WDR ruft zur Denunziation von Ärzten auf Aufruf: "Wachsam und kritisch sein"

Aufrufe zum Denunziantentum sind leider keine Ausnahme mehr dieser Tage. Erst kürzlich schaltete die Stadt Essen eine Internet-Seite, auf der jedermann Corona-Sünder online und anonym melden kann. Dem gebührenfinanzierten WDR ist es nun gelungen, im um sich greifenden Denunziantentum einen neuen Maßstab zu setzen: Der Sender ruft faktisch dazu auf, Ärzte anzuschwärzen, wenn sie bei Corona nicht die politisch korrekte Meinung haben – in einem Beitrag unter der Überschrift „Wenn Ärzte Corona verharmlosen – oder gar leugnen“.

Der Inhalt des Beitrags ist ungeheuerlich: „Was also als Patient tun, wenn der (Haus-)Arzt die Gefahr durch das Coronavirus herunterspielt oder gar leugnet?“, so die Frage in dem Stück, das keinen Autorennamen aufweist. Die Antwort: «“Wachsam und kritisch sein“, rät die Sprecherin der Ärztekammer Nordrhein.» Weiter heißt es: «Wer eine Arztpraxis betritt, sollte sich umschauen und ein Auge darauf haben, ob die allgemeinen Hygiene-Vorschriften eingehalten werden. Tragen alle Masken? Gibt es eine Plexiglaswand am Empfangstisch? Wird auf genügend Abstand geachtet, auch im Wartezimmer? Bei Abweichungen: Unbedingt das Praxisteam ansprechen. Und dem Arzt widersprechen, falls er alles als harmlos hinstellt. Hinweise über entsprechende Fälle bitte der zuständigen Ärztekammer melden. ‘Wir gehen dann der Sache nach.‘»

Zugespitzt könnte man sagen: Hier wird versucht, aus Patienten Hilfspolizisten zu machen, die den eigenen Mediziner überwachen und im Zweifelsfall verpfeifen. In dem Artikel steht: „Der Ärztekammer Nordrhein sind nach Angaben einer Sprecherin 17 Fälle bekannt, in denen Mediziner das Coronavirus verharmlosen oder gar leugnen.“ Was bitte versteht man unter „verharmlosen“? Insbesondere der WDR und andere Medien, denen Kritiker vorwerfen, genau das Gegenteil zu tun – nämlich Angst und Panik zu schüren, sollten da sehr vorsichtig sein.

Schon der Einstieg zu dem Beitrag ist manipulativ: „Das Wort eines Arztes hat Gewicht. Vor allem für einen (langjährigen) Patienten. Und dann passiert das: Der Mediziner wiegelt im persönlichen Gespräch ab. Das Coronavirus? Das sei doch keine wirklich große Bedrohung, meint er.“

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Gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, dass jeder das Virus für eine „wirklich große Bedrohung“ halten muss? Was ist dann mit Jens Spahn, der Corona noch im Februar im Fernsehen mit einer Grippe verglich? Oder mit John Ioannidis von der School of Medicine an der Stanford University? Der Professor für Medizin ist laut n-tv einer der zehn meist zitierten Wissenschaftler der Welt. In einer Metastudie, die von der WHO veröffentlicht wurde, kam er anhand von 51 Standorten zu dem Schluss, dass die Infektionssterblichkeit durch Corona bei 0,23 Prozent liege. Das wäre in etwa die Höhe von Grippe. Schon im März hatte Ioannidis von einem „Evidenz-Fiasko“ geschrieben. Er warnte, die Reaktionen großer Industrienationen wären im schlimmsten Fall vergleichbar mit einem Elefanten, der beim Versuch, einer Hauskatze auszuweichen, von einer Klippe springt und stirbt.

Auch der Evolutionsbiologe Professor Ulrich Kutschera hat gerade im Interview mit mir Joannides zitiert: Der „hat errechnet, dass in Deutschland die Wahrscheinlichkeit, dass ein unter 70-jähriger Mann oder Frau ohne Vorerkrankung an COVID-19 verstirbt, so groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass wir beim Weg zur Arbeit – 20 km pendeln – tödlich verunglücken.“ Kutschera beteuert: „Das sind mathematisch berechnete Fakten.“ Ist das bereits eine „Verharmlosung des Virus“ nach Auffassung des WDR? Oder noch eine korrekte Beruhigung des Patienten? Da der WDR seine Aussagen nicht erläutert, ist damit zu rechnen, dass so mancher Hörer eine solche Aussage von seinem Arzt als „Verharmlosung“ verstehen und sich aufgerufen fühlen wird, seinen Mediziner zu denunzieren.

Weiter schreibt der WDR: „Ein anderer Mediziner findet das Tragen einer Maske unsinnig und sogar gesundheitsschädigend – und setzt unter diese Aussage auf Flyern, die unter anderem in Düsseldorf kursierten, seinen Namen. Solche und andere Aussagen sind hochgefährlich. Sie sorgen bei Patienten für Ratlosigkeit – und bei den Standesvertretungen von Medizinern für Entsetzen.“

Tatsächlich ist die wissenschaftliche Beweislage zum Nutzen von Masken durchaus nicht so eindeutig, wie der WDR hier geradezu totalitär geltend machen will (siehe hier). Selbst der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hatte diese Woche Zweifel an den Alltagsmasken geäußert. Er begründete das nachweisbar korrekt damit, dass es keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz über ihren Nutzen gibt. Dafür wurde er massivst angefeindet. Es gab Rücktrittsforderungen, schließlich musste er zurückrudern. Statt die Menschen korrekt auch über solche Zweifel und fehlende wissenschaftliche Nachweise zu informieren, verbreitet der WDR im Stile eines Ketzerverfolgers Dogmen. Zitat: „Einige wenige ‘Götter in Weiß‘ missbrauchen ihren beruflichen Status, um ihre persönliche Anschauungsweise legitim erscheinen zu lassen – zum Nachteil von Patienten.“

Zwar hätten auch Ärzte Meinungsfreiheit, heißt es in dem Beitrag. Aber „Patienten dürften aufgrund der persönlichen Weltanschauungen des Arztes keinesfalls Schaden erleiden – weil etwa der Mediziner anerkannte Hygiene- und Schutzmaßnahmen in diesen Pandemie-Zeiten wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, das regelmäßige Händewaschen und das Abstandhalten ablehnt.“

Allein schon das Wort „Mund-Nasen-Schutz“ ist Framing, weil eine Maske weder Mund noch Nase schützt. Dass Mediziner Händewaschen und Abstandhalten ablehnen, halte ich zudem für eine gewagte These. Dass sie aber Zweifel an einer Maske haben, müsste zumindest legitim sein aufgrund der mangelnden wissenschaftlichen Evidenz.

Der WDR fällt mit Beiträgen wie diesen in die Zeit hinter der Aufklärung zurück. So wenig ich Covid-19 für ungefährlich halte und so sehr gerade die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen jeden möglichen Schutz verdient haben – die dramatischen Folgen für Demokratie, Freiheit und gesunden Menschenverstand in Folge von SARS-CoV-2 machen mir persönlich mehr Angst als das Virus selbst. Auch wenn meine eigene Einschätzung als jemand, der nicht zu den Risikogruppen gehört, hier hintan stehen muss. Untugenden, die man für Vergangenheit hielt, sind wie Untote wieder allgegenwärtig: Kadavergehorsam, Denunziantentum, Propaganda, vorauseilender Gehorsam.

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Bild: Minerva Studio/Shutterstock
Text: br


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