Erfolgsgeschichte Schnellkochtopf – Viva la Revolution! Hochexplosiv und heiß geliebt

Ein Gastbeitrag von Alexander Wallasch

Zuletzt hatten die Vereinigten Staaten von Amerika den wohl perfidesten Plan zur Vernichtung des kubanischen Führers Fidel Castro, als sie darauf spekulierten, den Máximo Lider der kubanischen Revolution einfach an Altersschwäche sterben zu lassen, nachdem Dutzende von gescheiterten Attentatsplänen die sonnenverwöhnte Diktatur vor Floridas Küste einfach nicht beenden konnten.

Eine Möglichkeit allerdings blieb nach 2005 noch offen: Nämlich die, dass Fidel Castro sich selbst in die Luft sprengen würde mit seinem vielleicht erfolgreichsten, ambitionierten, nachhaltigsten und technisch revolutionären Projekt: dem kubanischen Schnellkochtopf!

Ein Topf, der bisweilen hochexplosiv sein kann. So jedenfalls das Ergebnis einer exklusiven Umfrage via Twitter, an der über 200 Personen teilnahmen. Hier spalten sich die Geister, einige schwören auf den Topf, andere haben Angst vor dem druckaufbauenden zischenden Kochgerät. Oder sie hatten nie die rechte Muße, sich mit dieser energiesparenden Kochmethode auseinanderzusetzen. Ältere Personen nutzen den Schnellkochtopf übrigens deutlich öfter als jüngere.

Traditionelle Gerichte haben dabei mehr Chancen, im Schnellkochtopf zu landen: Aber wer von den jüngeren Menschen kocht heute schon noch regelmäßig Rouladen oder Gulasch? Von den Schnellkochtopf-Verweigerern wird die fehlende Zwischenkontrolle des Kochgutes bedauert, das Probieren, Schnuppern und der Appetit machende Duft im ganzen Haus. Klar, ein Essen aus dem Schnellkochtopf ist eine Reise ohne Zwischenstopp.

Ein paar Windräder weniger

Aus energiebewusster Sicht geradezu spektakulär dürften heute allerdings die kurzen Kochzeiten sein. Wer schon einmal Rouladen gemacht hat, weiß um die Stunden dauernde Wartezeit, bis die anfangs zähen Rindfleischrollen weichgeschmort sind. Im Schnellkochtopf gelingt das in 20–25 Minuten, nimmt man die Garzeiten für Gulasch, die freundlicherweise das Öko-Portal Utopia.de zur Verfügung stellt. Warum wir dort nachschauen? Wer wissen will, ob sich Bündnis90/DieGrünen für den Schnellkochtopf ausgesprochen haben, wird überrascht: Es gibt keine nennenswerten grünen Bestrebungen, auf dem Fidel-Castro-Wege ein paar Windräder weniger aufstellen zu müssen.

Wenig hilfreich ist da ein Kommentar der ehemaligen grünen Landwirtschaftsministerin Renate Künast vom März 2021, wo sich die Bundestagsabgeordnete zwar über moderne grüne Ernährung auslässt, der sparsame Schnellkochtopf aber keine Erwähnung findet. Stattdessen berichtet Künast von einem Gespräch mit Food-Aktivisten, wo es darum ging, „wie Digitalisierung unser Essen verändert.“

Nein, gegen die Generation Thermomix samt digitaler Vernetzung zum Edeka kann Fidel Castros Kochtopf nicht anstinken. Von digitalen Kochhelfern, die ihre Food-Ingredienzien im Supermarkt bestellen, gibt es keinen Weg zurück zu den zischenden Monstern von Fissler und Co. Im grünen Künast-Stream wird darüber sinniert, was wohl mit den vielen Food-Fotos passiert, die täglich zu Hunderttausenden hochgeladen werden. Diese Bilder würden „abgesaugt werden“, sagt der Food-Aktivist aufgeregt, ein Kontrollverlust drohe! Renate Künast betrieb während des Aktivistenvortrags genüsslich Fingernagelpflege, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Kurz zurück in Muttis Küche der geburtenstarken Jahrgänge: Die perfekte kleine Hausfrau war sparsam. Die Strompreise waren zwar noch nicht so astronomisch hoch wie heute, aber viele Familien führten Haushaltsbücher, und den Strompreis zu senken war Ehrensache.

