Hallo Herr Restle,
wir kennen uns noch aus gemeinsamen Moskauer Tagen, als Sie dort für die ARD arbeiteten und ich das Focus-Korrespondentenbüro leitete. Wir waren damals per Du, aber da Sie zum „Sie“ zurückkehrten, will ich das auch so halten.
Ich fand es schon damals faszinierend, wie Sie mit doch sehr bescheidenen Kenntnissen des Landes und der Sprache sich ein umfassendes Urteil über Russland zutrauten – doch damit waren Sie bei weitem nicht der Einzige in der Branche.
Wir stehen heute für zwei völlig unterschiedliche, ja ich würde sagen diametral entgegengesetzte Auffassungen von Journalismus.
Sie machen keinen Hehl daraus, für wie wichtig Sie „Haltung“ in unserem Beruf halten. Ich finde auch, dass ein Mensch Haltung haben sollte, wobei mir der Begriff „Rückgrat“ passender erscheint. Denn so, wie Sie den Begriff „Haltung“ benutzen, pervertieren Sie ihn in meinen Augen. Das, was Sie als Haltung bezeichnen, ist eine stramm, wenn nicht radikal linke, ideologische Sichtweise und der Versuch, diese dem Zuschauer aufzudrängen und Andersdenkende nicht durch Dialog und Argumente, sondern Diffamierung mundtot zu machen.
Ich erkenne in Ihren Aussagen ebenso wie in Ihren Moderationen und Beiträgen immer wieder den alten Hegel´schen Leitspruch: Wenn die Realität nicht mit meiner Weltanschauung übereinstimmt – umso schlimmer für die Realität.
Klassisches Beispiel dafür war die Berichterstattung von Monitor über die Randale im Rheinbad in Düsseldorf, wo Sie in meinen Augen so lange an der Realität bastelten, bis diese in Ihr Weltbild passte, und diejenigen, die daran kratzten, als unglaubwürdig diffamierten. Selbst die Polizei. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Wer Sie kritisiert oder Ihnen widerspricht, dem legen Sie schnell das neudeutsche Etikett für Ketzer an: „Rechter“. Kritik an der linken Ideologie, die bei Ihnen allgegenwärtig ist, diffamieren Sie als „Hetze“. Ein Begriff, den in dieser Bedeutung – Kritik an den Regierenden – die Nazis und die Kommunisten geprägt haben. Ich meine die echten Nazis.
Gerade haben Sie einen Tweet veröffentlicht, den ich dreist finde. In meinen Augen beleidigt er die Intelligenz von uns Gebührenzahlern. Sie schreiben: „Wenn die CDU-Fraktion in Sachsen die Erhöhung des Rundfunkbeitrag daran koppelt, welche Äußerungen ich zu machen oder zu unterlassen habe, offenbart sie damit ihre Vorstellung eines staatstreuen Rundfunks wie aus DDR-Zeiten. Dass es dafür Applaus aus der AfD gibt, sagt alles.“
Ich halte das für eine argumentative Nebelkerze. Sie können auf dem Fernsehschirm sagen, was Sie wollen, Herr Restle. Der WDR war auch früher schon links und Monitor ist es auch seit Jahrzehnten und gilt selbst innerhalb des linken WDR intern als Linksausleger (was mich nicht hinderte, Klaus Bednarz als Kollegen sehr zu schätzen). Das Problem ist, dass es anders als früher kein Gegengewicht mehr gibt. Dass fast nur noch Journalisten mit linker bis äußerst linker Haltung wie Sie zu Wort kommen in den großen Anstalten und kaum Konservative oder Liberale.
Ich kann Ihnen auf Anhieb viele linksgrüne Aushängeschilder der öffentlich-rechtlichen Sender nennen, Sie vorneweg. Aber keine Handvoll von der Gegenseite, die oft und offen andere Positionen vertreten.
Diese Einseitigkeit ist eine Pervertierung der großen, wunderbaren Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kritiker dieser Pervertierung als Feinde der Pressefreiheit hinzustellen, wie Sie das tun, ist extrem zynisch.
Sie unterstellen der CDU-Fraktion in Sachsen, sie offenbare mit der Kritik an Ihnen ihre Vorstellung „eines staatstreuen Rundfunks“.
