Özdemirs Outing: Wenn ein Grüner plötzlich in AfD-Nähe gerückt wird Der Landwirtschaftsminister: vom grünen Hoffnungsträger zum “Nazi”?

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, nichts über das Outing von Cem Özdemir zu schreiben. Aber das war ein Fehler. Bevor Sie mich jetzt überrascht fragen, ob sich Özdemir wirklich geoutet hat – nein, nicht in dem üblichen Sinne, in dem ein „Outing“ heute keinerlei Mut mehr erfordert und mit keinerlei Risiko mehr verbunden ist. Sondern in einem neuen Sinne, in dem so ein Outing fatale Folgen haben kann und sogar zu einem „Nazi“-Vorwurf führen kann. Denn Özdemir bekannte sich nicht etwa zu einer anderen geschlechtlichen Orientierung, sondern dazu, dass seine Tochter aufgrund von Zuwanderung Angst vor Übergriffen hat. In den Augen vieler seiner rot-grünen Gesinnungsgenossen ein absoluter Tabubruch. Und so brach denn auch ein gewaltiger Shitstorm über den Landwirtschaftsminister herein. So heftig, dass ich mir sagte: Darüber musst du schreiben.

Aber kurz nochmal ein Rückblick. Was ist geschehen? Özdemir wagte in einem Gastbeitrag in der einst konservativen, heute aber stramm rot-grünen „Frankfurter Allgemeinen“, den Heiligen Gral der rot-grünen Einwanderungspolitik, „wir bekommen Menschen geschenkt“, zumindest ansatzweise in Frage zu stellen. Seine Zweifel verpackte er in braver rot-grüner Polit-Keuschheit in Klagen über deutschen Rassismus etc. Doch dann kam Tacheles. Da steht, natürlich hinter einer Bezahlschranke, unter anderem Folgendes über die Erfahrungen seiner jungen Tochter in Berlin: „Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, kommt es häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden.“

Punkt. So viel Realität ist die maximale Provokation für die „woken“ Glaubensbrüder, die in ihrer eigenen Realität leben. In der Ideologie über Fakten geht.

Özdemir macht denn auch sofort einen Schritt zurück in seinem Text: „Und ja, der Einwand, das Risiko für sexuelle Belästigung sei in Partnerschaften und in der Familie ungleich höher, ist ebenso richtig wie der, man könne nicht nur an der Ostsee, sondern überall rassistisch beleidigt werden. Doch taugt Statistik nicht als Antwort auf Erlebtes. Belehrungen kommen gegen Erfahrungen nicht an. Es gibt keinen Grund, sich diese Behelligungen gefallen zu lassen.“

Er relativiert also die Ängste seiner Tochter, so als gäbe es die Kriminalitätsstatistik nicht. Und so, als habe seine Tochter „in Partnerschaft und Familie“ ein ungleich höheres Risiko, sexuell belästigt zu werden als auf den Straßen Berlins.

Meinen Sie das ernst, Herr Özdemir?

Und meinten Sie im Ernst, dass so ein Kniefall vor den Gesinnungswärtern in Ihrer Partei Sie vor deren Zornesblitz bewahren würde?

Zumal Sie dann noch Zeilen wie diese schreiben, bei denen all den Ricarda Langs und ihren Streitäxten in den Medien wie Monitor-Chef Georg Restle die Halsader schwellen dürfe: „Gegen solche Übergriffe hat sie sich, wie viele Frauen, das sprichwörtliche dicke Fell zugelegt. Doch ich spüre, wie sie das umtreibt. Und wie enttäuscht sie ist, dass nicht offensiver thematisiert wird, was dahintersteckt: die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern.“

Nach so schwerem Tobak folgt sofort der nächste Kniefall vor den Glaubenskriegern in Özdemirs Text: „Sie redet nicht gern über diese Erlebnisse. Wenn sie davon erzählt, zögert sie, weil sie nicht möchte, dass Rechtsradikale daraus Kapital schlagen. Und sie fügt dann sofort hinzu, sie wolle, dass anerkannt wird, dass sehr viele Migranten und Geflüchtete alles tun, um hier schnell anzukommen, hart arbeiten und sich engagiert einbringen. Unser Land ist angesichts des Geburtenrückgangs und des Fachkräftemangels auf Einwanderer angewiesen. Und die, die kommen, wundern sich, wie wenig vorbereitet dieses Land auf sie ist.“

Weiter schreibt Özdemir: „Ich kann die Erfahrungen meiner Tochter nicht ignorieren. Als Vater will ich es nicht, als Politiker darf ich es nicht. “

Da zwingt sich die Frage auf: Warum hat er das Thema ignoriert, bevor es ihn selbst betraf, bzw. seine Tochter? Wo war er all die Jahre seit 2015? Warum schwieg er dazu, dass die Zahl der sexuellen Übergriffe allein durch Asylzuwanderer von 2017 bis 2023 auf rund 53.000 geradezu explodierte (siehe hier).

