Alles spricht dafür, „dass Habeck von einem Teleprompter abliest – genauso wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Ansprache an die Presse (von einer Pressekonferenz zu sprechen, wäre beschönigend) nach dem Ende der Koalition diese Woche. Ich halte das für eine furchtbare Unsitte und Betrug am Zuschauer. Wenn ein Politiker schon nicht in der Lage ist oder zu feige, um frei zu reden, sollte er einen Zettel vor sich legen, damit dem Zuschauer nicht vorgegaukelt wird, er rede frei. Das ist Etikettenschwindel. Der in diesem Falle zwar nicht bewiesen ist, für den aber viele Indizien sprechen, wenn man sich beide Auftritte genau ansieht.“
Das habe ich auf meiner Seite am Samstag so geschrieben.
Und ganz offensichtlich hat mich mein Gefühl nicht getäuscht. Ein aufmerksamer Leser schickte mir jetzt ein Video, in dem der Medientrainer Tom Buschardt sich genau diesem Thema widmet. Genauer gesagt: dieser Unsitte. „Leider haben viele, darunter auch Mediencoaches, bei der Rede von Olaf Scholz nicht so genau hingeschaut und feiern ihn für die energische, frei vorgetragene Rede. Das ist Unfug. Genau das Gegenteil ist richtig. Vor allem aber, wenn man sich mit dem zuweilen beleidigenden Inhalt seiner Rede beschäftigt, ist es enorm wichtig zu wissen, wie es technisch funktioniert, denn dann kann man auch nachvollziehen, wieso Lindner überhaupt zum Gegenangriff übergehen konnte“, führt Buschardt aus.
Er erklärt ausführlich und überzeugend, wie Scholz offenbar zwischen zwei Telepromptersystemen seinen Blick wechseln lässt: „Bei Scholz sehen wir das, was wir auch bei US-Präsidenten sehr oft beobachten. Die Spiegel sind nicht in der Mitte bei der Führungskamera platziert, sondern links und rechts von der Bühne … Während der gesamten Rede, die knapp 14 Minuten dauert, schaut Scholz so gut wie nie in die Mitte, weil er von den beiden Spiegeln links und rechts abliest. Dadurch ergibt sich dieser Scheibenwischerblick, weil in der mittleren Kameraposition der Spiegel mit dem Text fehlt … An dieser Stelle erkennt man, dass die Blickführung von Olaf Scholz unsauber ist. Er schaut immer entweder auf die linke Seite oder auf die rechte Seite, weil genau da weiß er, ist mein Manuskript und da habe ich entsprechende Sicherheit.“
Sieht man sich die Rede in Kenntnis dieser Ausführungen an, wirkt sie auf einmal ganz anders. Die vermeintliche Sicherheit und geschliffene Rhetorik von Scholz wirkt jetzt wie ein Hütchenspiel, das die Zuschauer in die Irre führen soll.
Die Tatsache, dass Scholz nicht spontan sprach, wie er den Zuschauern offenbar vorgaukeln wollte – sonst hätte er ehrlich vom Zettel abgelesen – hat eine große Relevanz, wie Mediencoach Buschardt zu Recht ausführt: „Das heißt, jede persönliche Kritik an Christian Lindner ist kein Ausrutscher in einer Live-Situation, sondern wohlgesetzt und per Manuskript klar definiert. Das ist gewissermaßen rhetorischer Vorsatz. Scholz liest definitiv die persönlichen Tiefschläge gegen seinen Finanzminister ab. Und das ist für die Bewertung der Rede essenziell wichtig.“
Ganz anders Lindner. Er „hat es besser gelöst“, so Buschardt: „Er ist mit einem Zettel vor die Kameras gegangen und das ergibt eine wesentlich authentischere und glaubwürdigere Kommunikation, wie wenn er auch hier per Teleprompter geskriptet gewesen wäre.“
Hier finden Sie die sehr interessante Video-Analyse von Buschardt:
„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“
sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:
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