Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Am 15. August wurde die Verlegerin Friede Springer 80 Jahre alt. Aus diesem Anlass gab es in der Hauptstadtpresse und von der Regierenden Bürgermeisterin Giffey lange Würdigungen. Aber Google News war es keine Erwähnung wert. Dabei ist Friede Springer eine der mächtigsten Frauen Deutschlands, aber auch eine der zurückhaltendsten. Als Dame der Gesellschaft ist sie eher selten in den bunten Blättern zu sehen, dafür als Mäzenin sehr aktiv. Die Berliner Charité hat ihr erst kürzlich eine großzügige Millionenspende für ein neuartiges Zentrum zur Erforschung und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verdanken. Vor allem hat sie Angela Merkel maßgeblich den Weg zur Kanzlerschaft geebnet.
Stadtbildprägend war Friede auch, wie der schwarze futuristische Bau beweist, der das neue Verlagshaus beherbergt und der das elegante Hochhaus, das Axel Springer als Zeichen an die ehemalige Mauer gesetzt hat, verdeckt.
Das scheint mir symbolisch zu sein. Seinerzeit hatte das Politbüro die Errichtung der Plattenbauten auf der Leipziger Straße forciert, damit Axel Springer nicht mehr so deutlich sichtbar seine Nachrichten nach Ostberlin senden konnte. Eine leider fast vergessene Geschichte ist, dass anlässlich des bevorstehenden 20. Jahrestages der DDR ein Rias-Treffpunkt-Moderator einen Rolling-Stones-Titel ankündigte mit der flapsigen Bemerkung, es wäre doch toll, wenn die Stones auf dem Dach des Springer-Hochhauses spielen würden, damit die Jugendlichen im Osten auch etwas davon hätten. Obwohl gleich nach Ende des Titels der Moderator mehrmals sagte, dass dies ein Scherz gewesen sei, den man nicht glauben und weiterverbreiten solle, machte das Gerücht die Runde. Am 7. Oktober 1969 machten sich hunderte Jugendliche aus der ganzen DDR nach Berlin auf, um die Stones zu erleben. Wer sich bis zur Leipziger Straße durchgeschlagen hatte, wurde in die dortigen Baugruben getrieben. Es war der schwerste Zusammenstoß der DDR-Jugend mit dem Staat vor 1989.
Geistiges Erbe Axel Springers
Die Lebensgeschichte Friede Springers ist zweifellos märchenhaft. Von der Gärtnerstochter über Kindermädchen, Geliebte, Ehefrau und Erbin des Verlegers Axel Springer zur Milliardärin aus eigenem Geschick. Sie hat heute mehr Macht, als ihr Mann je hatte.
Aber hat sie auch sein geistiges Erbe angetreten? Eher nicht. Axel Springer war ein bekennender Antikommunist und Gegner aller sozialistischen Bestrebungen. Dafür wurde er von den Linken gehasst. Springer-Presse ist in altlinken Kreisen immer noch ein Schimpfwort. Dabei hat sich, was an deutscher Presse vom Verlag behalten wurde – Welt und Bild – total gewandelt. Unter Julian Reichelt war Bild eine der eifrigsten Unterstützerin der „Refugees“-Welcome-Politik von Angela Merkel. Dann wurde Reichelt gefeuert, weil er die Corona-Propaganda nicht mehr mitgemacht hat. Mathias Döpfner, Friedes Vertrauter, seit 2002 Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und seit 2016 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, machte die Springer-Blätter gar zum Kampfblatt der radikalen LGBTQ-Aktivisten. Das hätte Axel Springer sicher nicht zugelassen. Der Alte würde im Grab routieren, wenn er wüsste, welch wokes Gewäsch aus seinem Verlag kommt. Kurz vor Friedes Geburtstag verließ der langjährige Parlamentskorrespondent der Bild unter lautem Protest das Blatt.
Ralf Schuler ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Als Leiter der Parlamentsredaktion war er das Gesicht für die politische Berichterstattung des Boulevardblattes. In einem Brief an Springer-Chef Mathias Döpfner und „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie sprach der Journalist Klartext. Er kritisierte einen zu unkritischen Umgang des Konzerns mit der LGBTQ-Bewegung und eine Richtungsentscheidung der Führungsetage, sich an die Seite der Queer-Aktivisten zu stellen.
„Ich bin nicht bereit, für eine politische Bewegung und unter ihrer Flagge zu arbeiten“. Axel Springer hätte das gutgeheißen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Der Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.
Bild: nitpicker/ShutterstockText: Gast