Die meisten hatten einen Fissler

Eine heute 85-Jährige berichtet aus fünfzig Jahren Schnellkochtopferfahrung: „Wir waren immer sparsam. Oft ging es um Schnelligkeit, in so einem Haushalt war viel zu tun, wenn man mehrere Kinder hatte. In den Schnellkochtopf – die meisten hatten einen Fissler – konnte man gleich zwei Sachen auf einmal hineintun. Oder man dämpfte auf einem Sieb, auf das die rohen Kartoffeln gelegt wurden, ohne dabei mit dem Wasser in Berührung zu kommen.“

Beinahe jeder hätte so einen Topf gehabt, erinnert sie sich. „Der musste erst abkühlen, solange das Ventil noch auf grün stand, der Topf also richtig unter Dampf. Aber man konnte diese Wartezeit verkürzen: Einfach kaltes Wasser drüber und das Ventil drücken, also Dampf ablassen. Aber da bestand die Gefahr, sich zu verbrühen. Diese Sorge war viel größer als jene, das der Topf etwa in die Luft fliegen könnte“, lacht die nette ältere Dame. Dann erzählt sie noch von einer „Kochkiste“ zum Weitergaren, einer Art Schlafsack für Halbgares, aber das ist eine weitere Geschichte.

Nein, ein Schnellkochtopf ist definitiv kein Gerät der Slow-Food-Bewegung. Ein Schnellkochtopf macht auch kein Sushi. Aber sollte die Renaissance des Schnellkochtopfs nicht spätestens mit der Energiewende ein Thema werden? Dazu kann wieder Utopia.de etwas erzählen, dieses ursprünglich grüngefärbte Portal einer ambitionierten Werberin, das sich seit 2015 im Besitz der Medienholding der SPD befindet.

Das Portal berichtet über Schnellkochtöpfe unter der Überschrift: „So kochst du energiesparend.“ Die Sozialdemokraten – so scheint es – sind hier grüner als die Grünen, können es aber mal wieder nicht so gut vermarkten. Eine weitere Schwierigkeit: Der grüne Hipster ist Fan der offenen Küche, da ist solch ein verschlossener Topf alles andere als Eventkochen: Es gibt keine Kochshow im deutschen Fernsehen, wo die Kandidaten vor Schnellkochtöpfen stehen.

‘Geschmack noch intensiver

Utopia weiß, dass der Schnellkochtopf nicht nur Energie spart, er würde auch die Nährstoffe schonen. Tatsächlich schafft es ein Blumenkohl laut Portal in 3–5 Minuten durchzugaren, Hähnchenfleisch in 10 Minuten, Möhren brauchen lediglich 4–6 Minuten. Magie des Hochdrucktopfs: Bei steigendem Druck steigt der Siedepunkt von Kochwasser über 100 Grad, die Garzeiten sinken demgegenüber erheblich. Utopia meint sogar, dass „der Geschmack noch intensiver“ sei.

Unsere exklusive Schnellkochtopf-Umfrage via Twitter verwerten wir bei 211 Kommentaren und zählen die Pro- und Contra-Stimmen. Mit dem Ergebnis, dass etwa zwei Drittel positive Erfahrungen haben oder ihren Topf immer noch regelmäßig verwenden. Und das verbleibende Drittel hat leider negative Erfahrungen gemacht: Erstaunlich viele erinnern sich an eine Explosion des Topfes – allerdings ohne dass hier von schwerwiegenden Verletzungen die Rede wäre.

Aber der Schnellkochtopf ist zweifellos ein Thema! Wird das Gerät längst nicht mehr genutzt, so hat es bleibenden Eindruck hinterlassen, war es doch vielen nicht ganz geheuer.

Was hier auch nicht unerzählt bleiben darf: Dieser Topf ist leider auch zweckentfremdete Waffe verheerender terroristischer Attentate geworden, wie beispielsweise beim Anschlag auf den Boston-Marathon, wo solche Töpfe als Sprengstoffbehälter eine Rolle gespielt haben, wie der Spiegel im April 2014 berichtete.

