Verfassungsschutzbericht – wie ZDF und Co. manipulieren Öffentlich-rechtliches Framing

Ein Blick zurück – die wichtigsten Beiträge aus dem Jahr 2020. Hier vom Juli:

Wer am Donnerstag die Nachrichten las, hörte oder schaute, musste unweigerlich zu einem dramatischen Schluss kommen: Dass Deutschlands größtes Problem der Rechtsextremismus ist. Die Art und Weise, wie der neue Verfassungsschutzbericht in Berlin vorgestellt wurde und wie ihn die meisten Medien verbreiten, ist anders als mit „Framing“ nicht mehr zu bezeichnen: Mit dem Versuch, das Denken der Menschen in eine gewisse Richtung zu lenken. Dabei wird der eigentliche Bericht auf dreiste Weise verdreht und entstellt, ja in Bereichen sogar auf den Kopf gestellt. Aber der Reihe nach. Exemplarisch für die Verwandlung von Journalismus in Propaganda war die Berichterstattung in den Abendnachrichten um 19 Uhr im ZDF (in anderen öffentlich-rechtlichen Sendern möglicherweise auch, aber ich habe mich heute auf diese Sendung und Nachrichtenportale im Internet konzentriert, nachdem mich ein Leser empört darauf aufmerksam gemacht hat.).

„Hetzen, verletzen, töten – immer mehr Extremisten werden in Deutschland zu Tätern, die meisten kommen aus dem ganz rechten Lager“ – mit diesen Worten begann die Sendung. Das ist genau das Gegenteil von dem, was im Vorwort des Verfassungsschutzberichtes steht: „Insgesamt ist die Zahl der Gewalttaten im Bereich der ‘Politisch motivierten Kriminalität (PMK) – rechts‘ im Berichtsjahr zwar gesunken.“ Weiter steht in dem Bericht: „Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten hat im Jahr 2019 erheblich zugenommen.“Und weiter: „Wurden im Vorjahr 4.622 Delikte erfasst, stieg die Zahl im Berichtsjahr um knapp 40 % auf 6.449, davon 921 Gewaltdelikte (2018: 1.010).“

Im ZDF und in sehr vielen Medien wird aber genau der umgekehrte Eindruck erweckt. Hier die Vergleichszahlen für Gewaltdelikte (nicht zu verwechseln mit der eben für Linksextremismus erwähnten Gesamtzahl aller Delikte):

Kein Wort im ZDF und vielen anderen Medien auch darüber, dass es sich bei mehr als der Hälfte von Delikten, die Rechtsextremismus zugeordnet werden, um so genannte „Propaganda-Delikte“ handelt, die es für Linksextreme gar nicht gibt – und deren Zuordnung oft fragwürdig ist. Wenn etwa jemand fünfzig Hakenkreuze schmiert, erscheinen fünfzig entsprechende Delikte in der Statistik.

Auch beim Bereich „Volksverhetzung“, der ebenso nur bei Rechtsextremen auftritt, zweifeln Kritiker an der Vergleichbarkeit mit linksextremen Delikten. Das, was man neudeutsch „Hassverbrechen“ nennt, wird bei Linken in der Regel nicht erfasst. Wer andere als „Nazis“ beschimpft, hat etwa kaum Konsequenzen zu befürchten.

Weiter framte die Sprecherin im ZDF: „Wir beginnen mit einer Entwicklung, die der Verfassungsschutz im letzten Jahr beobachtet hat, Extremismus und Gewaltbereitschaft nehmen exorbitant zu, zwar auch bei Linksextremen, aber die weitaus meisten Hassverbrechen kommen von ganz rechts. Innenminister Seehofer nennt das eine Schande für unser Land. Laut Seehofer ist die rechtsextreme Szene deutlich größer geworden. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Rechtsextremisten von 24.100 auf 32.080“.

Das wird auch im Bild so gezeigt. Kein Wort, und auch kein Bild dazu, dass gleichzeitig mehr Linksextremisten gezählt wurden – nämlich 33.500. Das wird einfach ausgelassen. Frei nach der Redensart, dass zuweilen die Auslassung die größte Lüge ist. Nur in einem Mini-Satz wird erwähnt, warum der Verfassungsschutz auf die hohe Zahl von Rechtsextremisten kommt – weil neuerdings Teile der AfD mitgezählt werden. Fast der gesamte Anstieg ist auf den Bereich „in Parteien“ zurückzuführen, wie man der folgenden Tabelle entnehmen kann:

Umgekehrt wird man im gesamten Verfassungsschutzbericht nicht fündig, wenn man das Suchwort „Antifa“ oder „Antifaschistisch“ eingibt. Merkwürdig. Ebenso wie die Tatsache, dass zwar 60 Seiten in dem 380 Seiten langen Bericht islamistischem Extremismus gewidmet sind – dieser aber beim ZDF so gut wie gar nicht vorkommt und auch in den meisten anderen Medien allenfalls beiläufig erwähnt wird.

