Von Daniel Weinmann
Deutschland steckt in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten, und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Besonders heikel: Die Bundesrepublik bezog im Mai noch immer 36,9 Prozent ihres Gases aus Russland, wie eine Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Anfrage des Unionspolitikers Jens Spahn zeigt.
Ab dem 11. Juli könnte gar nichts mehr ankommen. Dann wird die Ostseepipeline Nord Stream 1 gewartet. Viele Beobachter rechnen damit, dass Russland dies für einen permanenten Gaslieferstopp nutzen könnte. Sollte kein russisches Gas mehr durch die Nord-Stream-Pipeline fließen, könnten sich die Preise vervierfachen, warnte Energieexpertin Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im „ZDF-Morgenmagazin“. „Ohne russisches Gas droht eine scharfe Rezession in Deutschland“, lautet auch der Titel eines Papiers des ‚ZBW – Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft‘, das im Mai publiziert wurde.
Aus einer Ende Juni veröffentlichten Studie im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) wiederum geht hervor, dass ein Gasstopp 12,7 Prozent der Wirtschaftsleistung kosten könnte. Die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt wären demnach verheerend: „Insgesamt wären rechnerisch etwa 5,6 Millionen Arbeitsplätze von den Folgen betroffen“, mahnt VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.
»Die Menge würde ausreichen, das Land über Jahrzehnte mit Erdgas zu versorgen«
Was vor nicht einmal einem Jahr als völlig undenkbar schien, wurde dadurch Wirklichkeit: Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck buhlte – förmlich auf Knien – in Katar um Gas. Viel konnte er dabei indes nicht organisieren. Auch seine Eingebung, Flüssiggas aus den USA per Schiff zu importieren, lässt sich nicht realisieren: Deutschland hat es schlicht versäumt, spezielle Hafenterminals zu bauen.
Bizarr: Hilflos stimmt Habeck die Bundesbürger auf den Gasnotstand ein. Dabei schlummern bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter erschließbares Erdgas in deutschem Schiefergestein. „Die Menge würde ausreichen, das Land über Jahrzehnte mit Erdgas zu versorgen“, sagte der frühere Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hans-Joachim Kümpel, der „Welt am Sonntag“. Solange man in Deutschland Erdgas benötige, sei es ein Schildbürgerstreich, dass man es nicht fördere.
Habeck und seine grünen Gefolgsleute lehnen dies ab, Energiekrise hin oder her. „Ich glaube, dass das nicht der Weg ist, den wir gehen sollten und der uns weiterhilft“, betonte der Wirtschaftsminister schon im April, als sich die Lage noch längst nicht so prekär präsentierte wie heute.
22,5 Milliarden Kubikmeter Gas ließen sich sofort erschließen – wenn man denn wollte. Der weitaus größte Teil des übrigen Schiefergases ist aber nur über Fracking nutzbar zu machen. So wird die Abbauform genannt, bei der Chemie, Sand und Wasser ins Gestein gedrückt wird, um das Gas zu lösen. Diese Technologie hat einen schlechten Ruf, obwohl sie seit Jahrzehnten erprobt ist und inzwischen kaum noch Probleme auftreten. In Deutschland ist sie gänzlich verboten, obwohl es diverse Gutachten gibt, die die Bedenken entkräften: Das Fracking-Verbotsgesetz von 2017 untersagt kommerzielle Fracking-Projekte.
Russland korrumpiert europäische Klimaschutzverbände«
Die Grünen rücken trotz des drohenden Energie-Kollapses nicht von ihrer Position ab. Dies gilt aber nur innerhalb deutscher Grenzen. Heuchlerisch unterstützt Habeck nämlich lieber das Fracking in den USA, deren Gas mit Tankern hierher verschifft werden soll. Ganz so sauber ist die grüne Weste des stellvertretenden Bundeskanzlers offensichtlich nicht.
Absonderlicher noch: Statt die heimischen Energiequellen anzuzapfen, lassen sich Klimaschützer vom russischen Diktator Wladimir Putin bezahlen. Einem Bericht der „Welt“ zufolge hat die russische Regierung 82 Millionen Euro an europäische Klimaschutzverbände überwiesen, um die Erdgasförderung in der EU zu verhindern.
Während CSU-Chef Markus Söder, der Nordrhein-Westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther eine ergebnisoffene Prüfung des Frackings fordern, warnt Friedrich Merz vor einem Verteilungskampf um Gas in Europa. Der CDU-Chef befürchtet, dass es „wahrscheinlich zu erheblichen Verteilungskonflikten innerhalb der EU kommen wird – wie 2015 und 2016 bei der Flüchtlingskrise.“ Er drängt auf einen „360-Grad-Blick – bis hin zum Weiterbetrieb der verbliebenen drei Kernkraftwerke, die immerhin zehn Millionen Haushalte in Deutschland zuverlässig mit Strom versorgen.“
Die Grünen werden sich auch diesen Forderungen zu widersetzen wissen – und Deutschland sehenden Auges in den Energie- und Wirtschaftskollaps führen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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