Kulinarisch unschuldig sind die Gerichte, die bevorzugt schnellgegart werden: Kartoffeln, Gulasch und Rouladen stehen hier ganz vorne, gefolgt von diversen Hülsenfrüchten und Gemüsearten. Der Schnellkochtopf ist aus einem weiteren banalen Grund in vielen Haushalten weiterhin in Gebrauch: Die allermeisten Modelle wurden noch ohne die eingeplante Obsoleszenz (Selbstzerstörung als Anreiz zum Neukauf) hergestellt, etwas, das man sonst nur noch von alten Miele-Waschmaschinen kennt: Der Schnellkochtopf ist – so er nicht explodiert – praktisch unkaputtbar, bis auf die Dichtung, die man aber auswechseln kann.

Für perfekte Nachkriegs-Hausfrauen

Eine Pitti schreibt per Twitter: „Wer in Physik aufgepasst hat, und Energie sparen will, benutzt so einen Topf.“ Susanne Schaffer allerdings hat das aufgegeben: „Nicht mehr, seit ich mein Gulasch von der Zimmerdecke abkratzen musste.“ Kathi Schratt ist etwas ratlos: „Trotz meines Alters habe ich den Hype um den Schnellkochtopf nie verstanden. Da fehlt doch z.B. beim Gulasch die ganze meditative Komponente des Einköchelns. Dürfte etwas für die perfekten Nachkriegs-Hausfrauen gewesen sein …“ Walter Zweig versteht die Beschäftigung mit dem Topf nicht und merkt ironisch an: „Eine Frage von epischer Weite.“

Schließen wir dort ab, wo wir begonnen haben, in Kuba. Der Energiesparmoment ist verständlich, die Ressourcen knapp, die Opposition sagt, das läge an der sozialistischen Misswirtschaft, die Sozialisten sagen, Schuld seien die jahrzehntelangen Wirtschaftsembargos – ganz gleich. Fidel Castro jedenfalls bot seinen Kubanern und der Welt etwa ein Jahrzehnt vor seinem natürlichen Ableben eine Kochshow der Superlative – in einer Radio- und Fernsehansprache, eingeleitet mit den Worten: „Hier ist der ruhmreiche sozialistische Schnellkochtopf.“ Der sei zwar recht hilfreich, stände aber hinter dem chinesischen und selbst noch hinter einem kolumbianischen Modell (großes Gelächter) zurück, weshalb er nun beabsichtige, zwei Millionen chinesische Modelle zu bestellen.

2000 ranghohe Gäste mussten sich zwei Stunden lang von Castro eine Reihe weiterer Alltagsgeräte samt Schilderung der Vor- und Nachteile vorführen lassen. Aber ohne Strom kein Kochen – also versprach Castro 2005 auch, den gewohnheitsmäßigen Stromausfällen ein Ende zu setzen. 262.000 dieser Schnellkochgeräte waren da bereits an die Bevölkerung ausgeliefert worden. Wenige Tage nach dieser Lobpreisung des Hochdrucktopfs übergab Castro die Staatsgeschäfte an seinen Bruder Raúl.

Castro wurde 90 Jahre alt, der gute Fissler-Schnellkochtopf aus Idar-Oberstein feiert in zwei Jahren seinen 70. Geburtstag. Das patentierte mehrstufige Kochventil ist eine großartige deutsche Erfolgsgeschichte. Oder, wie es uns Gisela Herzog via Twitter schreibt: „Das ist das Beste, was es gibt. Geht schnell, alle Aromen bleiben drin. Ich habe 3 Schnellkochtöpfe in allen Größen.“ Wenn also die zukünftige Kanzlerin der Bundesrepublik mal ein paar Tipps braucht, wie man effektiv Energie einsparen kann: Frau Herzog fragen! Vielleicht gibt’s ja bei Gisela sogar noch was lecker Geschmortes obendrauf!

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig für Szene-Magazine Kolumnen. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Volkswagen tätig – zuletzt u.a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Shutterstock
Text: Gast
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