Die neue Teilung: „Hell“– und „Dunkel-Deutschland“ Wie unser Land 30 Jahre danach wieder abgleitet:

Manchmal sagen Bilder mehr als Worte. So auch diese Woche im Bundestag. Als Alice Weidel von der AfD dort die Regierung kritisierte, saß Angela Merkel mit versteinerter, ja fast verbitterter Miene auf der Regierungsbank. Die Mundwinkel weit heruntergezogen, wie eine alte, tief unglückliche Frau. Auch bei der Rede von FDP-Chef Christian Lindner sah die 66-jährige Physikerin griesgrämig Richtung Abgeordnetenbänke und griff immer wieder zu ihrem Handy. Wenig später redete ein Politiker einer anderen Oppositionspartei: Dietmar Bartsch von der „Linken“, vormals als „SED“ bekannt. Ein strammer Altkader, der von 1986 bis 1990 als Aspirant an der „Akademie für Gesellschaftswissenschaften“ beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau studierte. Merkels Gesichtszüge waren auf einmal wie ausgetauscht. Sie wirkte jung, fröhlich, voller Elan. Plänkelte mit dem Sozialisten.

Die Szene wirkt geradezu wie ein Beleg für das, was der Ost-SPD-Mitbegründer und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber in einem Gastbeitrag auf meiner Seite schrieb: „Heute bestimmt die ehemalige SED respektive die Linke das innenpolitische Klima mit. Man kann sogar sagen, die Innenpolitik wird zunehmend durch die alte SED-Brille beurteilt, die Demokraten in SPD, CDU, FDP gaben ihre Deutungshoheit an der Garderobe freiwillig ab.“

Tatsächlich hat die frühere Sekretärin des SED-Jugendverbands „FDJ“ Deutschland in 15 Jahren an der Macht nicht nur nach links regiert. Sie hat auch dafür gesorgt, dass die Thematisierung dieses Linksrucks tabuisiert wird. Ein großes Medium hatte eine Titelgeschichte genau zu diesem Thema vorbereitet und fast druckreif. Diese wurde dann auf Anweisung der Geschäftsführung eingestampft. Merkel-kritische Sätze werden Redakteuren sogar aus Kommentaren gestrichen. Aus Gründen der Diskretion und des Informanten-Schutzes kann ich das Medium nicht nennen. Aber wer aufmerksam unsere Presse verfolgt, wird sich über diese Entwicklung nicht wundern.

„Wie konntet Ihr Westdeutschen nur so naiv sein, jemand an die Hebel der Macht zu lassen, der in der sozialistischen Kaderschule sozialisiert wurde? Jeder, der die kennt, konnte ahnen, wie jemand mit dieser Schule alle naiven Westler wegbeißen wird“, sagte mir vor einiger Zeit ein bekannter russischer Politiker, der selbst weiß, wovon er spricht – und sofort erschrak, als ich ihn fragte, ob ich ihn namentlich erwähnen dürfe: „Bitte nicht, ich will nicht zur Unperson in Deutschland werden.“

Es wäre grob vereinfachend, Deutschlands Abweg von Demokratie und Freiheit nur Angela Merkel in die Schuhe zu schieben. Ebenso wie es unsinnig wäre, sie auf ihre sozialistische Sozialisierung in der FDJ – wo sie eben keine Karteileiche, sondern Kader war – zu reduzieren, und auf ihr stramm sozialistisches Elternhaus. Fakt ist aber: Wer die Handschrift der sozialistischen Systeme, den absoluten Zynismus, die Rechtfertigung aller Mittel für den höheren Zweck – die Macht – studiert hat, der erkennt vieles davon in Angela Merkel wieder. Und vor allem in der aktuellen Politik.

mvg

Nein, wir leben nicht in einer neuen DDR. Auch der oft benutzte Begriff „DDR 2.0“ ist falsch und irreführend. Entstanden ist 30 Jahre nach der Einheit ein politisches Zwitter-Wesen. Nicht sozialistisch, aber auch nicht mehr demokratisch-freiheitlich. In waschechten Demokratien muss niemand Angst haben, seine Meinung zu sagen, solange er kein Extremist ist. In freiheitlichen Systemen gibt es keine „Verfolgung Andersdenkender“, von der sogar Merkels Afrika-Beauftragter Günther Nooke in einem Gastbeitrag zur Einheit auf meiner Seite schrieb.