Nach der Anmoderation strahlt „Heute“ im ZDF einen Bildbeitrag aus, der beginnt mit den Worten: „Dieser Bericht hat es in sich, noch nie war die Gefahr von rechts so groß wie heute“. Sodann ist Seehofer zu hören: „Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist weiter gewachsen“. Auch hier kein Wort zu Linksextremen. Weiter sagt der Sprecher: „Rechte Gewalt eskaliert“. Dazu wird dann auch Hanau genannt – obwohl das Massaker dort sich im Februar 2020 ereignete und es um den Verfassungsschutzbericht für 2019 geht: und obwohl es massive Zweifel an einem rechtsextremen Motiv in Hanau gibt, laut Presseberichten auch im Bundeskriminalamt.

„Im Visier auch weiter Teile der AfD, vor allem der so genannte Flügel“, heißt es weiter im ZDF. Die AfD wird damit in einem Atemzug mit Gewalt genannt. Der Sprecher weiter: „Seit Jahren bauen Bund und Länder ihre Sicherheitsbehörden aus und um, gegen jede Form von Extremismus, vor allem aber gegen rechts.“ Dann ist Konstantin von Notz von den Grünen zu hören: „Viele relevante Projekte kämpfen jedes Jahr um ihre Förderung, wir brauchen klare finanzielle Zusagen“. Meint er damit eine Förderung der Antifa, wie sie seine Parteifreundin und Ex-Ministerin Renate Künast im Bundestag forderte?

Ganz am Schluss des Beitrags, in einem Nebensatz, ist dann Folgendes zu hören: „Auch Linksextremisten agieren immer gewalttätiger, und auch vor islamistischem Terrorismus wird weiter gewarnt.“

Die nächste Nachricht bei „Heute“: „Der Verdacht wiegt schwer. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) schließt ein rechtes Netzwerk in der Polizei seines Bundeslandes nicht mehr aus“. Auf dem Bildschirm ist als Überschrift zu sehen: „Rechtes Netzwerk in Hessens Polizei?“ Hier wird zum einen „rechts“ mit „rechtsextrem“ gleichgesetzt. Sodann heißt es, dass die Daten einer Linken-Politikerin, die Drohungen erhielt, über einen Polizeicomputer abgefragt wurden. Und weiter erneut der Satz mit dem „nicht ausschließen“ eines „rechtsextremen Netzwerks.“ Genauso gut könnte man nicht ausschließen, dass Außerirdische oder der Ku-Klux-Clan in der hessischen Polizei ein Netzwerk haben Oder dass Angela Merkel bei der Stasi war. Oder beim KGB. Oder dass Putin den Friedensnobelpreis erhält. Oder Trump. Ausschließen kann man wenig auf dieser Welt. Aber in dieser Art zu berichten, ist manipulativ.

Dabei ist die manipulative Berichterstattung im ZDF nur ein Beispiel von vielen. Seehofer sagte etwa, für die antisemitischen Straftaten seien zu mehr als 90 Prozent Rechtsextremisten verantwortlich. Das ist Irreführung und lenkt ab von der Lebenswirklichkeit – vom weit verbreiteten islamisch motivierten Antisemitismus. Noch vor Jahresfrist hatte Seehofer betont, dass oft auch nicht zuzuordnende antisemitische Straftaten automatisch als „rechtsextrem“ registriert werden. Dazu diesmal keine Bemerkung, keine Nachfrage, keine kritischen Töne, nichts.

Seehofer nennt in einem Atemzug „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ die größten Bedrohungen für die Sicherheit in Deutschlands – und lässt Linksextremismus und islamistischen Extremismus dabei aus. Trotz der deutlichen Zunahme linksextremistischer Straftaten 2019, die sich bei gründlichem Blick in den Verfassungsschutzbericht ergibt. Aber offenbar schaut kaum noch jemand hinein.

So absurd und gefährlich es wäre, den Rechtsextremismus zu verharmlosen, so absurd und gefährlich ist es, links und religiös motivierten Extremismus herunterzuspielen. Und auszuklammern, was die Gründe für den wachsenden Extremismus sind.

Es ist erschreckend, wie sich Verfassungsschutz und Medien instrumentalisieren lassen zu etwas, was bereits bei Stasi und KGB Tradition war: Die ständige Betonung einer „rechten“, also faschistischen Gefahr, um von eigenen Fehlern und Problemen abzulenken (siehe meinen Beitrag „Der Kampf gegen Rechts von Stasi und KGB“). Selbst die Berliner Mauer wurde als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, und die sozialistischen Geheimdienste inszenierten selbst „rechten Terror“, um mit der „Gefahr von rechts“ Politik zu betreiben und abzulenken. So sehr sich die Methoden unterscheiden mögen – das Grundprinzip ist erschreckend ähnlich.


Bilder: ZDF/heute/Screenshots

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