Von Kai Rebmann
Ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demografische Entwicklung (Rostock) an der Spitze hat sich in einer Studie mit der Frage über unterschiedliche Trends bei der Lebenserwartung auseinandergesetzt. Die Arbeit wurde am 17. Oktober im Fachmagazin „Nature Human Behaviour“ veröffentlicht und liefert aus deutscher Sicht alarmierende Ergebnisse. Zwar landet die Bundesrepublik unter dem Strich auf Platz 9 von insgesamt 29 Ländern und damit wohlwollend formuliert im „oberen Mittelfeld“. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf das Zahlenwerk aus gleich mehreren Gründen. Während die Medien den Tenor verbreiten, die Studie habe gezeigt, dass Corona die Lebenserwartung verkürzt hat, lassen sich die Zahlen auch ganz anders interpretieren. Und auch die Autoren selbst scheinen sich nicht ganz sicher zu sein, welche Schlüsse sie aus ihrer Arbeit ziehen sollen.
Die Wissenschaftler haben die Veränderungen bei der Lebenserwartung in 29 Ländern im Zeitraum von 2015 bis 2021 untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf den beiden „Pandemiejahren“ 2020 und 2021. Wie der nachstehenden Grafik unschwer zu entnehmen ist, hat sich die Lebenserwartung bis zum Jahr 2019 in allen Ländern positiv entwickelt, lediglich aus Chile lagen offenbar keine Daten vor. Danach kam es im Jahr 2020 überall (bis auf Dänemark und Norwegen) zu einem mehr oder weniger starken Absinken der durchschnittlichen Lebenserwartung. Im Jahr 2021 geht die Schere schließlich sehr weit auseinander, ein einheitlicher Trend lässt sich auf den ersten Blick nicht mehr feststellen.
Eines fällt jedoch auf: Unter den ersten 16 Ländern, bei denen es sich ausnahmslos um Länder aus West-, Mittel- und Nordeuropa handelt, gibt es genau ein Land, in dem die Lebenserwartung seit Ausbruch der „Pandemie“ durchgängig auf dem Rückzug ist – Deutschland. Während die Pfeile bei fast allen unseren Nachbarn inzwischen wieder in die richtige Richtung zeigen, ist hierzulande von einer Trendumkehr weit und breit keine Spur. Ebenso wird durch diese Studie ein Fakt bestätigt, über den reitschuster.de schon mehrfach berichtet hat, und der Leuten wie Karl Lauterbach eigentlich schlaflose Nächte bescheren müsste: Die ersten vier Plätze werden von den bösen Maßnahmen-Abweichlern aus Skandinavien eingenommen.
Länder wie Schweden mussten in den ersten Monaten, ungefähr bis Jahresmitte 2020, zwar einen vergleichsweise hohen Preis bezahlen, scheinen sich mittel- bis langfristig aber für die richtige Strategie entschieden zu haben. Diese Einschätzung teilen auch renommierte Experten wie Prof. Dr. Klaus Stöhr. Der Virologe und langjährige Chef des Globalen Influenza-Programms der WHO kommentierte die Studie via Twitter wie folgt: „Wie gesagt, abgerechnet wird zum Schluss bei Pandemien und bis dato sind es die ‚Sonderweg-Länder‘ die nicht nur die geringsten Maßnahmen hatten, sondern auch den besseren Lebenserwartungstrend.“
Maßnahmen oder Impfung: Woran scheitert die Trendwende in Deutschland?
Maßnahmen wie die Masken oder das übertriebene Abstandhalten haben in den vergangenen beiden Jahren dazu geführt, dass das menschliche Immunsystem deutlich anfälliger für alle möglichen Arten von Viren und Bakterien geworden ist. Die Autoren der hier vorliegenden Studie sehen aber noch andere Faktoren wie die Maßnahmen und die von den Mainstream-Medien so sehr in den Vordergrund gestellten Corona-Infektionen. Im Abstract ihrer Arbeit schreiben die Wissenschaftler: „Lebenserwartungsdefizite im Herbst/Winter 2021 bei Personen im Alter von 60+ und <60 Jahren korrelierten negativ mit Messwerten der Impfinanspruchnahme in allen Ländern.“ Und weiter: „Im Gegensatz zu 2020 war das Altersprofil der Übersterblichkeit im Jahr 2021 jünger, wobei die Altersgruppen der unter 80-Jährigen stärker zum Verlust der Lebenserwartung beitrugen.“ Die hier gemachten Angaben gelten ausdrücklich „in allen Ländern“, wie die Autoren betonen.
Die Forscher schreiben zwar auch, dass „die registrierten COVID-19-Todesfälle“ im Jahr 2021 für „die meisten Verluste der Lebenserwartung“ verantwortlich gewesen seien. Aber erstens wissen wir inzwischen, was von der diesbezüglichen Datenerfassung zu halten war und ist, was leider insbesondere für Deutschland gilt, und zweitens erklärt dies auf keinen Fall, warum die meisten unserer Nachbarn inzwischen die Kurve bekommen haben. Da Deutschland sowohl eine vergleichsweise hohe Impfquote aufweist als auch mit die strengsten Maßnahmen in ganz Europa erlassen hat, scheint einiges darauf hinzudeuten, dass eben diese Kombination für den anhaltenden Negativtrend hin zu einer Verkürzung der Lebenserwartung verantwortlich ist.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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