Energiewende bis zum Blackout Koalitionsvertrag der Ampel. Teil 4

Von Vera Lengsfeld

Mittlerweile erscheinen auch in den Haltungsmedien Artikel über die Gefahr von großflächigen Stromabschaltungen, Heizungsausfällen wegen Gasmangels und sogar eines Blackouts schon im kommenden Winter. Von der weltweiten Energiekrise, in die auch Deutschland immer tiefer hineingetrieben wird, steht im Koalitionsvertrag der Ampelparteien kein Wort. Anscheinend ist den Politikern egal, ob ihre Wähler im Dunkeln sitzen oder frieren. Sie sind entschlossen, die Energiewende, deren Scheitern schon offensichtlich ist, bis zum bitteren Ende durchzuexerzieren.

Wetten, dass sie alle schon vorgesorgt und sich mit Generatoren ausgerüstet haben?

Ein optimistischer Freund sagte neulich, es würde zu keinem Blackout kommen, denn es würde bereits der „Lastenabwurf“ bei der Energieversorgung praktiziert. Bisher hat es vor allem energieintensive Betriebe getroffen, denen zeitweilig der Strom abgestellt wurde. Demnächst könnten ganze Städte zeitweilig abgeschaltet werden, um einen Blackout zu verhindern. Das ist es wohl, was man sich unter dem neuen „Energiedesign“ vorstellen muss. Eine grüne Bundestagsabgeordnete sprach schon von „angebotsorientierter Energieversorgung“. Das heißt nichts anderes, als dass die gewohnte Grundlast, die eine sichere Versorgung garantierte, ad acta gelegt wird. An zwei Stellen des Koalitionsvertrages ist davon die Rede, dass vom Atomausstieg nicht abgerückt wird. Stattdessen sieht die künftige Bundesregierung ihr Heil im forcierten Ausbau der „Erneuerbaren“.

Gezwungen, Solardächer zu installieren

Im Kapitel „Klima, Energie, Transformation“ heißt es:

„Die neue Bundesregierung wird den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu einem zentralen Projekt ihrer Regierungsarbeit machen. Wir werden national, in Europa und international unsere Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten und die Potenziale auf allen staatlichen Ebenen aktivieren.“ (S. 54)

„Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck).“ (S. 55)

„Wir werden ein Klimaschutzsofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen und Vorhaben bis Ende 2022 auf den Weg bringen und abschließen.“ (S. 55)

„Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen (…) Wir richten unser Erneuerbaren-Ziel auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680-750 TWh im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen.“ (S. 55)

Das heißt, es werden weiter Windräder installiert werden, obwohl es weder Speicher noch Leitungen gibt, um den in Spitzenzeiten anfallenden Strom zu speichern, beziehungsweise dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird.

„Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden.“ (S. 56)

Vorerst werden „nur“ Unternehmen gezwungen werden, Solardächer zu installieren, private Hausbesitzer werden noch verschont. Was geschieht, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, wird außen vor gelassen.

Windräder auch für windarme Regionen

Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. (S. 57)

Aber nicht nur dort, wo es Sinn macht, sollen Windräder installiert werden.

„Wir werden sicherstellen, dass auch in weniger windhöffigen Regionen der Windenergieausbau deutlich vorankommt, damit in ganz Deutschland auch verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung steht (und Netzengpässe vermieden werden).“ (S. 57)

Das muss man zweimal lesen, weil man beim ersten Mal glaubt, seinen Augen nicht trauen zu können. Dort, wo es sich nicht lohnt, Windräder aufzustellen, sollen sie dennoch montiert werden, um Netzengpässe zu vermeiden. Diese seltsame Begründung ist nur zu verstehen, wenn man sich daran erinnert, dass es die Windkraftlobby ist, die ohne Rücksicht auf die Folgen Profit machen will. Die Öffentlichkeit wird für dumm verkauft, wenn ihr suggeriert wird, dass den Windrädern, die für die Netzengpässe verantwortlich sind, mehr Windräder beigestellt werden müssen, um Netzengpässe zu verhindern. Wenn man solche Sätze liest, weiß man, warum Widerspruch mit allen Mitteln unterdrückt werden muss.

Noch nicht vorhandene Gaskraftwerke sollen helfen

Aber nicht nur in der Konstruktion absurder Begründungen haben es die Koalitionäre zur Meisterschaft gebracht. Sie sind auch im Erfinden von Instrumenten zur Beseitigung von Hindernissen sehr kreativ. Damit die angekündigte Tour de Force bei der Energiewende auch klappt, sollen den Zulassungsbehörden „externe Projektteams“ vorgesetzt werden:

„Wir setzen uns dafür ein, dass die Zulassungsbehörden durch den Einsatz externer Projektteams wirksam entlastet werden.“  (S. 56)

Das heißt, nicht mehr Recht und Gesetz entscheiden, sondern der Wille dieser „Projektteams“. Im gescheiterten Sozialismus übernahmen es die Betriebsparteileitungen, gegen die Fachleute die Parteilinie durchzusetzen. Wo das endete, wissen wir. Das haben die Koalitionäre anscheinend vergessen.

Es hat sich aber auch bei den Ampelkoalitionären herumgesprochen, dass es in der fortschrittlichen Zukunft zu Turbulenzen in der Energieversorgung kommen wird. Deshalb soll Gas als Brückentechnologie auf unbestimmte Zeit weiter genutzt werden:

„Wir beschleunigen den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können.“ (S. 59)

Heißt: Mit noch nicht vorhandenen Gaskraftwerken, deren Errichtung mit der absurden Auflage versehen wird, dass sie auf noch nicht vorhandene „klimaneutrale Gase“ umgestellt werden können, sollen die sich abzeichnenden Probleme gelöst werden.

Katastrophale Wertvorstellungen

Woher soll das Gas kommen? Die künftige Außenministerin Annalena Baerbock hat sich jüngst gegen die Inbetriebnahme von Nordstream 2 ausgesprochen, mit dem offenbaren Erfolg, dass die Betriebsgenehmigung ausgesetzt wurde. Das bedeutet, dass Deutschland auf Gas aus den USA angewiesen ist, das durch Fracking gewonnen wird, das die Grünen ablehnen und das mit klimaschädlichen Schiffen nach Deutschland transportiert werden muss. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode, würde Hamlet kommentieren, und man kann ihm nicht widersprechen.

Nach Jared Diamond, der in einem sehr lesenswerten Buch untersucht hat, warum Gesellschaften scheitern und warum andere überleben, gibt es sechs Gründe, warum Politiker katastrophale Entscheidungen treffen:

Mangelnde Voraussicht, mangelnde Wahrnehmung, rationales negatives Handeln, katastrophale Wertvorstellungen, irrationale Fehlentscheidungen und gescheiterte Lösungsansätze.

Bei den Ampelkoalitionären spielen alle Faktoren eine Rolle, aber der Hauptgrund ist eine katastrophale Wertvorstellung, von der sich die Politiker bis hin zur FDP leiten lassen. Nicht nur das. Auch die Union unterliegt ihr. Das Ziel der Politik ist nicht mehr die Verbesserung der Gesellschaft zum Wohle der Menschen, sondern die „Rettung“ des Klimas. Die absurde Annahme, das Klima ließe sich von Personen steuern, die nicht einmal mehr in der Lage sind, einen Flughafen zu bauen, genauer gesagt, deren fortwährende politische Intervention in den Bau dazu geführt hat, dass in Berlin ein kaum funktionstüchtiges Pleiteunternehmen entstand, kann nur aufrechterhalten werden, indem Klimarettung zum nicht hinterfragbaren Dogma gemacht wurde.

Da unterscheiden sich die Klimaretter von den Kommunisten, die wenigstens noch als Ziel das Paradies auf Erden für künftige Generationen angegeben haben. Dafür sollte jedes Opfer der lebenden Generationen recht sein. Was den einen der Kommunismus war, ist den anderen der „klimaneutrale Wohlstand“. So wie die eine rücksichtslose Utopie scheiterte, wird die andere Utopie scheitern.

Aber diesmal ist es ein Scheitern mit Ansage. 

Teil 1 finden Sie hier

Teil 2 finden Sie hier

Teil 3 finden Sie hier.


Dieser Artikel ist zuerst auf achgut.com erschienen.

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Sie finden ihn hier.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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