Wenn das nicht so traurig wäre, wäre diese Aussage von Ihnen besser als fast alle Satire der ARD. Sie scheinen gar nicht mehr wahrzunehmen, als wie staatstreu der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute von sehr vielen Menschen wahrgenommen wird. Als Sprachrohr, Oberlehrer und Gralshüter des rotgrünen Neo-Biedermeiers, für den inzwischen auch die große Koalition steht.
Aber da Sie hinter Kritik „Kampagnen“ sehen und diese offenbar danach beurteilen, ob sie Applaus von der AfD bekommt (zu DDR-Zeiten warnte man immer vor Applaus vom Klassenfeind), scheint Ihr Wahrnehmungshorizont wesentlich eingeschränkt. Ihre „Haltung“ erinnert mich an eine Wagenburg-Mentalität, an ein Denken in Schwarz-Weiß. Wer nicht so links ist wie Sie, ist für Sie „Rechter“, was in Ihren Augen wiederum gleichbedeutend scheint mit „Rechtsextremer.“
Journalistisch gesehen ist es mir egal, ob Sie rechts oder links sind. Wir brauchen Journalisten aller Couleur und sie alle sollen zu Wort kommen. Auch Sie! Ihre journalistische Ursünde liegt darin, dass Sie sich ganz offensichtlich im Besitz der Wahrheit wähnen. Dass Sie glauben, es liegt an Ihnen zu urteilen, wer Recht hat im politischen Streit und wer nicht, wer Gut und Böse ist. Ich maße mir das nicht an; ich kann nicht ausschließen, dass Sie Recht haben – und nicht ich. Darum finde ich es so grundsätzlich wichtig, dass die Menschen unterschiedliche Meinungen zu hören bekommen. Insbesondere bei einem System, für das jeder bezahlen muss, ob er will oder nicht. Und genau deshalb finde ich es unerträglich, dass Sie und Ihre tonangebenden linken Mitstreiter in den Anstalten sich im Recht sehen, Ihre Gegner mundtot zu machen. Kritiker und Journalisten, die nicht auf Ihrer Linie liegen, lassen Sie im öffentlich-rechtlichen System erst gar nicht (mehr) zu Wort kommen. Und wenn dann nur in massiver Unterzahl. Sie und Ihre linken Mitstreiter haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekapert!
Selbst innerhalb der Sender sehen kritische Geister diese Missstände. Nur haben dort Leute wie Sie ein Klima geschaffen, in dem sich kaum noch jemand traut, diese Kritik offen zu äußern – weil es das Ende der Karriere wäre. Diejenigen, die so stramm auf Linie sind wie Sie, äußern sich immer wieder empört über Vorwürfe, die Meinungsfreiheit sei beschränkt. Sie merken offenbar gar nicht mehr, wie absurd das ist: Wenn ausgerechnet die Linientreuen sagen, dass man alles sagen darf, und gleichzeitig diejenigen, die sich über mangelnde Meinungsfreiheit beklagen, als „rechts“, also rechtsextrem diffamieren. Man muss wohl sehr in einer Ideologie gefangen sein, um diesen Widerspruch nicht zu bemerken.
Woher kommt diese Angst bei Ihnen und Ihren Kollegen vor anderen Meinungen? Warum diffamieren Sie statt zu diskutieren? Sind Sie sich Ihrer „Haltung“ so unsicher? Halten Sie Ihre Argumente für so schwach?
Wenn nicht, dann zeigen Sie doch mal echten Mut – lassen Sie Ihre Kritiker im echten Dialog mit Ihnen Argumente austauschen! Unter fairen Bedingungen!
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Ich bin mir sicher, dass dies auch für das öffentlich-rechtliche System gelten wird. So schade es um die Idee dahinter ist – so wenig schade ist es um die Karikatur dieser Idee, in die sich die öffentlich-rechtlichen zu einem großen Teil – nicht durchweg – verwandelt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Boris Reitschuster
P.S.: Als Reaktion auf diesen Brief schrieb mir ein ausgeschiedener Kollege (m/w) aus einem der großen öffentlich-rechtlichen Sender: „Den Brief an Restle fand ich gut, allerdings war Monitor nicht immer so, in den 70er Jahren unter Claus Hinrich Casdorff galten noch die guten alten Regeln: wenn Sie predigen wollen, gehen Sie in die Kirche…hieß es seinerzeit.“
Bild: Pixabay, Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons),