Von Christian Euler
Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte vorgestern eine überarbeitete Stellungnahme, in der sie verdeutlicht, welche Bevölkerungsgruppen COVID-19-Impfstoffe erhalten sollten. Auf der Website der in Genf ansässigen Sonderorganisation der Vereinten Nationen hieß es: „Kinder sollten vorerst nicht geimpft werden.“
So lautete auch die Überschrift dieses Beitrags. Doch nur einen Tag später ruderte die WHO in einem neuerlichen Update zurück. Plötzlich fehlt die eindeutige Empfehlung und es heißt nur noch: „Weitere Evidenz über den Einsatz der verschiedenen COVID-19-Impfstoffe bei Kindern ist erforderlich, um allgemeine Empfehlungen zur Impfung von Kindern gegen COVID-19 geben zu können.“
Kinder und Jugendliche neigen im Vergleich zu Erwachsenen zu einem milderen Krankheitsverlauf, so die WHO, junge Menschen sollten weiterhin die empfohlenen Kinderimpfungen erhalten. „Ein Impfstoff gegen COVID-19 verhindert zwar schwere Erkrankungen und Todesfälle, aber wir wissen immer noch nicht, inwieweit er einen davor bewahrt, infiziert zu werden und das Virus an andere weiterzugeben“, heißt es auch weiterhin. Je mehr das Virus sich ausbreiten könne, desto mehr Möglichkeiten habe es, sich zu verändern.
Eine aufmerksame Leserin schrieb sehr treffend: „Die Aussage ist im Kern dieselbe, aber die eindeutige Aussage ‚Children should not be vaccinated at the moment‘ wurde geändert zugunsten einer fast schon devoten und windelweichen Formulierung.“ Sie glaube nicht an Verschwörungstheorien, aber sie glaube an Inkompetenz und die unendlich große Macht des Geldes.
»Keine Aussage war evidenzbasiert«
Trotz ihrer allzu schnellen Aktualisierung widerspricht die WHO weiterhin der Bundesregierung, der es augenscheinlich nicht schnell genug gehen kann. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa forderte erst jüngst bei einer Online-Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing die dringende Impfung von Kindern und Jugendlichen. Nach sorgfältiger Abwägung habe sich seine 14-jährige Tochter impfen lassen. Gesundheitsminister Jens Spahn wiederum will Kinder und Jugendliche auch ohne Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) impfen.
Die Stiko spricht keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren aus und kritisiert die politische Debatte um Kinder-Massenimpfungen. Es sei bedauerlich, dass dies zu einem politischen Thema geworden sei, noch bevor es eine Zulassung für einen Impfstoff gegeben habe, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens am vergangenen Wochenende auf dem Online-Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. „Von diesen ganzen Aussagen war ja praktisch nichts wirklich evidenzbasiert, muss man fairerweise sagen.“
»Wir wissen nicht, wie sicher der Impfstoff bei Kindern ist«
Infektionen bei dieser Altersgruppe verliefen bekanntlich sehr häufig asymptomatisch oder mild. Mertens berichtete von insgesamt 1849 Fällen, bei denen es Einweisungen ins Krankenhaus gegeben habe. Dies sei ein Prozent der schon geringen Zahl gemeldeter Fälle. Auch das Risiko-Nutzen-Verhältnis für die Betroffenen wirft laut Stiko Fragen auf. Es gebe das Risiko von Nebenwirkungen, ohne dass klar sei, in welchem Ausmaß die Kinder selbst von der Impfung profitierten.
„Der einzige Grund, warum wir keine generelle Impfempfehlung ausgesprochen haben, ist, dass wir nicht wissen, wie sicher der Impfstoff bei Kindern ist“, sagte Kommissionsmitglied Rüdiger von Kries im Interview mit der „FAZ“.
„Die Daten zur Sicherheit der COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche sind bisher noch begrenzt. Als Stiko müssen wir sicher sein, dass auch am Ende der Nutzen der Impfung für die Kinder größer ist als der mögliche Schaden durch erst später erkennbare etwaige schwere Impfkomplikationen, besonders bei einer Erkrankung, die bei Kindern deutlich milder verläuft als bei Erwachsenen. Erst dann können wir eventuell eine allgemeine Impfempfehlung geben.“
Die Diskussion um Impfungen von Kindern dürfte uns auf absehbare Zeit erhalten bleiben: Laut Biontech/Pfizer ist ab September mit belastbaren Ergebnissen der aktuell noch laufenden Studienreihen zu rechnen.
Bild: Ira Lichi/Shutterstock
Text: ce
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