Ein Gastbeitrag von Annette Heinisch
„CDU zitiert Maaßen zu Gesprächen“, so lautet die martialische Überschrift.
Nanu, denkt man sich, was ist denn passiert, dass er hochnotpeinlich einbestellt wird? Schnell klärt sich das Rätsel: Herr Hirte macht artig das, was ihm die Parteigenossin Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, zugleich Mitglied des Bundesvorstands der CDU, mit den Worten auftrug: „Ich werde in der nächsten Sitzung des Bundesvorstands auf ein Ausschlussverfahren hinwirken, hoffe aber, dass die Parteifreunde in Thüringen bis dahin schon tätig werden.“
Da gab es kein Halten mehr, flugs wurde gehandelt, denn: „Hans-Georg Maaßen mag seine persönliche Meinung vertreten. Das muss eine Volkspartei grundsätzlich aushalten können“, erklärte Hirte. „Es ist aber nicht das erste Mal, dass er damit die politische Arbeit der CDU Thüringen überschattet. Wir wollen nicht, dass das so weitergeht.“
An diesem Punkt habe ich ein Verständnisproblem. Den Anfang seiner Ausführungen verstehe ich noch, jeder darf seine persönliche Meinung vertreten, klar. Das muss eine Volkspartei, das müssen auch Frau Prien und Herr Hirte aushalten, da sind wir völlig einer Meinung. Dann aber sagt er, so dürfe es nicht weitergehen. Wie bitte? Das, was in Ordnung ist, soll unterbunden werden? Das macht doch keinen Sinn!
Mit ähnlich genialem Gespür für Logik hatte sich schon Frau Prien hervorgetan. Man könne eine Diskussion über die Impfpflicht führen oder über Sinn und Unsinn einzelner Corona-Schutzmaßnahmen, teilte sie mit. Hier bin ich mit ihr völlig einig, in einem freien Land hat jeder Bürger das Recht, seine Meinung zu jedem beliebigen Thema zu äußern, das ist geradezu das Kennzeichen eines freien Landes. Als nächstes sagt sie aber:
„Wenn ein ehemaliger Spitzenbeamter und Verfassungsschützer solch einen verschwörungstheoretischen Unsinn verbreitet und sich dabei auf den Antisemiten Bhakdi bezieht, dann können wir als CDU das nicht länger tolerieren.“
Theoretisch darf also jeder sagen, was er will, aber praktisch sieht es anders aus. Passt es nicht ins Konzept, wird es unterbunden. Und was ins Konzept passt, das legt Frau Prien par ordre de Mufti fest? Grundsätzliche Fragen zur Weichenstellung dürfen nicht gestellt werden, sagt sie, über einzelne Corona-Maßnahmen darf aber diskutiert werden. An dieser Stelle ist für CDU-Mitglieder Wachsamkeit geboten, sie sollten vorsorglich bei Prien genau nachfragen, welche einzelnen Maßnahmen kritisiert werden dürfen und inwieweit. Schließlich will man nicht den Mufti verärgern, dann fliegt man.
Eigentlich ist es nach unserer Verfassung so, dass das Äußern unterschiedlicher Ansichten erlaubt ist, Grenzen sind die Gesetze. Man darf bekanntlich andere Menschen nicht einfach beleidigen, zum Beispiel Antisemit nennen. Aber Moment, wer machte das? Ah ja, das war Prien. Als Juristin weiß sie, dass die Unschuldsvermutung gilt, ein sehr altes Grundprinzip, welches in der Zeit der Hexenverfolgung existentielle Bedeutung erhielt. Heute gilt es als allgemein anerkannt, findet sich in Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Art. 6 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention. Prien, immerhin eine Ministerin, scheint aber der Ansicht zu sein, sie müsse grundlegende Menschenrechte nicht beachten. Es dürfte ebenfalls in den Bereich unzulässiger ehrenrühriger Behauptungen gehören, einen anderen der Verbreitung verschwörungstheoretischen Unsinns zu bezichtigen. Aber auch hier hält Prien ihre Position als Ministerin nicht davon ab, sich derart im Ton zu vergreifen. Wird sie deshalb von ihrer Partei gerügt oder vorgeladen? Komisch, ich habe da nichts gehört. Zur Hilfe kam ihr mit bewundernswerter Schnelligkeit der Ex-Antifant Gensing.
