„In Polen atmet die Seele Europas noch“ Imad Karims intensive Doku „Polens deutsche Migrationskrise“

Von Alexander Wallasch

Eine Dokumentation, die man bei den Öffentlich-Rechtlichen vergeblich sucht: aufwühlende Bilder und Interviews zur Lage an der polnisch-weißrussischen Grenze. In „Polens deutsche Migrationskrise“ von Imad Karim geht es um unsere östlichen Nachbarn, die seit Monaten Zuwanderer mit Unterstützung des Militärs davon abzuhalten versuchen, illegal in die EU einzudringen. Menschen, die dann quer durch Polen direkt in die deutschen Sozialsysteme einwandern wollen, wie es Millionen vor ihnen schon über Zuwanderungsrouten aus allen Himmelsrichtungen erfolgreich geschafft haben.

Eine Dokumentation, die an Fernsehereignisse erinnert, wie sie früher vielleicht einmal geplant waren, als unsere Vorväter die Regeln für das öffentlich-rechtliche Fernsehen festschrieben im Sinne von umfassenden und ausgewogenen Informationen.

Filmemacher Imad Karim ist auf eigene Rechnung mit seinem Team nach Polen gefahren, um Fährte aufzunehmen, um zu erfahren, was dort an der Grenze zu Weißrussland in Sachen illegale Migration in die EU wirklich passiert.

Auf seinem Weg quer durch Polen hat Karim mit vielen Menschen gesprochen, mit den einfachen Leuten auf der Straße ebenso wie mit Protagonisten, die auf unterschiedliche Weise mit dem Thema verbunden sind.

Bevor es ins Detail geht, schon die erste Verstörung: Karim erledigt hier, was die Öffentlich-Rechtlichen liegen lassen, bekommt aber keinen prominenten Sendeplatz für seine exzellente Arbeit. So musste Karim, der früher sogar häufiger für die Öffentlich-Rechtlichen gearbeitet hatte, seine Dokumentation bei Youtube hochladen und ist auf Spendenfinanzierung angewiesen.

Allerdings – und das ist, gemessen am Inhalt, ein echter Skandal – wurde „Polens deutsche Migrationskrise – Der innereuropäische Kulturkampf“, so heißt Karims Dokumentation in voller Länge, entfernt.

Das Video wurde zwei Tage nach der Veröffentlichung am 22.12.2021 gelöscht, weil es angeblich gegen die Youtube-Richtlinien zu Belästigung und Mobbing verstößt.

So ruhig, so aufmerksam und so feinjustiert und gelassen, wie Imad Karim dreht und mit seinen Protagonisten ins Gespräch geht, ist diese Sperre allerdings einfach nur grotesk.

Jetzt ist GETTR eingesprungen. Die neue Plattform bietet dem zensierten Film eine neue, unzensierte Heimat unter dem Account von Imad Karim.

HahneWas die Zensur noch grotesker macht: Seine Dokumentation bleibt dennoch auf Youtube vertreten. Denn der Karim für dieses Projekt als wissenschaftlicher Berater zur Seite stehende belgische Althistoriker David Engels – er lebt und arbeitet zur Zeit in der Nähe von Warschau und ist auch Interviewpartner der Doku – hat „Polens deutsche Migrationskrise“ auf seinem Youtube-Kanal hochgeladen, wurde dort bisher nicht gelöscht.

Elendsbilder stehen ganz am Anfang, und ganz gleich, wie man sich im Wortsinne gegenüber diesen Menschen aufgestellt haben mag, diese Bilder lassen niemanden kalt. Aber sie bringen das Potenzial mit, abzukühlen, wenn vom Filmemacher ein mutmaßliches Kalkül dahinter aufgezeigt wird.

Imad Karim präsentiert Familien vom Grenzzaun, die wieder in die Heimat zurückgeschickt wurden, er zeigt sie am Flughafen und in ihren Wohnungen, beispielsweise im Nordirak, in die sie scheinbar in aller Seelenruhe zurückgekehrt sind und deren Ausstattungen einen gewissen Wohlstand suggerieren.

Eine Familie hat ihr Haus verkauft und das Geld für die Schlepper verwendet. Karim schaut sich die Bilder gemeinsam mit Prof. Hans-Peter Schwöbel an. Der Soziologe rechnet vor laufender Kamera akribisch vor, dass es sich hierbei um ein sehr lukratives Geschäftsmodell handeln muss. Schon nach einem Jahr in Deutschland wäre das Geld wieder drin. Vorausgesetzt natürlich, der Schlepper erledigt seinen Teil der Arbeit wie versprochen.

