Von Daniel Weinmann
Die Warnsignale werden immer deutlicher. Der Toilettenpapierhersteller Hakle ist zahlungsunfähig und sucht händeringend einen Käufer. Die enorm gestiegenen Energiepreise waren nicht mehr zu stemmen. Schuhhändler Görtz wiederum begründete seinen Konkurs mit erheblichen Umsatzrückgängen wegen der Verunsicherung seiner Kunden. Die Wirtschaft warnt vor einer Pleitewelle, viele Geschäftsmodelle drohen angesichts der extremen Abhängigkeit des deutschen Staates von russischen Energielieferungen zu implodieren. Immer mehr angeschlagene Unternehmen suchen Hilfe bei Sanierungsexperten.
Allein zwischen Anfang Juli und Anfang September hat sich der Preis für kurzfristigen Strom an der Strombörse mehr als verdoppelt. „Im sogenannten Day-Ahead-Markt stiegt der Preis für eine Megawattstunde Strom von etwa 240 auf mehr als 500 Euro“, ist bei „Forbes“ zu lesen. Für viele Unternehmen ist diese Belastung betriebswirtschaftlich nicht mehr aufzufangen.
„Die Erfolgsmeldungen über gut gefüllte Gasspeicher sind geradezu zynisch“, wettert Reinhold von Eben-Worlée, Präsident der Familienunternehmer, vor diesem Hintergrund. Sie seien so voll, weil die produzierende Wirtschaft immer mehr zum Stillstand komme.
Eine aktuelle Umfrage unter 707 Mitgliedern der Verbände ‚Die Familienunternehmer‘ und ‚Die jungen Unternehmer‘ offenbart Erschreckendes: Für fast ein Viertel der Befragten ist die Situation ihres Betriebes durch die Energiekrise direkt existenzbedrohend oder so belastend, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht ist. „Draußen in der Fläche unserer Wirtschaft peitscht der Sturm bereits durch die Industriegebiete“, bringt Eben-Worlée die prekäre Lage auf den Punkt.
Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand
Noch größere Sorgen bereiten den Managern die Kaskadeneffekte durch mangelnde Vorprodukte oder Rohstoffe, die wegen der hohen Energiekosten nicht mehr zur Verfügung stehen. Fast jeder zweite Unternehmer (42 Prozent) sieht dadurch die Existenz seines Betriebes gefährdet oder die Konkurrenzfähigkeit in Gefahr.
Gut jeder vierte Betrieb (27 Prozent) reagiert kurzfristig mit einer zeitweisen oder dauerhaften Produktionseinstellung, Verlagerung der Produktion ins Ausland oder einer Produktionsdrosselung auf die Energiekrise. Mittelfristig wollen sogar 48 Prozent mit diesen Maßnahmen gegensteuern. Der Blick in die Zukunft ist düster: Für 39 Prozent (Strom) bzw. 45 Prozent (Gas) sind die Konditionen in den neuen Verträgen kurz- bis mittelfristig nicht mehr tragbar.
Dazu passt die Einschätzung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), der bereits im September vor einer Pleitewelle warnte. „Eine Insolvenzwelle unter kleinen und mittleren Unternehmen ist ein Szenario, mit dem wir mittlerweile rechnen müssen“, mahnte Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Verbands, im „Handelsblatt“. Viele Betriebe stünden mit dem Rücken zur Wand und wüssten nicht mehr, wie sie die höheren Kosten bewältigen sollen.
Wer Hilfen beansprucht, muss mit mehr Schikanen durch den Staat rechnen
Laut einer Umfrage des BVMW stellen für vier von zehn Firmen die stark steigenden Energiepreise eine existenzielle Bedrohung dar. Deutschlandweit wären das bei 3,5 Millionen Unternehmen 1,4 Millionen bedrohte Betriebe, rechnet Jerger vor. „Das zeigt, welches Ausmaß die aktuelle Krise hat.“ Der BVMW-Geschäftsführer sieht den Staat in der Pflicht und fordert einen „Schutzschirm für kleine und mittlere Unternehmen“. Darüber hinaus bedürfe es Hilfsprogrammen für energieintensive Betriebe, eines „Wirtschaftsstromtarifs“ sowie einer Senkung der Stromsteuer auf die Mindestvorgabe der EU.
Wie all dies finanziert werden soll, lässt Jerger offen. Zu erwarten ist, dass die Bundesbürger die Rechnung der fahrlässig verfehlten Energiepolitik der Merkel-Ära zahlen müssen – egal ob über höhere Steuern oder eine anhaltend hohe Teuerung, die die immensen Schulden weginflationiert.
Laut dem knapp 580 Seiten umfassenden jüngsten Subventionsbericht aus dem Bundesfinanzministerium werden sich allein die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes in diesem Jahr auf gut 47 Milliarden Euro belaufen. Zum Vergleich: 2019 gab Berlin noch knapp 25 Milliarden Euro für diese Form der Unterstützung aus. Hinzu kommt nun der 200 Milliarden Euro schwere „Doppelwumms“, der Unternehmen und Bürger vor den steigenden Energiepreisen schützen soll. Schließlich soll, so will es der Kanzler, niemand jemals „alone“ durch diese schweren Zeiten gehen müssen.
Besonders beunruhigend vor diesem Hintergrund: Der immer stärker werdende Staat wird seine Milliarden kaum ohne Bedingungen gewähren. Wer Hilfen beansprucht, muss mit immer mehr Gängelungen rechnen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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