Eigentlich sollte in Kürze mein Video erscheinen über die Demonstration in Stuttgart heute. Aber der Journalist denkt, und Youtube bzw. Google lenkt: Der Internet-Riese hat heute erneut meinen Kanal blockiert und mich gesperrt. Auslöser: Mein zweiter, kurzer Livestream von der Kundgebung auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart, in dem ich knapp eine Stunde lang die Reden von der Bühne dokumentierte. Nach dieser Entscheidung ist es einem als Journalisten eigentlich nicht mehr möglich, von Großveranstaltungen zu berichten und zu übertragen. Eine eklatantere Einschränkung der Pressefreiheit ist eigentlich kaum noch vorstellbar. Eine Schließung meines Kanals mit mehr als 216.000 Abonnenten geht faktisch schon in Richtung Berufsverbot. Zumal ich auf dem Kanal regelmäßig auch von der Bundespressekonferenz berichte, was nun ebenfalls eine Woche lang nicht mehr möglich ist.
Die Begründung für die Löschung und Sperrung: Angebliche Verbreitung medizinischer Fehlinformationen. Nach dieser Logik könnte kein Journalist mehr live von einer Veranstaltung berichten, weil ja immer die Gefahr bestünde, dass irgendein Redner irgendetwas sagte, was gegen die Youtube-Regeln verstößt. Hinter der strikten Zensur-Politik des Internet-Konzerns steht auch das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Nie werde ich die Antwort von Merkels Sprecher Steffen Seibert auf der Bundespressekonferenz vergessen, als ich ihn nach der Zensur auf Youtube fragte: Ich weiß nicht, welche Probleme Sie mit Youtube haben, sagte er sinngemäß. Und für mich klang es, als ob er durchaus Bescheid wüsste. Kommt jetzt der Versuch der Aushebelung über Youtube, nachdem es ja zuvor Versuche gab, meinen Ausschluss aus der Bundespressekonferenz zu lancieren?
Besonders bizarr: Nach aktuellem Stand ist das Landgericht Berlin nicht bereit, gegen Youtube wegen solcher Zensur einstweilige Verfügungen zu erlassen. Letztes Jahr war es dazu noch bereit, auch in meinem Fall. Offenbar hat es seine Linie nun geändert. Es ginge dann nur noch ein normales Verfahren statt des Eilverfahrens, das sich so lange hinzieht, dass es oft nicht mehr relevant ist: Was hätte man davon, wenn eine Sperre beispielsweise nach zwei Jahren aufgehoben würde? Hintergründe finden Sie hier in diesem Video. Einstweilen weiche ich auf meinen Ersatzkanal aus, den Sie hier abonnieren können.
Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich in Deutschland massiv unter Zensur leiden werde und mein Recht, als Journalist frei zu berichten, weitaus stärker eingeschränkt würde, als es in Russland jemals war – ich hätte ihn für verrückt erklärt. Ich komme mir vor wie in einem Roman von Kafka. In einem Albtraum. Und hoffe nur, dass mich jemand aufweckt.
PS: Kurz nach Schreiben dieses Textes lud ich ein Interview mit Fußball-Weltmeister Thomas Berthold auf meinem Ersatzkanal hoch. Dieses wurde bereits nach wenigen Minuten, während des Hochladens, gelöscht. Mit dem Hinweis: „Medizinische Fehlinformationen“. Damit droht nun auch dem Ersatzkanal die Sperrung. Zustände wie in – Sie dürfen sich selbst das Land aussuchen, mit dem Sie all das vergleichen wollen.
Bild: ShutterstockText: br