Eigentlich ist das WDR die Gebühren, die man zwangsweise bezahlen muss (was man aber nicht so nennen darf, weil sonst ist man ein böser „Rechter“, was im Neudeutsch identisch ist mit rechtsradikal und rechtsextrem) doch irgend wie wert. Denn die Anstalt mit Sitz in Köln schafft es immer wieder, einen aufs Neue zu überraschen. Auch dann, wenn man eigentlich glaubt, man sei jetzt für alles gewappnet und man könne nicht mehr negativ überrascht werden.
Wo bleibt der Unterhaltungswert, wenn es nur um Negatives geht, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Und damit haben Sie Recht. Aber andererseits – viele Leute lieben Horrorfilme. Vielleicht kann man seine Einstellung zum WDR überdenken, wenn man ihn als Lieferanten für Erschreckendes sieht.
Jetzt sorgt wieder ein Stück aus dem öffentlich-rechtlichen Tollhaus in Köln für Aufmerksamkeit in den sozialen Medien – das zwar nicht neu ist, aber bislang kaum beachtet wurde, obwohl es diese Beachtung in meinem Augen sehr wohl verdient: Auf Arabisch informierte der von uns allen mit unseren Gebühren bezahlte Sende unter dem Label des „Ersten“ darüber, wie man das deutsche Asylrecht austricksen kann: „Wer länger als sechs Monate hier ist, und hier einen Asylantrag gestellt hat, der darf nicht in ein anderes Land zurückgeschickt werden, über das er gekommen ist.“
Weiter erzählt WDR-Journalistin Isabel Schayani in dem Bericht von einem Urteil des europäischen Gerichtshofs EuGH: „Ich gebe Euch ein Beispiel: Wenn man über Griechenland eingereist ist, und in Deutschland stellt man einen Asylantrag, dann müsste einen Deutschland eigentlich zurück nach Griechenland schicken. Aber wenn das länger als sechs Monate dauert, die Antwort in Deutschland, dann darf Deutschland einen nicht mehr zurückschicken, dann war man zu lange in Deutschland (…) In Deutschland gab es in den ersten drei Monaten dieses Jahres ungefähr 11.300 Menschen, die eigentlich in ein anderes Land hätten zurückgeschickt werden müssen. Aber tatsächlich zurückgeschickt worden sind nur 1.300. So, das waren die Nachrichten, das war das Urteil, es war uns wichtig, Euch das zu erzählen.“
Das Video ist echt, hier ist das Original beim WDR abzurufen. Ein Veröffentlichungsdatum ist nicht angegeben, laut google-Suche scheint es aus dem Jahr 2018 zu stammen. Aber das ist nicht entscheidend. Im Zuge der aktuellen, grundsätzlichen Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk infolge der „Umweltsau“-Affäre ist eine nähere Betrachtung dieses Videos mehr als sinnvoll – zumal es früher kaum Beachtung fand und die zugrunde liegende Problematik weiter mehr als aktuell ist (und vom WDR ja bis heute weiter verbreitet wird).
Laut Text sind auf dem Video „Maya und Isabel Schayani“ zu sehen – was die etwas indiskrete Frage aufwirft, ob die beiden Damen verwandt oder verheiratet sind oder ob es sich hier nur um eine zufällige Namensgleichheit handelt. Normalerweise würde das niemanden etwas angehen, für einen öffentlich-rechtlichen Sender gelten aber besondere Ansprüche, was die Vermeidung von Vetternwirtschaft angeht, insofern wäre hier eine klärende Auskunft sinnvoll.
Nun könnte man zur Rechtfertigung sagen, ein Sender wie der WDR könne schließlich auch auf Steuerschlupflöcher aufmerksam machen, warum solle er nicht das Gleiche bei „Asylschluplöchern“ tun? Es gibt aber einen großen Unterschied – und der sagt viel über den WDR aus: Hinweise auf legale Steuerschlupflöcher sind ein Service an der Gemeinschaft der Gebührenzahler. Arabische Hinweise darauf, wie das Asylrecht ausgetrickst werden kann, sind Tipps an Nicht-Gebührenzahler in einer ausländischen Sprache, wie sie auf Kosten der Gebührenzahler bzw. deren Steuergelder in die Solidargemeinschaft aufgenommen werden können. Gehört es wirklich zum Programmauftrag des gebührenfinanzierten Rundfunks, Menschen in arabischen Ländern in ihrer Sprache zu informieren, wo die Schlupflöcher unseres Asylrechts sind?
Das mit der ausländischen Sprache finde ich insbesondere deswegen interessant, weil ich Zeuge von langem Bemühungen war, etwa ein russischsprachiges Angebot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen für die Millionen Russischsprachiger, die hierzulande leben. Das scheiterte an dem Hinweis, Aufgabe der öffentlich-rechtlichen sei es nicht, durch Senden in fremden Sprachen Parallelgesellschaften zu fördern. Warum sie dann mit „WDRforYou“ auf Arabisch und Persisch informieren, aber nicht etwa auf Russisch oder Türkisch, obwohl dies doch die am meisten gesprochenen ausländischen Sprachen in Deutschland sein dürften, wirft Fragen auf.
Der Verweis auf „Humanität“, der nun sicher von den Verteidigern des WDR kommen wird, ist in meinen Augen fadenscheinig: Es geht ja um die Rückführung in sichere Drittländer, die unser Grundgesetz vorsieht – und nicht um die Rückführung in die Herkunftsländer. Und das Asylrecht ist ja kein Grundrecht darauf, in dem Land Asyl zu finden, in dem die Sozialleistungen am höchsten und die Bedingungen am angenehmsten sind. Bulgarien etwa mag mit weitaus weniger staatlichen Leistungen aufwarten – aber es bietet genauso Sicherheit wie Deutschland. Insofern entlarvt die WDR-Sendung eine weit verbreitete Einstellung zum Asylrecht – die nicht mehr sehr viel mit dem Grundgedanken von Asyl zu tun hat.
Mehr noch: Gerade die im internationalen Vergleich sehr, sehr hohen Leistungen für Asylbewerber in Deutschland haben eine enorme Sogwirkung – eine Fehlsteuerung, die durch solche Beiträge wie hier im WDR noch massiv erhöht wird. Wenn es jemandem wirklich nur um die Rettung von Menschen vor akuten Gefahren in ihren Ländern geht – warum hat er dann so ein massives Interesse daran, dass sie ausgerechnet ins meistens sehr, sehr ferne Deutschland kommen – und nicht in sicheren Drittstaaten, die sie erreicht haben, bleiben?
David gegen Goliath
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Bilder: Screenshot ZDF