Trotz Knappheit: 650 Millionen Kubikmeter Erdgas bleiben im bayerischen Boden Ministerpräsident Markus Söder stellt sich quer

Von Daniel Weinmann

Das russische Gas aus Nord Stream 1 bleibt „bis auf Weiteres“ gestoppt, am Terminmarkt haben sich die Gaspreise allein an diesem Montag um bis zu 35 Prozent verteuert. „In Anbetracht der knappen Gasversorgung kann man nicht ausschließen, dass es in diesem Winter je nach Wetterlage zu obligatorischen Gasbeschränkungen für nicht lebensnotwendige Industrien oder sogar zu rollenden Gasabschaltungen kommt”, warnt die US-Bank JPMorgan in einer aktuellen Analyse, während Bundesnetzagentur-Chef Müller harte Zeiten prognostiziert. Derweil malt der Chef des strauchelnden Energiekonzerns Uniper eine potenzielle Gas-Rationierung in Deutschland an die Wand.

Verwunderlich vor diesem Hintergrund: In Oberbayern schlummern 650 Millionen Kubikmeter Gas unter der Erde, – die genau dort bleiben sollen. Zwar wäre dies zu wenig für eine Langfristlösung, aber genug, um München ein Jahr lang zu versorgen. Zudem gibt es mit Terrain Energy auch eine Firma, die den knappen Rohstoff fördern würde. Eingespeist werden könnte die Energie in eine bereits bestehende, wenige hundert Meter von Holzkirchen gelegene Fernleitung.

Doch die Stadt Holzkirchen, unter der das Gas liegt, mauert. Bürgermeister Christoph Schmid sieht indes das bayerische Wirtschaftsministerium in der Pflicht. Dieses solle für mögliche Schäden aufkommen, die seiner Meinung nach durch die Gasbohrungen entstehen könnten. „Wir brauchen Sicherheiten, dass eine Gasbohrung die Geothermie nicht beeinträchtigt“, unterstreicht der Ortsvorsteher.

»Das Ministerium soll doch die Wirtschaft fördern. Stattdessen legt man uns Steine in den Weg«

Besonders besorgt ist er wegen der 70 Millionen Euro teuren Holzkirchener Geothermie-Anlage, die seine Gemeinde gebaut hat. Sollten die Erdgasbohrungen ein Erdbeben auslösen, fürchtet Schmid, könnte die Anlage verschüttet werden. Gleiches könnte mit den Häusern der Einwohner passieren, unter deren Grundstücken das Gas gefördert werden müsste. „Ich gehöre immer zum Team Vorsicht“, betont Schmid.

Vom Wirtschaftsministerium erhielt der CSU-Politiker aber nur ausweichende Antworten, wie er der „Welt“ berichtet. „Alles, was geht, an Energie zusammenbringen – und nichts weglassen“, forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder noch im Juli. Doch was kümmert ihn sein Schwadronieren von gestern?

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums ließ die „Welt“ wissen, dass es keine Pläne gebe, Kommunen in Form von Sicherheiten zu unterstützen. Die Risiken einer Erdgasförderung seien in Bayern sehr hoch und müssten von den Unternehmen getragen werden. Zudem würden die Reserven in Bayern nur ein bis zwei Prozent des Jahresbedarfs decken, weshalb sich ein Engagement nicht lohne.

Für Terrain Energy-Chef Marcus Endres ist dies eine „bizarre Geschichte“. Das Ministerium berücksichtige nämlich nur die bereits nachgewiesenen Vorkommen, doch tatsächlich liege das Potenzial weitaus höher. „Das Ministerium soll doch die Wirtschaft fördern. Stattdessen legt man uns Steine in den Weg“, flucht der Manager.

Die Politik gefährdet die Energie-Versorgungssicherheit

Auch die Bedenken des Bürgermeisters kann er nicht teilen. Schließlich handle es sich um eine konventionelle Bohrung. Die umstrittene Fracking-Technologie, bei der das Gas mittels Wasser und Chemikalien aus Schiefergestein gequetscht wird, lehnt er ab. Weil er die Bohrungen für unbedenklich hält, hat er der Gemeinde Holzkirchen nicht nur ein 26 Seiten umfassendes wissenschaftliches Gutachten vorgelegt, sondern zugleich ein für manche Bewohner unmoralisches Angebot unterbreitet: Vom bereits im Jahr 2020, als Gas erheblich günstiger war, prognostizierten Nettogewinn von 185 Millionen Euro möchte er der Stadt zehn Prozent zukommen lassen. Endres investierte bereits 1,5 Millionen Euro in das Projekt. Ein Risiko sieht er daher vor allem mit Blick auf finanzielle Verluste.

„Aus Angst vor Protestbewegungen gefährdet die Politik die Energie-Versorgungssicherheit“, ärgert sich Endres im Interview mit der „Welt“. Das Versagen der Verantwortlichen könnte sich bitter rächen: Offiziellen Zahlen der geologischen Dienste zufolge wären hierzulande 42 Milliarden Kubikmeter Erdgas leicht erschließbar.

DAVID
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Shutterstock/Tohuwabohu1976
Text: dw

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