Von Alexander Wallasch
Warum ist das Naheliegendste eigentlich so schwer zu schlucken für die Union und ihre Anhänger? Die CDU/CSU muss in der kommenden Legislatur in die Opposition. Eine Selbstreinigung im einfach nur fortlaufenden Regierungsgeschäft ist nicht mehr möglich.
Unglaubwürdig auch der Versuch, die kommende Bundestagswahl zur Schicksalswahl etwa gegen eine rot-rot-grüne Regierung aufzubauschen. Denn dann müsste das Bestehende als bessere Alternative erkennbar sein.
Aber wie soll der Wähler schlucken, was man nur mit Gewalt runterwürgen könnte: Die SPD ist Koalitionspartner einer Merkelregierung, die sich in 16 Jahren den Grünen angenähert und die gesamte Union dabei im Schwitzkasten festgehalten hat.
So betrachtet ist die Koalitionsregierung aus Union und SPD längst eine mit grüner Beteiligung, mindestens in Person von Angela Merkel selbst.
Die amtierende Bundeskanzlerin führt die Bundesregierung seit 2005 an, zunächst in einer Koalition mit der SPD, dann mit der FDP und seit 2013 erneut mit der SPD.
Eine Vergangenheitsbewältigung ist bitter notwendig schon deshalb, weil alle führenden Unions-Politiker die Havarie ihres Merkel-Schlachtschiffes im grünen Sumpf live miterlebt haben, ohne den Mut aufzubringen, Merkel das Ruder zu entreißen.
Schon 2017 fragte beispielsweise die Deutsche Welle: „Wie grün ist Angela Merkel?“ Und Claudia Kemfert, Energie- und Klimaexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), brachte es damals auf den Punkt:
„Merkel würde ihrer Überzeugung eher entsprechen können, wenn die Grünen mitregieren würden. In anderen Parteikonstellationen überwiegen die Gegner“, da könne sich Merkel alleine nicht durchsetzen.
Und es geschah: Angela Merkel bog sich die ein wenig störrische Union auf ihren grünen Kurs und die ließ es sich gefallen. Wer sich das anbiedernde Gerede des gescheiterten CSU-Kandidaten zum Kanzlerkandidaten der Union, wer sich den Verbiege-Mechanismus des bayrischen Ministerpräsidenten angeschaut hat, wer teils peinlich berührt mit ansehen musste, wie Markus Söder sich auf Gedeih und Verderb an Angela Merkel gekettet hat, der kommt nicht mehr daran vorbei, festzustellen, dass diese Union zwangsläufig in die Opposition muss. Dass sie wieder von der Basis das Kämpfen lernen und in die Parlamente tragen muss. Und dass dabei Köpfe rollen müssen.
Ein „Wir schaffen es!“ kann ja für die Union als Regierungspartei nicht mehr gelten: Es gibt keinen einzigen programmatischen Wendepunkt, der das Versprechen glaubwürdig tragen könnte, dass die Union mit dem System Merkel gebrochen hat.
Stattdessen dreht sich alles nur noch um Machterhalt. Um Posten und Pöstchen und um die panische Frage: Mit wem gelingt es der Union noch, die Wahl zu gewinnen? Fast hat es sich ja beim Aufeinandertreffen der drei Kanzlerkandidaten so angehört, als mache Laschet Scholz gar eine Offerte, die Große Koalition zu verlängern – mit der FDP?
Aber wirklich tragisch ist, dass sich die Union in ihrem Ringen um einen radikalen Kurswechsel an einer Stelle tatsächlich an der Bundeskanzlerin hätte orientieren können. Denn Angela Merkel hatte es einmal fertiggebracht, als Erneuerin der CDU verstanden zu werden. Oder sogar als eine Mischung aus Putschistin und Reinemachfrau des Sumpfs ihres Vorgängers Helmut Kohl zu erscheinen. Vom „Merkel-Putsch“ war sogar die Rede.
Der gediegene Armin Laschet ist kein Revolutionär, dafür fehlt ihm die Ideologie der Veränderung, nein, ihm fehlen überhaupt neue Ideen.
