184 Millionen: Staatsgeheimnis Medienfinanzierung

Rund 184,8 Millionen Euro direkt von der Regierung für privaten Medien in nur fünf Jahren, ganz still und leise, über Anzeigen, die vom Steuerzahler finanziert werden – die Exklusivmeldung von reitschuster.de sorgte für Schlagzeilen. Wenn auch nicht in den traditionellen Medien – aber von denen sind ja viele Nutznießer des staatlichen Millionen-Regens. Doch jetzt kommt es noch dicker.

Nach einem diskreten Hinweis von einem Kollegen (m/w/d) aus einer Redaktion hatte ich den parteilosen Bundestagsabgeordneten Mario Mieruch auf die verdeckte Finanzierung hingewiesen, und dieser stellte eine entsprechende parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung, durch die die Beträge ans Licht kamen. Allerdings mauerte die Regierung, so gut es ging. So blieb sie etwa eine Aufteilung schuldig, wie viel Geld in die Bereiche Print, Funk und Online floß.

Der Parlamentarier Mieruch gab sich damit nicht zufrieden und stellte vier Nachfragen:

  • Wie teilen sich die in der Antwort auf Frage 05/191 genannten Beträge konkret auf die Bereiche Print, Online und TV auf?
  • Welchen Wert hatten die 14 teuersten Werbekampagnen im Zeitraum 2015 bis 2019 und welchen Inhalt hatten diese, vgl. Frage 05/191?
  • Wo wurden diese Werbekampagnen geschaltet?
  • Welche Werbekampagnen und -Budgets plant die Bundesregierung für den Rest der laufenden Legislatur?

Die Antworten aus der Zentrale der Macht haben es in sich. Zum einn musste Regierungssprecher Steffen Seibert erst einmal die wenige Wochen zuvor gegebenen Zahlen zur Werbefinanzierung korrigieren:

„Nachtrag zur Schriftlichen Frage 5/191:Abweichend zur Beantwortung der Schriftlichen Frage 5/191 werden durch Nachlieferung der Schaltkosten für Stellenanzeigen durch ein Haus die Kosten wie folgt korrigiert:Die Bundesregierung hat seit 2015 Schaltkosten in Höhe von 184.757.526,90 € eingesetzt. Dabei wurden die folgenden Beträge jährlich aufgewendet, um Anzeigen in den Bereichen Print, Online und TV zu schalten:

  1. 2015  39.467.138,19 €
  2. 2016  38.579.357,31 €
  3. 2017  36.248.699,09 €
  4. 2018  26.871.929,73 €
  5. 2019  43.590.402,58 €.“

Faszinierend, dass sich binnen weniger Wochen die Summen änderten. Für 2018 etwa um immerhin fast 300.000 Euro. Das sind zwar im Vergleich zu den Gesamtsummen verhältnismäßig geringe Beträge, aber es stellt sich die Frage, wie hier buchgeführt wird.

Die Frage nach der Aufteilung nach Sparten beantwortete Merkel-Sprecher Seibert korrekt (siehe Bild mit Auszug des Antwortschreibens). Auf die nächsten zwei Fragen verweigerte er dann aber einfach die Antwort an den Abgeordneten, dem gegenüber die Regierung rechenschaftspflichtig ist: „Welchen Wert die 14 teuersten Werbekampagnen im Zeitraum 2015 bis 2019 und welchen Inhalt sie hatten und wo diese Werbekampagnen geschaltet“ wurden, will Seibert nicht verraten: „Die Bundesregierung führt keine Übersicht der teuersten Kampagnen“, schreibt der Regierungssprecher.

Dabei führt der frühere ZDF-Mann diese Antwort-Verweigerung mit seiner Antwort auf die nächste Frage („Welche Werbekampagnen und -budgets plant die Bundesregierung für den Rest der laufenden Legislatur?“) selbst ad absurdum – denn sie zeigt, dass sehr wohl eine konkrete Übersicht über die jeweiligen Reklame-Themen vorhanden ist:

Der Abgeordnete Mieruch hält die Antwort für dreist. „Offensichtlich habe ich mit meinen Anfragen zu Werbeschaltungen ein sensibles Thema aufgegriffen. Stellen sich doch nicht geringere Fragen, wie die nach der Unabhängigkeit. Die Antwort auf Anfrage 2 und 3 scheint eine Mischung aus Faulheit, Arroganz und Unfähigkeit zu ein. In jedem Fall ist sie aber eine Missachtung des Parlamentes, denn mit der Übersicht zu Frage liefert man quasi das, was man angeblich für die letzten Jahre nicht vorliegen hat. Noch dreister für dumm verkaufen, geht wohl kaum.“

Der Volksvertreter will nicht lockerlassen: „Jeder Steuerzahler, jeder Selbständige wird bis auf den letzten Cent herangezogen, aber hier weiß man angeblich nicht, wo fast 200 Millionen Euro hin sind? Das akzeptiere ich auf keinen Fall. Ich erwarte, dass die Regierung eine entsprechende Übersicht erstellt, wie viel welche Anzeige kostete und bei wem sie platziert wurde.“

Tatsächlich beißt sich bei der höchst problematischen Medien-Finanzierung durch die Hintertür die Katze in den Schwanz. Auf meine Anfrage, wie viel Geld sie auf diese Weise von der Regierung erhalten haben, reagierten sieben von elf angefragten privaten Medien überhaupt nicht; die vier restlichen teilten höflich mit, dass sie nichts mitteilen wollen. Regierung und Medien sind in funktionierenden Demokratien Gegenspieler, die Medien kontrollieren die Mächtigen. Wie soll das funktionieren, wenn sie von diesen finanziert werden (und zwar nicht nur durch Anzeigen, sondern auch noch durch direkte Subventionen in geplanter dreistelliger Millionenhöhe)? Und wie soll sich der Bürger ein Bild machen können, wie stark der Einfluss des Staates auf einzelne Medien ist, wenn sowohl Geldgeber als auch Empfänger schweigen? Es handelt sich um eine offene Verhöhnung der Demokratie. Und besonders bitter ist, das diejenigen, die diese hüten sollten, also die Medien, dieses Spiel mitspielen.


Bilder: Pixabay

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