Von Daniel Weinmann
Es ist ein vernichtendes Zeugnis für die ebenso kopflose, kostspielige wie größtenteils sinnfreie „Energiewende“ der Bundesregierung. Exklusiv für das „Handelsblatt“ legt die Unternehmensberatung McKinsey gleich eine ganze Reihe von Schwachstellen offen, die das Leben der Menschen, aber auch der Unternehmen in diesem Land künftig nicht einfacher machen wird.
„Die Vorstellung, Erdgas sei als Energieträger bereits in wenigen Jahren verzichtbar, ist nicht haltbar“, sagt Alexander Weiss, Leiter des globalen Energiesektors bei McKinsey, „unsere Analyse zeigt, dass wir Erdgas noch für mehr als zehn Jahre brauchen“. Die Europäer sollten vor diesem Hintergrund auch den Abschluss langfristiger Abnahmeverträge erwägen.
Doch hierzulande zählen Klimaziele mehr als die Energiesicherheit. In den kommenden Jahren müssen die CO2-Emissionen sinken, lautet das Mantra von Habeck & Co. Dass die fehlenden Lieferungen aus Russland, das im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte des hierzulande benötigten Erdgases bereitstellte, komplett ersetzt werden müssen, tangiert den Wirtschaftsminister offensichtlich nur am Rande.
Dazu passt, dass mit ConocoPhilips jüngst ausgerechnet ein amerikanisches Unternehmen den Gas-Deal mit Deutschland eingefädelt hat, während die Scheichs Habeck trotz seines servilen Kniefalls hängen ließen. Nun wird also der drittgrößte US-Ölkonzern ab 2026 jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssiggas nach Brunsbüttel liefern, wo ein entsprechendes Terminal entsteht.
»Sinkende Erdgaskosten sind der entscheidende Schlüssel, um die CO2-Emissionen der Stromerzeugung zu reduzieren«
Habeck bezeichnete den Deal auf einer Industriekonferenz in Berlin als „super“. Dass damit aber nur ein Bruchteil des deutschen Bedarfs abgedeckt wird, scheint der Mann mit dem mangelhaften ökonomischen Basiswissen nicht bemerkt zu haben. Die zwei Millionen Tonnen Flüssiggas – umgerechnet rund 2,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr – entsprechen nicht einmal drei Prozent der knapp 90,5 Milliarden Kubikmeter, die Deutschland im Jahr 2021 benötigte.
Dabei ist eine Erhöhung des Erdgasangebots nach Ansicht von Energieexperte Weiss zwingend erforderlich. Nicht nur, um das Preisniveau zu senken, sondern auch, um im Klimaschutz vorwärtszukommen: „Sinkende Erdgaskosten sind der entscheidende Schlüssel, um die CO2-Emissionen der Stromerzeugung zu reduzieren. Wenn die Erdgaskosten hoch bleiben, kommt zu viel Kohle zum Einsatz“, bringt es Weiss auf den Punkt. Nur bei „deutlich reduzierten Gaspreisen“ würden die CO2-Emissionen 2025 im Zielbereich liegen.
Auch mit Blick auf Strom sieht McKinsey hierzulande erhebliche Defizite. Da sich der Stromgroßhandelspreis im Jahresdurchschnitt gegenüber dem langfristigen Mittel versiebenfacht habe, wird sich der Endkundenpreis der Prüfungsgesellschaft zufolge – ohne Berücksichtigung des von der Bundesregierung beschlossenen Preisdeckels – verdoppeln. Erst ab 2025 dürften die Strompreise auf ein für Wirtschaft und Bürger tragbares Level zurückkommen, so die ernüchternde Prognose.
Ausbau der erneuerbaren Energien stößt an praktische Grenzen
Dies habe „spürbare Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere in der Industrie“. Es sei daher unerlässlich, die Stromerzeugungskapazitäten massiv auszubauen, schreibt McKinsey der renitenten Regierung daher ins Gebetbuch – und warnt zugleich vor Gefahren für die Versorgungssicherheit.
Ein Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke über das Frühjahr kommenden Jahres hinaus hätte nicht nur stabilisierende Wirkung für das Stromversorgungssystem, sondern würde darüber hinaus die Preise dämpfen. McKinsey zufolge könnte der Großhandels-Strompreis des Jahres 2025 um fünf bis 15 Euro je Megawattstunde niedriger sein, wenn die drei Kernkraftwerke dann noch liefen.
Die nächste Klatsche für die Regierung: Den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien hält McKinsey zwar für zwingend geboten. Er könne aber an praktische Grenzen stoßen. Allein bis 2025 entsteht dafür McKinsey zufolge ein Zusatzbedarf von 180.000 Arbeitskräften. Aktuell sind nur 40 Prozent dieses Bedarfs gedeckt. Hinzu kommt die extreme Abhängigkeit von China, das der Analyse zufolge für 95 Prozent der Solarzellen steht.
Ob Berlin zumindest dieser Analyse in seiner zukünftigen Energiepolitik berücksichtigt? Wohl kaum. Das Erreichen der Klimaziele ist und bleibt das A und O. Alles andere fällt in die Kategorie Kollateralschäden.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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