtlich. Zuletzt war es das auf dem Strategiekongress der jetzt in Thüringen regierenden Linken, als ein Teilnehmer sagte, die Partei müsse über ihre Abgeordneten „Staatsknete abgreifen“ und damit die Antifa finanzieren. Dafür bekam er Applaus.


Bild: Shutterstock, Bundesarchiv, Bild 102-05976 / CC-BY-SA 3.0, via Wikicommons

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert