Hunde auf Fährte von Infizierten Auf Sarah Connor-Konzert erschnüffeln Vierbeiner COVID-19

Von Alexander Wallasch

Ja, schön: Endlich wieder Kultur, Konzerte, wieder eng beieinanderstehen und gemeinsam in einer wogenden Bewegung den Rhythmen auf der Bühne folgen: Fast jeder weiß hier in etwa, was gemeint ist. Nein, dieses kribbelige Gefühl, das sich einstellt beim Gruppenerlebnis eines Live-Konzerts der Lieblingsband oder Sängerin muss man niemandem erklären.

Neuerdings müsste man aber dazusagen: Wenn da nicht die Hunde wären! Was klingt wie aus einem dystopischen Sciene-Fiction-Film, soll in Niedersachsen jetzt erprobt werden: trainierte Hunde, die potentielle Konzertbesucher abschnüffeln wie Drogenkuriere. Aber nicht nach Kokain oder Haschisch, sondern danach, ob hier ein einsames Corona-Virus auf das Event eingeschleppt werden soll.

Das klingt niedlich und nach Streicheleinheiten? Wohl weniger: Hunde sind nicht nur die Seelen einsamer Menschen erwärmende Geschöpfe, sie sind leider auch immer schon von autoritären Systemen und Charakteren missbraucht worden, Angst und Schrecken zu verbreiten und an den kurzen Leinen der Düstermänner in ihren langen Ledermänteln die Zähne zu fletschen.

Präziser: Das niedersächsische Wissenschaftsministerium hat ein Pilotprojekt mit dem beschaulichen Titel „Back to Culture“ mit 1,3 Millionen Euro gefördert, bei dem Hunde trainiert werden sollen, Corona-Infektionen zu erschnüffeln.

Ausgedacht hatte sich das die Tierärztliche Hochschule Hannover, ein Ort, der über die Region hinaus bisher vor allem deshalb geschätzt wurde, weil hier der geliebte Hund bei schwersten Erkrankungen immer noch eine Chance hat, vor der Einschläferung gerettet zu werden. Die Hannoveraner sind echte Spezialisten und haben schon viele verzweifelte Hundebesitzer glücklich gemacht.

Und um es vorab zu sagen: Die Idee, feuchte Hundenasen bei Krankheiten einzusetzen, ist eine hochspannende Idee, die Leben retten kann. Hunde können beispielsweise schon Unter- oder Überzuckerung riechen und ggf. dem erkrankten Herrchen oder Frauchen sogar das Blutzuckermessgerät apportieren.

Auch Krebs sollen sie erschnüffeln können. Da allerdings beginnt schon die Grauzone. Denn hier kann es ja sein, dass der Hund am Menschen erschnüffelt, was diesen erst viel später Probleme machen könnte, möglicherweise außerhalb seiner erwarteten Lebenszeit. Was hier relevant wird, ist das Glaskugelproblem: Ein Problem gewinnt erst an Einfluss, wenn man von ihm weiß und im schlimmsten Fall vor Sorgen krank wird.

Die Schnüffelhunde aus Hannover sollen bei einer Konzertreihe mit Fury in the Slaugtherhouse, Rea Garvey, Sarah Connor und bei einer Rave-Party eingesetzt werden – mindestens bei letzterer kann man ja die Drogenspürhunde gleich mit dazustellen, ach was: Die Zuckerkrankheitsschnüffler und die Krebsnasen auch gleich: Wo man helfen kann, sollte man es doch vollumfänglich erledigen.

Was passiert mit dem Menschen, dem die Seuche anhaftet, wie wird er isoliert oder wird das Konzert gleich ganz abgesagt, weil die kontaminierte Person im Eingangsbereich schon zu eng mit anderen Konzertbesuchern beisammen stand? Oder wird eingelassen, an wem es nichts zu erschnüffeln gibt?

Um den Hund hier als Mitgeschöpf nicht aus dem Auge zu verlieren: Kann sich der Hund bei seiner Schnüffeltour eigentlich auch infizieren und erkranken? Das schließt beispielsweise Prof. Uwe Truyen, Direktor des Instituts für Tierhygiene in Leipzig aus. Seiner Einschätzung nach scheint der Hund für das Virus nicht sehr empfänglich zu sein, nur bei Katzen sei das möglicherweise anders, so Truyen, die zeigen durchaus Symptome, wie in New York City im Bronx-Zoo beobachtet wurde.

Was an diesem Tier-Mensch-Versuch aus Hannover ebenfalls Anlass zum Nachdenken gibt, sind die zukünftigen Möglichkeiten: Werden diese Hunde demnächst auch darauf trainiert sein, Ungeimpfte von Geimpften unterscheiden zu können? Und könnten sie in Bussen und Bahnen, in öffentlichen Gebäuden oder gleich überall, wo Menschen unterwegs sind, zum Einsatz kommen, wenn es nach der Bundestagswahl doch zu einer Impfpflicht kommt?

Die Linke hat sich übrigens schon vor Jahren über Pläne aufgeregt, dass Diensthunde im Strafvollzug jeden Besucher, Rechtsanwalt oder wer dort Zugang hat, nach Drogen abschnüffeln sollen. Von der Linkspartei hieß es dazu: „Wenn Sie das ernst meinen, müssten Sie jeden Rechtsanwalt, jedes Kind, jede Oma, die ihren Enkel besucht, beschnüffeln lassen. Da muss ich ganz klar sagen: Dieser Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ist mit uns nicht zu machen.“

Festzuhalten dürfte sein: Sicherlich wird es eine Reihe von Hundeliebhabern geben, die diese neuen Jobs gerne annehmen würden. Wer selbst einen Hund hat, der weiß nämlich um eine weitere grassierende Epidemie: Die Hundetrainerin.

Menschen eher fortgeschrittenen Alters, die sich beispielsweise aus Enttäuschung am Menschen dem Hund liebevoll zugewandt haben und andere Hundebesitzer in Wald und Flur regelmäßig mit ihrem braven Hund beeindrucken.

Dieses Klientel wäre wohl viel eher verführbar, den Ledermantel wieder anzuziehen und die Einwegfessel-Kabelbinder zum Einsatz zu bringen. So wird dann aus mancher ambitionierten Mantrailing-Trainerin eine Blockwärtin mit Waldi im Einsatz. Leckerlis auf Staatskosten frei Haus. 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite  alexander-wallasch.de

Bild: privat
Text: wal

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