Es waren Szenen, wie sie kein Politiker gerne sieht: Kritiker der Corona-Maßnahmen störten bei einem Auftritt des Gesundheitsministers in Wuppertal am 24. August. Mit lauten „Buh“-Rufen wird der CDU-Politiker auf dem Weg zu einem Wahlkampfstand seiner Partei empfangen, eine Demonstrantin schreit: „Geh doch nach Hause!“ Spahn geht regungslos – soweit das unter seinem Mundschutz zu erkennen ist – an den Protestierern vorbei, wie auf zwei Augenzeugen-Video zu sehen ist.
Eine weitere Szene dort zeigt, wie drei Menschen vor Spahns Dienstlimousine sitzen, offenbar um diese zu blockieren. Polizisten fordern sie zunächst höflich auf aufzustehen. Als sich zwei weigern, das zu tun, eskaliert die Situation: Ein Beamter zerrt die Frau am Hals weg. Eine Beobachterin schreit: „Nicht am Hals!“ Nach dem Wegzerren hält der Polizist die Frau weiter am Kopf und drückt sie gegen sein Gemächt. Eine Beobachterin sagt: „Man braucht doch nicht weh tun.“ Der Polizist entgegnet, während er die Frau weiter am Kopf hält: „Ne!“ (siehe hier).
In dieser Szene kommt Spahn vorbei. Er wirft nur einen ganz kurzen Blick auf die Frau in ihrer misslichen Lage, am Hals fixiert, schaut dann sofort weg und läuft schnurstracks zu seinem Wagen, so als bemerke er nichts. Die Symbolik dieser Szene ist kaum zu überschätzen.
Gibt man bei Google News „Spahn“ und „Wuppertal“ als Suchworte ein, so kommt man zu dem Schluss, dass nur sehr wenige Medien über die Proteste gegen Spahn berichtet haben. Warum? Über weitaus kleinere Proteste bei einer Veranstaltung von SPD-Chefin Saskia Esken wurde kürzlich noch breit berichtet. Herrscht Angst vor Nachahmern? Und warum wirkt das Schweigen der Medien so gleichgetaktet? Man stelle sich einmal vor, Polizisten hätten eine „Black-Lives-Matter“-Demonstrantin bei einer Sitzblockade am Hals weggezerrt und dann mit einem Kopfgriff fixiert…
Aber zu den wenigen Berichten, die es doch gibt. „CORONA-LEUGNER STÖREN SPAHN-AUFTRITT IN BARMEN“, titelt Radio Wuppertal in Großbuchstaben – wobei der zweite Teil der Überschrift korrekt ist, das erste Wort aber das heute fast schon übliche Framing und Diffamierung. Weiter schreibt der Sender: „Die Gruppe von Corona-Leugnern und auch offensichtlich Impfgegnern buhte den CDU-Politiker derart laut aus, dass Rede und Diskussion kaum möglich waren.“ T-Online titelt: „Jens Spahn in Wuppertal: Corona-Gegner machen Gespräche unmöglich.“ Inwieweit sie unmöglich wurden, ist schwer zu sagen, erheblich erschwert wurden sie jedoch, und das ist in einer Demokratie problematisch. Allerdings gibt es ähnliche Probleme regelmäßig bei der AfD, wo kaum darüber berichtet wird.
Im Artikel widerspricht sich T-Online dann selbst: „Wie die ,WZ’ berichtet, war jede Debatte durch den Lärm unmöglich. Trillerpfeifen und Tommeln hätten die Gespräche erschwert. Dennoch habe sich Spahn einigen Kritikern gestellt.“ Entweder oder. Offenbar bemerkte T-Online den Logik-Fehler und korrigierte später die Überschrift.
Die Szenen aus Wuppertal könnten ein Fanal sein. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Je mehr Menschen wegen der Corona-Maßnahmen drastische persönliche Konsequenzen fürchten müssen bis hin zum Verlust ihrer Existenz, je heftiger die Medien framen, statt auch Kritiker nüchtern zu Wort kommen zu lassen, umso heftiger werden die Spaltung unserer Gesellschaft und damit auch die Proteste werden. Uns droht ein heißer Herbst.
Bild: Screenshots Youtube/bearbeitet/ReitschusterText: red