Von Kai Rebmann
Erst vor wenigen Wochen hat Deutschlands oberster Virologe Christian Drosten die sogenannte „Pandemie“ hochoffiziell für beendet erklärt. So ganz scheint der Charité-Professor aber dann doch nicht aus seiner Haut zu können. Denn im selben Atemzug warnte der Corona-Flüsterer der Bundesregierung vor möglichen Langzeitfolgen, die das Virus insbesondere bei ungeimpften Kindern verursachen soll. „Man kann sich nun zugespitzt fragen, ob ein ungeimpftes Kind nach Infektion vielleicht mit 30 das Immunsystem eines 80-Jährigen haben wird“, erzählte Drosten dem „Tagesspiegel“. Klarer Fall von Panikmache und Impf-Propaganda zu Lasten von Kindern, die während der Corona-Krise wahrlich schon genug unter dem Maßnahmen-Hardliner der Charité zu leiden hatten.
Anstatt seine steile These zu begründen, sprach Drosten im Zusammenhang mit der Durchseuchung der jüngsten Generation von einem möglicherweise „großen Fehler“. Nicht nur zugespitzt, sondern ganz grundsätzlich hätte man auch fragen können, weshalb sich ein durchaus anerkannter Virologe anmaßt, sich plötzlich auch zum Experten für Immunologie aufzuschwingen. Jetzt wurde die evidenzbefreite Geisterfahrt des Christian Drosten jäh beendet. Die „Welt“ hat echte Immunologen mit den Thesen des Charité-Professors konfrontiert und ist dabei nur auf Kopfschütteln gestoßen.
Infektionen führen zu einer Stärkung des Immunsystems
Schon seit Beginn der Corona-Krise wurden und werden Politiker und Medien nicht müde, im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 von einem „neuartigen“ Virus zu sprechen. Dabei gehören Coronaviren, ähnlich wie auch die Erreger der verschiedenen Influenzavarianten, schon seit Jahren zu den Klassikern der Atemwegsinfektionen, die für den allergrößten Teil der Bevölkerung keine lebensgefährliche Bedrohung darstellen, am wenigsten für gesunde Kinder und Jugendliche. Dessen ungeachtet wurden Covid-19 allerlei Fähigkeiten und Eigenschaften zugeschrieben, für die es zwar keine wissenschaftlichen Belege gibt, die das Virus aber tatsächlich „einzigartig“ gemacht hätten – wenn die Thesen denn stimmen würden. Ganz oben in dieser Liga spielten Leute wie Karl Lauterbach, der unter anderem von Schädigungen des Gehirns fabuliert hatte, oder eben Christian Drosten mit seiner Immunschwäche-Theorie bei – ganz wichtig zu betonen – „ungeimpften“ Kindern.
Selbst Charité-Kollegin Carmen Scheibenbogen, die dort die Spezialambulanz für Immundefekte leitet, zeigt sich von Drostens Einschätzung überrascht. Zwar gebe es einige Studien, „die längerfristige immunologische Veränderung nach Covid“ zeigten. Diese beschränkten sich jedoch auf Entzündungsreaktionen und die Funktionsweise der B- und T-Lymphozyten im Blut, so Scheibenbogen: „Daraus kann man jedoch nicht ableiten, dass das Immunsystem nach Covid nachhaltig geschwächt ist oder schneller altert.“
Und auch Christian Bogdan vom Mikrobiologischen Institut für klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Erlangen bestätigt, was jeder medizinische Laie zumindest schon irgendwo mal gehört hat: Die Auseinandersetzung mit Erregern führt nicht zu einer Schwächung des Immunsystems, sondern zu einer Stärkung desselbigen. Dem Experten zufolge verfügen Kinder über ein sehr aktives angeborenes Immunsystem, mit dem sie Covid-19 ebenso effektiv bekämpfen wie andere Erreger auch. „Was mögliche langfristige immunologische Folgen einer Sars-CoV-2-Infektion anbetrifft, so sind die Hinweise hierfür sehr überschaubar“, beschwichtigt Bogdan.
Entwarnung aus allen Richtungen
Jürgen Wienands vom Institut für zelluläre und molekulare Immunologie an der Universitätsmedizin Göttingen widerspricht Christian Drosten ebenfalls, da es für dessen These keine wissenschaftliche Grundlage gebe. Eine langfristige Schwächung des Immunsystems sei ihm bisher eigentlich nur vom HIV bekannt, so der Institutsleiter. Vielmehr sei es so, dass Viren vor allem daran interessiert seien, die Gegenwehr des Immunsystems bei der jeweils aktuellen Infektion zu unterdrücken, erklärt Wienands: „Mich würde überraschen, wenn dies bei Sars-CoV-2 anders sein soll.“ Im Hinblick auf mögliche langfristige Folgen einer Corona-Infektion bei Kindern zeigt sich der Experte deshalb „sehr entspannt“.
Entwarnung gibt auch Andreas Radbruch vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin: „Es gibt keinen Grund, warum Sars-CoV-2-Infektionen oder die Impfung dagegen das Immunsystem der Kinder auf Dauer schwächen sollten.“ Der Experte kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie sein Kollege Christian Bogdan aus Erlangen. Demnach passt sich das Immunsystem fortlaufend an in der Umgebung auftauchende Krankheitserreger an, darunter auch Covid. Darüber hinaus bestätigt Radbruch, dass es keine besondere Gefährdung für die Jüngsten gibt: „Die Kinder haben ihr ‚Immunrepertoire’, also ihr immunologisches Gedächtnis, um Sars-CoV-2 erweitert, einen für sie relativ harmlosen Krankheitserreger.“
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