Laschet beruft sich stattdessen in der RTL-Wahlkampfarena auf Adenauer und Kohl – er ruft die Helden seiner politischen Jugend zur Hilfe, wie andere nach Mutter und Vater rufen. Das Echo blieb erwartungsgemäß stumm und der politisch schon am Boden liegende Olaf Scholz (SPD) bekam so seine nächste unerwartete Kanzlerinjektion – was für ein Jungbrunnen für diesen deutschen Joe Biden!
Wer aber wie Scholz die Aura des sterbenden alten weißen Schwans durch die Arena schleppt und damit noch in den Umfragen vorne liegt, der muss verdammt schlechte Gegner haben, oder hier wirken ganz andere Kräfte, von denen wir nichts wissen.
Der Kardinalfehler von Armin Laschet als Kanzlerkandidat ist vier Wochen vor der Wahl überdeutlich geworden: Anstatt ins Risiko zu gehen und den kalkulierten Affront mit der Bundeskanzlerin zu suchen, ihr den Fehdehandschuh für die verbleibenden zwanzig Prozent der CDU hinzuwerfen, hat der Parteivorsitzende (ja, das ist er unbemerkter Weise auch noch!) voller Selbstzweifel stattdessen still darauf gehofft, noch etwas vom verdampften Kanzlerinnenbonus mitnehmen zu können.
Deshalb übrigens wäre auch Markus Söder (CSU) keine Alternative zu Laschet gewesen. Denn wenn es ein Battle darum gegeben hätte, wer eher zum kalkulierten Affront fähig gewesen wäre, stände Laschet sogar noch vor Söder im Ring – aber beide natürlich weiter in kurzen Hosen und mit Holzgewehr.
Ach, es gelingt der Union um Armin Laschet ja nicht einmal die leichteste Übung, nämlich eine Endzeit-Stimmung vorzugeben, wenn Rot-Rot-Grün oder die Ampel kämen.
Und warum nicht? Weil die Grünen die stärkste aller Endzeit-Stimmungen mit der Klimaapokalypse längst auf ihrer Fahne stehen haben und – schon das nächste Dilemma – die Führungsriege der Union diese Apokalypse aus taktischen Gründen übernommen hat, um wiederum vor ihren Anhängern die Grünen überhaupt als Wunschpartner legitimieren zu können.
Geht jetzt alles kaputt, wenn Rot-Rot-Grün kommt? Es ist doch schon so viel kaputt. Und jeder kann wissen, wer das verantwortet, wer die letzten 16 Jahre regiert hat.
Um keine falschen Hoffnungen zu wecken: Niemand würde darauf wetten, dass eine Union in der Opposition von hier auf jetzt als Stern am politischen Firmament stände.
Nein, die Oppositionsbank ist nicht automatisch hart. Auch hier kann man es sich so gemütlich machen, wie Christian Lindner und seine FDP es die vergangene Legislatur vorexerziert haben: Oppositionsarbeit, missverstanden als Opposition gegen die AfD, die ja selbst mit auf den harten Bänken sitzt, eine Pulverisierung.
Wer von der Notwendigkeit einer Union auf der Oppositionsbank immer noch nicht überzeugt ist, der muss sich final die Frage stellen: Was würde denn ohne die Union schlechter laufen? Massenmigration, Energiewende, Klimaapokalypse, Unternehmensabbau – alles was Rot-Rot-Grün jetzt in Angriff nimmt, sind doch angefangene Baustellen und Großprojekte der Merkelregierung, nur dass man es jetzt eben viel konsequenter den Bach runtergehen lassen kann.
Eine echte Opposition könnte hier zu einem Dauerstörfeuer werden. Die Chance besteht durchaus, wenn es eine so regierungserfahrene Opposition gäbe. Aber auch diese Hoffnung ist trügerisch, denn da ist ja noch die AfD mit ihrer ganz eigenen Oppositionsarbeit. Wie sollte sich die Union hier absetzen und profilieren? Eine Opposition in der Opposition wäre lähmend und eine AFD-Distanzeritis würde unweigerlich Kräfte binden und die Opposition der Union schwächen.
Nein, es wird nicht spannend. Diese Wahl ist jetzt schon ein Desaster, egal wie sie ausgeht. Nur eines ist gewiss: Die Union muss in die Reha. Willkommen in der Opposition. Macht was daraus oder geht unter.
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite alexander-wallasch.de
Bild: privatText: wal
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