„Es wächst zusammen, was zusammen gehört“ sagte Willy Brandt zur Deutschen Einheit. Heute könnte man sagen: „Es ist zusammen gewachsen, was nicht zusammen gehört“. Nein, nicht Ost und West. Die gehören wirklich zusammen. Nicht zusammen gehören jedoch vermeintliche Linke und Weltkonzerne und dubiose Geschäftemacher wie der US-Spekulant George Soros. Deren Schulterschluss ist eine der grundlegenden Neu-Entwicklungen unserer Zeit. Beide Seiten denken wohl, den anderen zum nützlichen Idioten zu machen und auszunutzen: Die einen die „Kapitalisten“ für ihre Ideologie, die Konzerne die „Linken“ für Profit und Einfluss. Die Geschichte zeigt: Die Ideologen haben meistens den längeren Atem.

Merkel und ihre Anhänger von der vergrünten CDU-Funktionärskaste bis nach ganz Linksaußen bauen einen „Sozialismus mit kapitalistischem Antlitz“ (für die Jüngeren: Die Architekten des Prager Frühlings wollten einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, was dazu führte, dass 1968 Panzer aus der UdSSR und anderen Ostblockstaaten, allerdings nicht der DDR, einrückten und die Träume blutig beendeten). Während die meisten angsterstarrt eine Wiedergeburt der alten Diktaturen füchten – mehrheitlich der nationalsozialistischen, wenige der sozialistischen – entsteht ein neues System aus der Giftküche des ideologischen Denkens. Das wie seine Vorgänger für die meisten Zeitgenossen aufgrund seines immer neuen Gewands wieder nicht zu erkennen ist. Und auch aufgrund der geschickten Nebelkerzen: Wie schon bei den Sozialisten in DDR und Sowjetunion wird unter dem Tarnmantel des „Kampfes gegen Rechts“ ein strammer Linkskurs eingeschlagen. Der Preis für diesen politischen Taschenspielertrick ist, dass unser Land 30 Jahre nach der Einheit faktisch wieder geteilt ist: In „Hell“– und „Dunkel-Deutschland“. In Gut und Böse. So infantil, so durchschaubar diese alte Methode ist – sie wirkt immer noch.

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Auch der alte Größenwahn ist wieder da. Nur diesmal im neuen Gewand. „Wir leben heute in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Jahrestag. Was für eine Anmaßung! Was für eine Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit.

30 Jahre nach der Beendigung der zweiten Diktatur auf deutschem Boden kriecht das autoritäre, totalitäre Denken aus allen Ritzen von Politik und Medien. Wie immer tarnt es sich nicht nur als das „Gute“ – es fühlt sich auch als dieses. Zumindest in großen Teilen, denn die Wortführer durchschauen den zynischen Betrug durchaus: Sie sind weniger Verblendete als Zyniker der Macht. Wie immer im totalitären Denken werden Menschen, die dieses „Gute“ nicht verstehen, ja gar anzweifeln, zu Feinden des „Guten“. Ihre Bekämpfung wird zur Pflicht: mit Inbrunst und Eifer. Dazu werden auch – von den Mitläufern wie immer im guten Glauben – die Schrecken der Geschichte missbraucht und instrumentalisiert. Und wie immer steht die große Masse mit weit geöffnetem, aber schweigendem Mund am Straßenrand der Geschichte und redet sich ein, alles sei doch nicht so schlimm: „Die wollen doch nur spielen“. Alles werde sich schon regeln. Die Kritiker würden übertreiben. Und vielleicht sind sie selbst die Bösen? Wie immer bei Verdrängung richtet sich der Zorn auf diejenigen, die auf das Verdrängte hinweisen. Statt auf diejenigen, die verantwortlich sind für die verdrängten Missstände.

Nein, uns droht keine neue DDR. Und schon gar nicht ein neuer Nationalsozialismus. Aber wir sind mitten auf dem Weg in ein System, in dem eine von den Mächtigen definierte „Moral“ über dem Recht steht. Und zunehmend über der Freiheit. Und über der Demokratie. In dem die Einschränkung von Bürgerrechten und Überwachung als normal wahrgenommen werden. In dem Kritiker der Regierung, ja ihres Kurses, diffamiert, ja entmenschlicht werden. Wir erleben gerade, wie die ewig gleichen Bausteine autoritärer, unfreier Systeme neu gemischt und lackiert angestapelt werden. Wenn die schweigende Mehrheit nicht aufhört, das zu verdrängen, wenn sie nicht aufhört, sich wegzuducken, wenn sie nicht endlich ihren Mund aufmacht, ist die Gefahr groß, dass wir in einer neuen unfreien Gesellschaft aufwachen: Einer Mischung aus Überwachungs- und Erziehungsstaat nach Chinesischer Bauart, Huxleys „Schöner neuer Welt“ und George Orwells „1984“.  Mit einem kräftigen Schuss Kafka.

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Bild: Alex_Po/Shutterstock / Screenshots Tagesschau
Text: br


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