Von Alexander Wallasch
Ernsthaft bitte, soll das jetzt eine besonders perfide Art sein, noch die Kleinsten zum Impfen zu überreden? Oder was hat den US-amerikanischen Spielzeug-Hersteller Mattel (nach Lego der zweitgrößte der Welt) dazu bewogen, eine neue Barbie-Puppe zu entwickeln zu Ehren der britischen Corona-Impfstoff-Entwicklerin Sarah Gilbert?
Gilbert arbeitet an der Universität von Oxford und war dort federführend an der Entwicklung des Covid-19-Impfstoffs AstraZeneca beteiligt. Die Gilbert-Barbie trägt gleich ihrem leibhaftigen Vorbild eine Brille, hat lange rote Haare und ist mit einem schwarzen Hosenanzug bekleidet.
So weit so merkwürdig und höchstens mit der Frage verbunden, ob beispielsweise Langnese jetzt im Gegenzug ein Sahin-Türeci-Eis zu Ehren der Biontech-Inhaber kreiert oder etwa Schauma ein Karl-Lauterbach-Shampoo.
Was bewog Mattel zu so etwas Kuriosem, ein Unternehmen, das neben dem traditionellen Verkaufsschlager „Barbie“ gegenwärtig auch mit Action-Figuren wie „Masters of the Universe“ weltweit seinen Milliardenumsatz generiert?
Die Idee ist doch mehr als gewagt, die junge Klientel spielender Kinder für eine Gelenkpuppe in Gestalt einer Impfstoffentwicklerin mit Barbie-Maßen zu begeistern. Zumal die weltberühmte Puppe nicht erst seit gestern in der Kritik steht: Barbie dürfte umstrittener sein als Bob, der (männliche!) Baumeister mit quietschgelbem Helm und seinem karierten Hemd in bester Village-People-Optik.
„Barbie“ ist Gift im Geschlechterkampf. Die taz titelte über das „Barbie-Dreamhouse“ vor ein paar Jahren: „Sexistische Propaganda in Pink“. Das Interieur und der Lifestyle der berühmtesten Puppe der Welt seien fragwürdig. Die Beschäftigung mit „Barbie“ würde dazu führen, „dass junge Mädchen mit ihrem Körper unzufriedener werden“.
Aber es kam noch schlimmer für Mattel – Mediziner hatten festgestellt, dass, gäbe es Barbie als lebende Person, diese aufgrund ihrer Proportionen überhaupt kein normales Leben führen könnte: „Sie könnte nicht richtig atmen, litte unter den Folgen einer Fußfehlstellung sowie Bandscheibenschäden, und unfruchtbar wäre sie auch.“
Längst sitzt doch solchen Konzernen die nackte Angst im Nacken, zu gewaltig sind die Umsätze, zu gefährlich wäre ein das Image schädigender Shitstorm – besser also, die politisch-ideologischen Aufwallungen unserer Zeit zu würdigen? War es Playmobil, die gerade gendergerechte Regenbogen-Figuren auf den Markt brachten, ähnlich wie Nivea die klassische blaue Creme in Edition Regenbogen verkaufte?
Mattel hat einer Edition seiner „Barbie“ jüngst sogar das Geschlecht geraubt: Geschlechtsneutrale Barbie-Puppen sollen Kinder davon befreien, sich bei den Puppen zwischen eindeutig ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ entscheiden zu müssen.
Die Löschung der Geschlechter war das eine. Die Entwicklungsabteilung von Mattel machte aber noch einen weiteren ideologiekonformen Versuch ganz anderer Art:
Fünf weitere weibliche Modelle haben die Spielzeughersteller der Puppe der Coronaimpfstoff-Entwicklerin Sarah Gilbert zur Seite gestellt, um Frauen in Wissenschaft, Technologie, Ingenieurswesen und Mathematik zu ehren. Eine australische Ärztin ist ebenso dabei wie eine brasilianische Forscherin.
Hier muss dann aber die Frage gestellt werden, ob damit nicht schon wieder ein Trugbild entsteht, denn viele Mütter der mit solchen Puppen spielenden Mädchen arbeiten ganz real bei Lidl an der Kasse oder sind in Teilzeit im Büro tätig. Warum also werden nicht die Tätigkeiten dieser Mütter von Mattel geehrt? Sind diese Berufe weniger wert als die Tätigkeit von Sarah Gilbert?
Wer würde das feststellen und ausmessen wollen? Wer Mattel den Vorwurf macht, ein unrealistisches Frauenbild zu vermitteln, der dürfte schon gar nicht bei der Sarah-Gilbert-Barbie haltmachen. Man darf eher davon ausgehen, dass Mattel hier für sein Image arbeitet, der Gender-Ideologie gegenüber Frondienste leistet, als dass der Spielzeughersteller ernsthaft glaubt, Mädchen würden so eine Editions-Barbie auf den Wunschzettel schreiben.
Nein, hier kauft, wenn, dann die ideologisierte Mutter ein, sie ist im Blick der Verkaufsabteilung, nicht das Kind, das nachher diese merkwürdige Barbie unterm Weihnachtsbaum liegen hat und sich überlegen muss, wie Sarah Gilbert in die kleine weiße Liege am Swimmingpool in Barbies Traumhaus vom letzten Weihnachten passt.
Die Neue Zürcher Zeitung sprach von der „Covid-Barbie“ und schrieb dazu: „So gibt es für Kinder nun Impfstoff-Entwicklerinnen und Pflegefachfrauen als neue Role Models.“ Für Kinder? Doch wohl eher überwiegend für Mädchen, den Jungs bleiben die Action-Figuren – vielfach erfolgreich verfilmt dazu.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite alexander-wallasch.de
Bild: ShutterstockText: wal