Deutschland staunt: Dänemark will Arbeitspflicht für Einwanderer Hartz 4-Empfänger sollen Laub fegen oder Müll sammeln

Von Alexander Wallasch

Dänemarks sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und ihr Parteigenosse, Arbeitsminister Peter Hummelgaard, haben vor ein paar Tagen ein neues Reformpaket vorgestellt. Danach sollen Einwanderer nur noch dann vom dänischen Staat finanziell unterstützt werden, wenn sie mindestens 37 Stunden in der Woche tätig sind. Diese Pläne müssen aber noch noch vom dänischen Parlament beschlossen werden.

Dass Sozialdemokratie in Europa nicht gleich Sozialdemokratie ist, beweist jetzt ein Satz der dänischen Regierungschefin, der bei den Genossen in Deutschland aktuell überhaupt nicht möglich wäre: „Zu viele Jahre lang haben wir Menschen einen schlechten Dienst erwiesen, indem wir nichts von ihnen verlangt haben.“

In Deutschland unmöglich? Zumindest heute nicht mehr. Als Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanzler war (1998-2005), prägte er den Begriff vom „Fordern und Fördern“. In Schröders Regierungserklärung im Frühjahr 2003 hieß es: „Niemandem aber wird künftig gestattet sein, sich zu Lasten der Gemeinschaft zurückzulehnen.“ Und weiter: „Wer zumutbare Arbeit ablehnt, wird mit Sanktionen zu rechnen haben.“ Das war die Geburtsstunde der Agenda 2010.

Ganz gleich, was davon zu halten ist, die SPD schämt sich heute dafür – die deutsche Sozialdemokratie ist weit entfernt von solchen Restriktionen.

Sanktionen wurden vom Verfassungsgericht kassiert

Überhaupt gibt es noch eine ganz andere Hürde in Deutschland: Nicht ohne Grund nämlich hatte das Bundesverfassungsgericht Hartz 4-Sanktionen 2019 für teilweise verfassungswidrig erklärt. Zusammengefasst hieß es da, dass der Staat weiterhin verpflichtet sei, das Existenzminimum zu sichern. Kürzungen von mehr als dreißig Prozent seien nicht verhältnismäßig, also nicht zulässig.

Würde Deutschland jetzt wider Erwarten dem dänischen Modell folgen wollen, dann wäre das schon rechtlich unmöglich. Einwanderer nämlich, die sich der Mitarbeit verweigern, könnten hierzulande kaum sanktioniert werden. Stephan Harbarth, heute Präsident des Verfassungsgerichtes, sagte vor zwei Jahren zur Begründung, Kürzungen von 60 oder 100 Prozent verstießen gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip.

2019 wurde demnach unter einer unionsgeführten Regierung das stärkste Druckmittel des sozialdemokratischen Prinzips vom Fordern und Fördern vom höchsten deutschen Gericht gekippt bzw. empfindlich eingeschränkt.

Eine Organisation für Hartz 4-Empfänger weist aktuell darauf hin, dass Leistungsempfänger nicht einmal minimale Sanktionen zu befürchten hätten, wenn sie sich weigern würden, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.

Von der fehlenden oder geringen Durchsetzungskraft solcher Forderungen in Deutschland, wie sie jetzt die Regierung in Dänemark in ihrem Reformpaket vorgeschlagen hat, lassen sich einige führende Politiker von CDU, CSU und Freien Wählern allerdings nicht abhalten, den dänischen Vorschlägen zu folgen und ebenfalls zu fordern, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten.

Besser nicht sagen, dass man Einwanderer meint

Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze beispielsweise gibt den Schröder und sagt gegenüber der Bild-Zeitung: „Fördern und Fordern ist der richtige Ansatz, den wir auch in Deutschland weiter ausbauen müssen.“ Das gelte, so Schulze, in erster Linie für Menschen, die Leistungen vom Staat erhalten und nicht bereit wären, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Der Christdemokrat eiert da aber – anders als die Dänen – noch um die konkrete Benennung der Zielgruppe „Einwanderer“ herum. Wo die Dänen sich nicht scheuen, eine bestimmte Gruppe von etwa 20.000 Zuwanderern zu benennen, die es überhaupt nur betrifft, nimmt der CDU-Landeschef potentiell alle Empfänger in die Pflicht.

