Immer wenn man glaubt, in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk könne einen nichts mehr überraschen, wird man von den gebührenfinanzierten Spesenrittern eines Besseren belehrt. Diesmal mit Hilfe des „ÖRR Blogs“, der auf Twitter ebenso regelmäßig wie gründlich die Absurditäten aus dem GEZ-Universum aufspießt. Mit einem Elefantengedächtnis – oder zumindest begnadetem Recherche-Talent.
Der neueste Fund des ÖRR-Blogs: „Macht Fleisch, Auto fahren und fliegen so verdammt teuer, dass wir davon runter kommen! Bitte! Schnell!“ Dieser fast schon masochistisch anmutende Aufruf stammt von Lorenz Beckhardt, aus den Tagesthemen vom Juli 2019.
Gut drei Jahre später ruft der gleiche Lorenz Beckhardt zum Warnstreik im Westdeutschen Rundfunk (WDR) auf. Dabei geht es um die Forderung von fünf Prozent mehr Lohn plus Inflationsausgleich.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Derselbe Journalist, der eine massive Erhöhung von Preisen forderte, damit das Konsumverhalten sich ändert, wirbt jetzt für einen Ausgleich für genau solche massive Preiserhöhungen.
Lorenz Beckhardt ruft zum Warnstreik beim WDR auf. Die Journalisten fordern 5% mehr Lohn plus Inflationsausgleich, weil die Lebensmittel- und Energiepreise so massiv gestiegen sind, wie Lorenz Beckhardt in den Tagesthemen forderte. #ReformOERR #OERRBlog pic.twitter.com/Ba13EXOjsH
— ÖRR Blog. (@OERRBlog) October 5, 2022
Wie bei immer mehr Nachrichten fällt es einem schwer, das alles noch zu kommentieren.
Ich überlasse deshalb die Bühne den Kommentatoren in den sozialen Netzwerken:
„Was geht in solchen Köpfen vor? Ich begreife es einfach nicht. Fordert höhere Preise und will anschließend einen Ausgleich von den Zwangskunden. Tut mir leid, in meinen Kopf geht das nicht rein“, schreibt Tom Schlesinger auf Twitter.
„Die wollen ungestört weiterkonsumieren, während die ANDEREN darben. So geht Sozialismus: Für sich selbst das Meiste, für die anderen nichts“, kommentiert „LWI“.
„Prada Abi“ schreibt: „Was bringt eigentlich ein Streik wenn er beim Arbeitgeber ohnehin nicht zu Gewinneinbußen führt und können Beitragszahler eigentlich auch streiken?“ Auch der Nutzer „Lars“ stößt ins gleiche Horn: „Einen Streik bei ARD \ ZDF? Kann ich viele Jahre aushalten. Ein Streik dort bringt dem Arbeitgeber keine Verluste, da die Produkte nicht am Markt verkauft werden müssen. Das läuft der Grundidee eines Streiks zuwider. Macht ruhig mal und lasst euch Zeit…“
Der Fall zeigt, wie das Pharisäertum in den gebührenfinanzierten Parallel-Universen gedeiht und wie losgelöst von der Realität man dort journalistisch arbeitet. Vor dem Bildschirm gibt man sich als Hundertprozentiger, für Preissteigerungen – wenn die Kamera aus ist, macht man dann genau das Gegenteil.
Weil immer mehr Menschen diese Doppelmoral und diese Falschheit spüren, steigt die Unzufriedenheit mit den Anstalten.
Doch bei denen lernt man nichts dazu. Und nur, weil die Politik schützend ihre Hand über ihre Hofberichterstatter bzw. den staatlich verordneten Geldsegen für diese hält, kann sich das pervertierte System noch halten.
Der Pöbel soll frieren
Jüngstes Beispiel für die Realitätsferne und ideologische Verbohrtheit: So, als würden nicht unzählige Menschen in diesem Land um die Existenz und vor der nächsten Energierechnung zittern, forderte „Tagesthemen“-Kommentator Daniel Pokraka vergangene Woche das Gegenteil der Gaspreisbremse. „Übermäßiges Heizen“, so der Gebührenjournalist, sollte man „noch teurer machen“.
Die Krux dabei: Was „übermäßiges Heizen“ ist, kann die Politik festlegen. Oder eben Journalisten wie Pokraka. Olaf Scholz signalisiere den Menschen, sie könnten schon ein, zwei Grad wärmer heizen, so der ARD-Mann schäumend: Der Kanzler hätte mal lieber zum Verzicht aufgerufen. Überzeugt in Klarsprech: Die Gebührenzahler, die Pokraka unfreiwillig finanzieren, sollen frieren.
In öffentlich-rechtlicher Tradition zählt der ARD-Mann dabei das Geld in anderer Menschen Geldbeutel. Besonders empört ihn, dass „Menschen profitieren, die das Geld eigentlich nicht brauchen“.
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