Von Daniel Weinmann
Es ist ein Stelldichein der Mächtigen und Einflussreichen: 52 Staats- und Regierungschefs, 56 Finanzminister, 19 Notenbankchefs, 30 Handels- und 35 Außenminister sowie über 1500 Führungskräfte von 700 Firmen geben sich seit Montag anlässlich der 53. Auflage des Weltwirtschaftsforum in Davos die Klinke in die Hand.
Im Fokus der illustren Teilnehmerschaft steht neben der Inflation und dem Krieg in der Ukraine – selbstverständlich – auch die Bekämpfung des Klimanotstands. Wasser predigen, Wein trinken, lautet in diesem Punkt offensichtlich die Devise bei vielen derer, die die Welt bewegen. Einige von ihnen tummeln sich gern auf Megayachten und besitzen neben einer Tiefgarage voller benzindurstiger Luxuskarossen auch das ein oder andere klimagekühlte Anwesen.
Gleich jeder zehnte WEF-Teilnehmer reist gar im Privatjet an, um ja nicht auf den gewohnten Komfort verzichten zu müssen. Klimaschutz spielt bei den „Eliten“ keine Rolle. Dafür ist vielmehr das Fußvolk zuständig, das per Tempolimit und Duschverzicht die Welt vor der Überhitzung retten soll.
Das niederländische Umweltberatungsunternehmen CE Delft hat im Auftrag von Greenpeace errechnet, dass im vergangenen Jahr in der Woche des Weltwirtschaftsforums 1.040 Privatjets von und zu den Flughäfen des Schweizer Bergortes Davos flogen und damit viermal mehr CO2-Emissionen verursachten als in einer durchschnittlichen Woche. Dabei wurde so viel Kohlendioxid ausgestoßen wie bei 350.000 durchschnittlichen Autos in diesem Zeitraum.
Der kürzeste erfasste Flug erstreckte sich über nur 21 Kilometer
Grundlage der Analyse von CE Delft sind Daten über Privatjet-Flüge von und zu Flughäfen in der Umgebung von Davos, darunter die Flughäfen Zürich, Genf, Altenrhein, Dübendorf, Samedan, Friedrichshafen und der EuroAirport Swiss. Die Daten der Privatjetflüge wurden von der Luftfahrtanalysefirma Cirium zur Verfügung gestellt. Um die Anzahl der Flüge in der Woche des Weltwirtschaftsforums 2022 (21. bis 27. Mai) zu ermitteln, verglichen die Forscher die Flüge in der Forumswoche mit den Flügen in den Wochen davor und danach. Die CO2-Emissionen sämtlicher Flüge wurden mit dem Eurocontrol Small Emitters Tool berechnet.
Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Geschäftsflieger, die während der Woche des Weltwirtschaftsforums 2022 an den Flughäfen in direkter Nähe von Davos gelandet und gestartet sind, haben demnach Kurzstrecken unter 750 Kilometer zurückgelegt. Bei 38 Prozent der Flüge hat es sich um Distanzen von weniger als 500 Kilometern gehandelt, der kürzeste erfasste Flug erstreckte sich über lediglich 21 Kilometer. Flüge mit Privatjets sind in der EU nicht reguliert, aber sie sind der umweltschädlichste Verkehrsträger pro Passagierkilometer.
„Im Privatjet zu einem Treffen zu fliegen, das Klimaschutz nach vorne stellt, ist wie Stopfleber zu einem vegetarischen Abendessen mitzubringen“, ätzt die Greenpeace Mobilitätsexpertin Marissa Reiserer. „Privatjets sind die klimaschädlichste Art des Transports. Sie noch dazu auf Kurzstrecken zu nutzen, die gut mit der Bahn zu absolvieren sind, ist ignorant und rücksichtslos. Die Bundesregierung sollte sich hinter Frankreich stellen und für ein Verbot von Privatjets und Kurzstreckenflügen in der EU eintreten.“
Flüge mit Privatjets machen rund zwölf Prozent des gesamten Flugverkehrs in Deutschland aus
Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrssprecherin bei Greenpeace, legt nach: „Angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind, aber unter den Folgen der klimaschädlichen Flugverkehrsemissionen leiden, und dass das WEF behauptet, sich dem Pariser Klimaziel von 1,5 Grad Celsius verpflichtet zu haben, ist diese jährliche Privatjet-Bonanza eine geschmacklose Meisterleistung der Heuchelei.“
Auch hierzulande kennt die grünrote Klima-Heuchelei keine Grenzen: Während die Ampelkoalition einen Nutzungsrekord bei der Flugbereitschaft aufgestellt hat, reiste der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, schon mal mit dem Hubschrauber zu Privatwanderungen an, um später mit Waschlappentipps zum Energiesparen zu brillieren.
Dazu passt: Laut einer Recherche von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ sind von deutschen Flughäfen im vergangenen Jahr mit 94.000 so viele Privatjets gestartet wie nie zuvor. Fast drei Viertel der hierzulande gestarteten Flüge waren demnach kürzer als 500 Kilometer gewesen. Häufig geflogene Strecken waren Hamburg–Sylt oder Berlin–München. Privatjetflüge machen der Analyse zufolge inzwischen rund zwölf Prozent des gesamten Flugverkehrs in Deutschland aus.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Marco Wolf/Shutterstock