Gauland rechtfertigt Stalin – und die Empörungs-Maschinerie ignoriert es Klammheimliche Sympathie mit dem kommunistischen Massenmörder

Manchmal fällt es einem wirklich schwer, die Mechanismen in Deutschlands Politik und Medien zu verstehen. Ich hatte in den vergangenen Jahren nicht den Eindruck, dass die AfD verschont wird mit Kritik. Im Gegenteil: Jeder sich bietende Anlass wird dafür genutzt. Und dann das: AfD-Fraktionschef Alexander Gauland verteidigt im Bundestag den Massenmörder Stalin, insbesondere seinen Pakt mit Hitler, der beide zu Komplizen beim Überfall auf Osteuropa (anzusehen hier) machte. Und Gauland findet dafür Sympathien und gibt den Opfern noch eines mit: Die Polen, so könnte man seine Aussage überspitzt zusammenfassen, seien selbst schuld, dass Stalin sie überfallen habe. Gauland findet, der Pakt sei „eine realpolitische und richtige Entscheidung für das eigene Überleben“ seitens Stalin gewesen. Der AfD-Fraktionschef gibt damit genau das wieder, was heute in Putins Russland offizieller Kurs ist. Dort herrscht ein regelrechter „Kult des Sieges“ (von 1945) als neue, alte Staatsidee. Kritik an Stalins Politik wird kriminalisiert, die Zeit von 1939 bis 1941 ausgeblendet, als er Hitlers Komplize war, Glückwunschtelegramme nach Berlin inklusive. Interessant auch, dass die sowjetische Propaganda nach dem Pakt zwar weiter strikt den Faschismus anprangerte – aber Hitler davon ausnahm. Er war plötzlich kein richtiger „Faschist“ mehr für Moskau, und als „National-Sozialist“ quasi sozialismuskompatibel. Statt vom „Zweiten Weltkrieg“ spricht man in Russland vom „Großen Vaterländischen Krieg“, und folgerichtig ist immer nur von 1941 bis 1945 die Rede.

Nach dem Hitler-Stalin-Pakt, wie der Vertrag auch genannt wird, habe Stalin gejubelt, dass er Hitler über den Tisch gezogen habe, sagt der frühere litauische Staatschef Vytautas Landsbergis im Interview mit mir (lesen Sie das gesamte Interview hier): „Sie waren Brüder im Geiste. Nur war Stalin schlauer. Er hat Polen nicht am selben Tag angegriffen wie Hitler, wie er das mit ihm vereinbart hatte – sondern gewartet, damit Hitler allein schlecht dasteht.“

Dass die russische Geschichtsrevision und Reinwaschung des Tyrannen Stalin nun auch im Bundestag angekommen sind, stellt einen handfesten Skandal dar. Und ausgerechnet dieser wirkliche Skandal wird in den Medien und der Politik weitgehend verschwiegen.

Warum? Offen gestanden finde ich keine überzeugende Antwort auf diese Frage. Klammheimliche Sympathie mit dem kommunistischen Massenmörder im Kreml wäre noch die einleuchtendste Erklärung. Ich hoffe, dass sie nicht zutrifft. Aber eine andere finde ich nicht. Es sei denn, dass Gaulands Aussage dem gängigen Narrativ einer Nähe der AfD zum Nationalsozialismus widerspricht. Aber auch das wäre in meinen Augen über zu viele Ecken gedacht. Ein ironischer Erklärungsversuch wäre, dass kaum noch jemand in den Medien den Molotow-Ribbentrop-Pakt kennt und er ggf. für ein Party-Event gehalten wird. Aber Ironie beiseite: Es bleibt Ratlosigkeit über das vielsagende Schweigen zurück. Und in Polen Empörung.

Die polnische Botschaft empört sich: „Die Aussage des Abgeordneten Alexander Gauland anlässlich des 80. Jahrestags des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion wird in die Geschichte des Deutschen Bundestags als Negativum eingehen. Denn er versuchte damit in aller Öffentlichkeit, den Pakt zwischen Hitler und Stalin mit dem Hinweis auf Polen als einen die europäische Zwischenkriegsordnung destabilisierenden Faktor zu verteidigen. Wir verwehren uns entschieden gegen derartige Behauptungen und finden den Umstand, dass sie vor dem Parlament eines unserer engen Verbündeten aufgestellt werden, äußerst beunruhigend. Wir sind uns darüber im Klaren, dass das Aufstellen kontroverser Thesen in der Geschichtsschreibung und in der Publizistik zulässig, ja zuweilen sogar erwünscht ist. Ein völlig anderes Gewicht haben dagegen Provokationen, die während einer Parlamentsdebatte formuliert werden. Alexander Gauland behauptet, dass man bei aller Kritik des Nationalsozialismus Verständnis für den Hitler-Stalin-Pakt als ein Abkommen aufbringen müsse, welches Stalin geholfen habe, ‘auf diese Weise eine kurze Zeit zu erkaufen, um gegen den deutschen Angriff besser gewappnet zu sein.‘“

Gegen die Darstellung Gaulands bzw. Putins, von dem er sie übernommen hat, spricht, dass Stalin bis zuletzt von der Vertragstreue Hitlers überzeugt war und sogar den Berichten der eigenen Geheimdienste über Angriffsvorbereitungen der Wehrmacht keinen Glauben schenkte. Von wegen Vorbereitung – es war gar nichts vorbereitet, im Gegenteil, die sowjetischen Stellungen wurden von der Wehrmacht leicht überrannt, eben wegen fehlender Vorbereitung.

Das polnische Pilecki-Institut kritisiert, Gaulands These, „die Sowjetunion hätte keine andere Wahl gehabt, weil die Verhandlungen über einen Beistandspakt zwischen der UdSSR, Frankreich und Großbritannien immer wieder an einem „toten Punkt“ scheiterten: Polen wollte keine Sowjettruppen auf eigenem Territorium.“ Dazu das Institut: „Eine eigenartige … Lesart der Geschichte, die allerdings einer nüchternen, faktenorientierten Betrachtung nicht standhält. Als Frankreich und Großbritannien 1939 Polen auf jedem erdenklichen Wege versuchten umzustimmen, gab General Wacław Stachiewicz Folgendes zu Protokoll: ‘Es spielt keine Rolle, ob der Krieg gewonnen oder verloren wird, wenn die Russen in unserem Gebiet sind, werden sie darin bleiben; Polen wird, selbst wenn es siegt, amputiert werden – denn kann man wirklich davon ausgehen, dass die Alliierten einen weiteren Krieg führen werden, um die russischen Truppen zu zwingen, die besetzten Gebiete wieder zu verlassen?‘ In der gleichen Zeit negoziierte die UdSSR parallel auch mit Nazi-Deutschland und verfolgte primär das Ziel, „beide faschistische Lager“ gegeneinander auszuspielen, um die Verhandlungen dazu nutzen, die eigene geopolitische und militärische Position zu stärken.“

Weiter führt das Institut aus: „Polen hatte zu dem Zeitpunkt noch die sog. ‘Polnische Operation‘ aus den Jahren 1937-1938 jüngst in Erinnerung, eine Aktion zur Verhaftung und Ermordung von Polen und polnischstämmigen Sowjetbürgern durch das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD), die übrigens dem Muster der vorangegangenen sog. ‘Deutschen Operation‘ folgte. Beide fanden im Zuge des sogenannten „Großen Terrors“ statt. Der Historiker Terry Martin kalkulierte, dass es im direkten statischen Vergleich zu sowjetischen Bürgern anderer Herkunft 31 mal wahrscheinlicher war, als polnischer Staatsbürger dem Großen Terror zum Opfer zu fallen. Klar war auch, dass Stalin seit dem verlorenen polnischen-sowjetischen Krieg 1919-1921 auf Rache pochte – aller Friedenspropaganda der 30er Jahre zum Trotz. Zwischen 1939 und 1941 wurden, infolge des Hitler-Stalin Pakts, des daraus resultierenden II Weltkriegs und der sowjetischen Okkupation der polnischen Ostgebiete, etwa 500.000 polnische Bürger verhaftet, 140.000 in Viehwaggons nach Sibirien deportiert und 65.000 Polen getötet. Die östlichen Gebiete Polens wurden im Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion annektiert und nach 1945 verkam Polen zu einem kommunistischen Satellitenstaat ohne reale Souveränität und Handlungsautonomie. Kurzum: Wir wissen heute, dass die polnische Regierung recht behalten sollte mit ihren Prognosen und da die Fakten für sich sprechen, sind jegliche spekulativ angelegte, alternativ-revisionistische Interpretationen fehl am Platz.“

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Bild: Juergen Nowak/Shutterstock
Text: br
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