Konkret soll es um „Laub fegen und Müll sammeln“ gehen. Das ist es also, was der Christdemokrat den Leistungsempfängern gerade noch zutraut. Hier allerdings muss man anmerken, dass solche Tätigkeiten keinerlei Perspektive beinhalten. Und Laub einsammeln dürfte in drei Jahreszeiten auch sinnlos sein, schon alleine mangels Laub – will Schulze die Menschen trotzdem losschicken, auch wenn die Sammelboxen dann leer bleiben?

Laut Bild unterstützt Berlins CDU-Fraktionschef Burkard Dregger seinen Kollegen aus Sachsen-Anhalt. Dregger sagte der Zeitung, er begrüße „Modelle, die die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in das Arbeitsleben erleichtern“. Laub und Müll sammeln integriert in den Arbeitsmarkt? Allenfalls kann man solche Tätigkeiten als Therapiemaßnahme verkaufen, überhaupt wieder zu lernen, morgens aufzustehen und Abends von einer Tätigkeit wieder heimzukehren.

Der stellvertretende bayrische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, meldete sich ebenfalls zu Wort, Leistungsbezieher könnten „in ein normales Arbeitsleben zurückkehren, wenn sie gezielt über gemeinnützige Arbeit für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden“. Auch für Aiwanger ist Dänemark Vorbild, wo eine 37-Stunden-Woche für arbeitslose Leitungsempfänger angekündigt wurde.

Die dänische Sozialdemokratie wird zum Stichwortgeber der deutschen Konservativen. Die allerdings bauen Luftschlösser, denn das Bundesverfassungsgericht hat ihnen 2019 die Möglichkeit genommen durchzusetzen, was sie so großmundig einforden.

Was hier im Übrigen besonders auffällt: Einheimische Sozialhilfeempfänger sind ja oft nicht ohne Grund in dieser misslichen Lage. Die genannten Forderungen unterstellen eine generelle Befähigung zur Arbeit.

Ein Sommerloch- und Wahlkampftheater?

Viele der Empfänger sind aber aus Gründen für keinerlei Arbeiten mehr vermittlungsfähig. Und auch die, die noch könnten, fallen immer wieder sporadisch aus: „Im Jahr 2018 wurden jeden Monat knapp 307.000 Erwerbsfähige im Hartz-IV-System aufgrund von Arbeitsunfähigkeit aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen.“

Bei Empfängern mit Einwanderungshintergrund dürfte diese Zahl allerdings deutlich geringer sein. Asylbewerber und Asylanten werden mit Antragseingang vom deutschen Staat gefördert. Diese Gruppe erhält zunächst Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Diese Menschen haben in Deutschland noch keine Arbeitshistorie, sie stehen ganz am Anfang ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Viele von ihnen werden es trotz Arbeitsfähigkeit auch Jahre später noch nicht geschafft haben oder wollen es nicht schaffen.

Als Empfänger von AsylbLG sind sie, was die Aufnahme einer Tätigkeit angeht, zudem grundsätzlich eingeschränkt. Allerdings wurden mit dem Integrationsgesetz von 2016 geschaffen, Arbeit aufzunehmen, die vorher verwehrt wurde – Voraussetzung auch hier natürlich überhaupt der Wille und der Wunsch, Arbeit aufzunehmen.

Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß wurde gegenüber der Bild konkreter: Er will gemeinnützige Arbeit vor allem für Migranten: „Die Sozialdemokraten in Dänemark zeigen, dass sie deutlich mehr von Integration verstehen als ihre deutschen Kollegen.“

Laut gesprochen, aber zu kurz gegriffen. Denn den Deutschen sind hier aus genannten Gründen massiv die Hände gebunden.

Fazit: Die dänischen Pläne haben in Deutschland auch deshalb für Wirbel gesorgt, weil die Dänen einfach machen, was gemacht werden muss. Und weil die dänischen Sozialdemokraten keine Probleme haben, Ross und Reiter zu nennen. Ja, in Deutschland gibt es jetzt ein paar Trittbrettfahrer. Diese sind aber nicht einmal bereit, die Adressaten ihrer Forderung zu benennen. Und sie finden zudem in Deutschland ganz andere Voraussetzungen vor. Ein Sommerloch oder Wahlkampftheater also?

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Shutterstock
Text: wal

Mehr von Alexander Wallasch auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert