Sehen Sie hier das Video zum Beitrag mit der Original-Szene
Menschen, die am Boden liegen, tritt man nicht. Nein, Annalena Baerbock vermittelt zwar durch ihr Auftreten den Eindruck, sie sitze eher auf dem hohen Ross der moralischen Überlegenheit, als dass sie am Boden liege. Allerdings hat sie in den vergangenen Wochen von eben jenem Ross so viele tiefe Stürze erlebt, dass sie einem fast schon leid tun kann: Nicht angemeldete Einkünfte und ein Dauer-Desaster mit Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten im Lebenslauf. Und jetzt auch noch das. Nach einem Auftritt auf dem Parteitag der Grünen, wo die Kanzlerkandidatin die Zweifler überzeugen will, verlässt sie im Live-Stream gemeinsam mit Robert Habeck den Bühnenbereich. Und urplötzlich ist ein lautes „Scheiße“ zu hören. Von einer Stimme, die haargenau wie die von Baerbock klingt.
Zur Entlastung vorneweg: Es ist nicht gerichtsfest erwiesen, dass das „Scheiße“ von Baerbock stammt. Aber alles spricht dafür: Die Ähnlichkeit der Stimme, die Synchronität mit dem Bild, und die Tatsache, dass sie die ganze Rede drahtlos „verkabelt“ war für die Tonwiedergabe und ihr Ansteckmikro auch nach dem Weggang vom Pult noch trug. Dass sie gegen Ende der Rede etwas unzufrieden mit sich selbst wirkte, ja etwas mit sich zu hadern schien. Dass auf dem offiziellen Video der „Grünen“ die Stelle nicht (mehr) zu sehen ist. Wenn kein Wunder einer unbefleckten Fremd-Ton-Einspielung geschah und sie hier die Nerven verloren hat, wäre das ausgesprochen peinlich. Denn der Kontrast zu ihren immer ebenso hehren wie holden Aussagen könnte drastischer kaum sein.
In ihrer Rede hatte Baerbock zuvor erklärt, beim Klimaschutz einen breiten Konsens in der Gesellschaft anzustreben. Nur wenn alle Menschen mitgenommen würden, „werden die Bündnisse für den Klimaschutz stärker sein als die Bündnisse dagegen“, sagte die Grünen-Chefin. „Wir brauchen jetzt die Zuversicht des Handelns.“
Kurz nachdem sie von den Delegierten offiziell zur Kanzlerkandidatin gekürt wurde, mahnte sie grundlegende Änderungen und Reformen an. Es dürfe jetzt keine Ausreden mehr geben, so die Grünen-Politikerin, „kein Wegducken, kein Durchwursteln“. Veränderung, so Baerbock, schaffe Halt. „Wir kämpfen für einen neuen Aufbruch“, betonte sie.
Fand sie all das scheiße?
Nicht ausgeschaltete Mikrophone wurden schon öfter Spitzenpolitikern zum Verhängnis. Legendär ist, wie Wladimir Putin im Gespräch mit einer israelischen Delegation in höchsten Tönen schwärmte, dass der damalige israelische Präsident Mosche Katzav der Vergewaltigung mehrerer Frauen beschuldigt (und später auch schuldig gesprochen) wurde: „Was für ein starker Kerl! Zehn Frauen hat er vergewaltigt. Grüßen Sie Ihren Präsidenten. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er hat uns alle überrascht. Wir beneiden ihn alle.“
Text: br