Dass ein ehemaliges Mitglied der linksextremistischen Antifa, der vor seiner Anstellung bei der ARD für die von der ehemaligen STASI-Agentin Anetta Kahane betriebene Amadeu Antonio Stiftung tätig war, ein Problem mit dem früheren Verfassungsschutzchef hat, ist nachvollziehbar. Dass er auch Probleme mit abweichenden Meinungen hat, zeigt sein Beitrag für die Tagesschau „Maaßen, Bhakdi und die Impfungen“.
Insgesamt hat der Vorgang einen äußerst schalen Geschmack. Bei genauer Betrachtung handelt es sich um den Versuch einer Politikerin aus dem linken Spektrum der Union, ein konservatives CDU-Mitglied mundtot zu machen. Offenbar haben die Linken in der Union ihre Niederlage durch die Wahl von Merz zum Parteivorsitzenden nicht verkraftet und versuchen nun alles, ihn zu entmachten. Da man ihn nicht direkt treffen kann, nimmt man als Zielobjekt einen anderen prominenten Vertreter konservativer Werte. In der Hoffnung, dass Merz in dieser Situation genauso erfolglos laviert wie Laschet und ebenso wenig wie er ein Machtwort spricht, wird ein Stellvertreterkrieg angezettelt. Damit wird die Spaltung der Union bewusst nach außen getragen, obwohl eine solche sichtbare Uneinigkeit Gift für die Partei ist.
Merz hat das klare Mandat erhalten, das konservative Markenprofil der CDU zu schärfen. Dafür wurde er gewählt, jedes andere Verhalten würde als Verrat ausgelegt. Nach all den Jahren, in denen die Union der Steigbügelhalter für die SPD und die Grünen war, ist seine Aufgabe, den nötigen Bruch mit der Vergangenheit vorzunehmen und wieder hin zum eigenen Markenkern umzusteuern. Gerade der Umstand, dass er nicht „Merkel-vorbelastet“ ist, spricht für ihn. Ohne einen solchen Bruch mit dem vorigen Kurs wird es aber nicht gehen, damit wäre der Neuanfang vermasselt. Laschet mit seinem Schlingerkurs des „sowohl als auch“ hat bewiesen, dass dieser Weg nicht erfolgversprechend ist. Enttäuscht Merz ebenfalls, wird dies das Schicksal der Union für lange Zeit besiegeln. Das allerdings ist denjenigen, die den links-grünen Kurs der Union betreiben, egal. Sie versuchen jetzt, während Merz noch nicht fest im Sattel sitzt, ihn zu destabilisieren. Ohne eine konservative Hausmacht wird sein Umsteuern nicht nur schwer, sondern unmöglich. Derart parteischädigendes Verhalten, wie Prien es auch schon im Bundestagswahlkampf durch die Wahlempfehlung für einen SPD-Kandidaten zeigte, darf sich nicht wiederholen.
Gefolgschaft erhält immer nur der, der führt.
Herr Hirte wäre gut beraten gewesen, einfach mal die Leserkommentare zu den o. g. Beiträgen zu lesen, die Kritik an Prien ist absolut überwältigend, Maaßen hingegen erhält viel Zuspruch. Hier meldet sich das potentielle Wählerklientel der Union, das nicht erneut vor den Kopf gestoßen werden sollte.
Wer ständig auf das falsche Pferd setzt, ist nur in einem erfolgreich: Dem Schrumpfen der eigenen Partei.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Annette Heinisch. Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg, Schwerpunkt: Internationales Bank- und Währungsrecht und Finanzverfassungsrecht. Seit 1991 als Rechtsanwältin sowie als Beraterin von Entscheidungsträgern vornehmlich im Bereich der KMU tätig.
Bild: photocosmos1/ShutterstockText: Gast