Der neudeutsche Größenwahnsinn im „besten Deutschland aller Zeiten“ (Bundespräsident Steinmeier) hat ein Ausmaß angenommen, das erschreckend ist. Vor allem, wenn man in die Geschichte zurückblickt und dabei zu dem Schluss kommt, dass Größenwahn in Deutschland nichts Unbekanntes ist. Und so war es mir unheimlich, als ich diese Überschrift des Corona-Tickers auf „Spiegel Online“ entdeckte: „Scholz nennt deutschen Kurs den »erfolgreichsten« in Europa“. Weiter schreibt das Hamburger Magazin: „Deutschland ist gegenwärtig das erfolgreichste Land in Europa beim Umgang mit der Pandemie – behauptet Kanzler Scholz. Und: In Portugal brauchen europäische Urlauber keinen Testnachweis mehr. Der Überblick.“
Alle anderen sind die Geisterfahrer – und am deutschen Wesen soll Europa und das Corona-Virus genesen. Wie kommt es zu diesem Binnen-Blick? Zu dieser deutschen Fixierung auf die reinen Corona-Zahlen – wobei das Wort „rein“ hier ja fehl am Platz ist, denn sie werden ja sehr selektiv kommuniziert, so dass sie ins hierzulande herrschende Narrativ passen. Die Kollateralschäden, das unendliche Leid von Kindern und Jugendlichen, von isolierten Menschen, die unter den Maßnahmen leiden, von Patienten, deren Operationen verschoben werden mussten, all das wird ausgeblendet. Dafür will man sich als Corona-Weltmeister sehen und die Zahlen drücken.
Wenn Sie mich nun nach einer Erklärung fragen, muss ich ganz offen gestehen: Da könnte wahrscheinlich ein Psychiater besser helfen. Und nur den Blick auf unsere Geschichte schweifen zu lassen, führt nicht weit genug. Bzw. es führt wieder nur zu den Symptomen, aber nicht zu den Ursachen. Das Einzige, was tröstet – und ebenfalls in dem Spiegel-Artikel zu Scholz zu lesen ist: „Scholz hatte im jüngsten ARD-»Deutschlandtrend« von Infratest dimap bei der Frage nach der Zufriedenheit der Bürger mit seiner Arbeit 17 Punkte eingebüßt. Anfang Januar war demnach eine deutliche Mehrheit mit seiner Arbeit zufrieden, aktuell sind es nur noch 43 Prozent.“
Das macht Hoffnung, dass die Zahl derer, die den neudeutschen (Corona-)Größenwahn teilen, zumindest massiv am Sinken ist.
Weniger Hoffnung macht, was dann weiter unten zu lesen ist: „Auf Omikron dürften nach Aussage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach noch weitere Virusvarianten folgen. ‘Ich glaube nicht, dass Omikron die letzte Variante ist‘, sagt Lauterbach der ‘Bild‘ auf die Frage, wann das Ende der Pandemie und der Schutzmaßnahmen zu erwarten sei. ‘Wir werden noch mehr Varianten bekommen.‘“
Vielleicht bin ich ja überstreng und höre das Gras wachsen – aber mein erster Gedanke beim Lesen dieser Aussagen von Lauterbach war, dass der Minister darüber vielleicht gar nicht so ganz unglücklich ist. Denn nur Corona hat den fast in Vergessenheit geratenen Hinterbänkler aus der SPD-Fraktion völlig unerwartet und überraschend (und mit Hilfe von willigen öffentlich-rechtlichen Talkshows) zum angeblich beliebtesten Politiker der Republik und zum Gesundheitsminister gemacht.
So wenig sich mir selbst der vermeintliche Zauber des Sozialdemokraten je erschloss (es ist wohl eine Art Rettungs-Hoffnung), so schnell würde der wohl auch bei einem Großteil seiner Anhänger ohne das Virus regelrecht verpuffen.
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