Doch auch das späte Aufwachen von Özdemir machte ihn sofort zum Feindbild der „Wokeismus“-Ideologen. Gegen nichts scheinen diese eine größere Allergie zu haben als gegen die Benennung von Realitäten, die nicht zu ihren weltfremden Dogmen passen. Die Rowohlt-Autorin Annika Brockschmidt, die immerhin mehr als 100.000 Follower auf X hat und gern gesehener Gast in den öffentlich-rechtlichen Talkshows und Autorin des „Volksverpetzers“ ist, empörte sich: „‘Sorge um die Tochter‘ wegen ‘illegaler Migranten‘ ist nun wirklich das sexistischste, rassistischste Klischee schlechthin. Und: nichts anderes wird seit Monaten in sämtlichen deutschen Medien durchgespielt, rauf und runter. So zu tun, als sei das nicht der Fall, ist bizarr.“

Mit anderen Worten: Wer sich – wie auch ich – Sorgen um seine Töchter macht, ist ein „Nazi“.

Das ist so perfide, das ist unfassbar, das ist so schräg, so infam, dass einem die Worte fehlen.

Und leider kein Einzelfall.

Der Historiker Jürgen Zimmerer, der sich stolz mit einem Foto mit Angela Merkel brüstet auf seiner Seite, schreibt auf X: „Wenn Cem Özdemir wusste, wie seine Aussagen xenophobe Stereotype bestätigen, ist er für höhere Ämter nicht geeignet. Wenn er es nicht wusste, fehlt ihm Urteilskraft, und er ist für höhere Ämter nicht geeignet! Er ist nun ein Gesicht der völkischen Wende in der Bundesrepublik.“

Frei nach Hegel: Wenn die Fakten nicht mit meiner Ideologie übereinstimmen – umso schlechter für die Fakten.

Der türkische Publizist Ali Utlu konterte Zimmerer: „Sie sind die Art von Rassist, vor denen wir Migranten uns am meisten schützen müssen. Denn Sie denken, Sie würden für uns Migranten handeln, dabei machen Sie das nur für Ihre eigenen Schuldgefühle, die Sie haben, weil Sie sich als Deutscher verachten.“

Özgür Özvatan vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin schreibt: „Geht’s noch kartoffeliger? Ich freue mich auf das erste Interview mit seiner Tochter zur Sorge von Cem Özdemir um sie. Sie wird sicher selbstbestimmt einiges dazu zu sagen haben. Meine Vermutung: Sie weicht in ihrer Position von ihrem Papa ab.“

Der Account „rotundrosa“, betrieben von einem Mitglied von Antifa und „Linker“, schreibt zu Özdemir: „Er verbreitet leider auch das Narrativ, dass sexualisierte Gewalt hauptsächlich von Männern mit Migrationshintergrund ausgehe. Wäre Deutschland also für uns Frauen sicherer, wenn alle Männer mit Migrationshintergrund verschwinden würden – wie Rechte es uns glauben machen wollen?“

Nicht Rechte, wertes „Antifa“-Mitglied, sondern die offizielle Kriminalitätsstatistik. Dass laut dieser allein durch Asylzuwanderer von 2017 bis 2023 rund 53.000 sexuelle Übergriffe stattfanden, ignorieren solche Ideologien einfach – und dichten es zu einer „rechten Lüge“ um.

Faszinierend. Wie würden solche Glaubenskrieger ihren Kampf gegen die Realität führen, gäbe es keine „bösen“ Rechten?

Die Aktivistin Daniela Sepehri schreibt: „Lieber Cem Özdemir, wollen Sie uns verarschen? Solche Aussagen hätte ich von CDU erwartet, nicht von Grünen. Mit solchen Narrativen unterstützen Sie einzig und allein die Rechten und fallen uns Migras in den Rücken. Ekelhaft.“

Die Frauen, die Opfer der sexuellen Belästigungen sind, sind solchen ideologischen Betonköpfen ganz offensichtlich schnurzpiepegal.

Ich könnte nun noch lange Beispiele für solche Realitäts-Allergie aufführen, aber ich will es Ihnen – und mir – ersparen.

Stattdessen lieber noch eine Stimme der Vernunft. Von dem Medienwissenschafter Norbert Bolz. Der schreibt auf X: „Was Özdemir von den anderen Grünen unterscheidet, ist, dass er durch seine Tochter Kontakt zur Realität hat.“

In die gleiche Richtung geht ein Kommentar von Johanna Hellwig: „‚Unangenehm begafft und sexualisiert‘ – Jetzt merkt auch ein grüner Minister, was in dieser Gesellschaft falsch läuft. Leider erst, wenn es die eigene Tochter betrifft!“

Ben Brechtken schreibt: „Spätestens, wenn Cem Özdemir (!!!) in AfD-Nähe geschoben wird, sollte der Elfenbeinturm doch merken, dass er jede Logik, jeden Bezug zur Realität und jede Vernunft aufgegeben und total überzogen hat.“

Und Ali Utlu bringt auf den Punkt, was auch ich empfinde: „Woke Antirassisten hetzen gegen Cem Özdemir, weil er das ausspricht, was jeder schon weiß, aber nicht ausgesprochen werden darf, nicht mal von Menschen mit Migrationshintergrund. Wir leben in einer Simulation…“

In der Tat. Wenn sich künftige Historiker all das irgendwann einmal ansehen müssen, werden sie, wie bei so vielen finsteren Epochen in der Geschichte, nur verwundert den Kopf schütteln und sich denken: „Was für ein Irrenhaus war das damals!“

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