Karim zeigt illegale Migranten, die an der weißrussisch-polnischen Grenze ihre eigenen Kinder vor die Wasserwerfer führen, um mutmaßlich jene Bilder zu erzeugen, welche Europas Mitgefühl ansprechen und die Durchfahrt der Glückssucher nach Deutschland erzwingen sollen.

Karim spricht in Warschau mit Polen auf der Straße. Die Haltungen sind hier durchaus ambivalent, so wie an vielen Orten in der EU. Ja, viele Polen wissen aus eigener Erfahrung, was Migration bedeutet. Viele von ihnen waren selbst Wirtschaftsflüchtlinge. Hier gehört die Erfahrung der Fremde zur Tradition dazu, ebenso wie die Gewissheit, dass so erfolgreich Wohlstand generiert werden kann.

Imad Karim beschreibt die lebensbejahende Stimmung der Warschauer, er nimmt allerdings in den Gesprächen auch Bedrückendes wahr:

Ihm sei bewusst geworden, so Karim, „dass die Menschen hier zu erahnen scheinen, dass die Migrationskrise in erster Linie ihre deutschen Nachbarn im Kern ihrer Lebenslüge über die erstrebte bunte Gesellschaft trifft. ‚Wenn die Deutschen sagen, jeder der kommt, bekommt Asyl, bitte sehr.'“

Der Weg zur Grenze bleibt dem Filmteam versperrt. Wann das doch möglich sei, so eine Pressesprecherin der polnischen Regierung, entscheide das Parlament, so wird dem in der Novemberkälte wartenden Karim und einem halben Dutzend weiterer Journalisten mitgeteilt. Auch der polnische Grenzschutz gewährt Karim keine Sondergenehmigung.

„Ich weiß auch“, berichtet Imad Karim weiter, „dass die von deutschen NGOs logistisch und materiell unterstützte polnische Hilfsorganisation ‚Grupagranica‘ gleichgesinnten Journalisten verschlüsselte Routen durchsendet, das könnte bei mir funktionieren, natürlich nur so lange, wie die polnischen Flüchtlingshelfer mich für einen der ihren halten.“

Am Ende wird trotzdem nicht klappen, was sich Karim noch so optimistisch erhoffte. Dafür kommt er mit Prof. David Engels ins Gespräch, der in der Nähe von Warschau wohnt und davon berichtet, wie es sich unter Polen lebt und was die kulturellen Eigenheiten der Menschen dieses Landes sind:

Die Gesellschaft ist eigentlich sehr einheitlich und auch einig. Natürlich gibt es große politische Differenzen zwischen dem linken und eher rechten Lager. Aber alles findet doch innerhalb eines einheitlichen Volkes statt, dass sich auch als eine Einheit versteht und selbst im linkeren Lager doch einen gewissen gesunden Nationalstolz oder jedenfalls eine gewisse Liebe irgendwie zur eigenen Kultur, zur eigenen Geschichte entwickelt hat.

Der Filmemacher trifft die in Polen bekannte polnisch-syrische Menschenrechtsaktivistin Miriam Shaded, die ebenso eine glühende polnische Patriotin ist, wie sie als Flüchtlingshelferin und Islamkritikerin einer breiten polnischen Öffentlichkeit bekannt wurde. Sie warnte im Fernsehen schon vor der „unkontrollierten Aufnahme von muslimischen Banden“.

Und sie glaubt, dass nur Wenigen überhaupt die Integration in die polnische Gesellschaft gelingen könnte. Der Rest würde Parallel- und Gegengesellschaften bilden.

„Das Problem an der Grenze ist“, so Shaded, „dass wir nicht wissen, welche Menschen dort sind. Wir wissen nicht, wer sie sind, welche Absichten sie haben. (…) Wir wollen hier keine Leute reinbringen, von denen wir nicht wissen, wer sie sind.“

Imad Karim berichtet Erstaunliches: In Polen lebten Muslime seit Jahrhunderten, und sie hätten mit ihrem Mufti, den Karim mit „Exzellenz“ anspricht, sogar ein eigenes religiöses Oberhaupt.

Aber diese Muslime mit tatarischen Wurzeln und ihr Islam sind doch ganz anders, berichtet Karim, als jener Islam, mit dem Europa jetzt konfrontiert wird über Millionen Zuwanderer, die hier seit 2015 angekommen sind.

Ist diese exotische Gemeinde ein lebendiges Beispiel dafür, dass es in Zukunft doch einen aufgeklärten Islam geben könnte in Europa? Man ahnt schnell, dass das nur funktionieren würde, wenn dieser Islam auch auf eine starke und selbstbewusste einheimische Kultur trifft.

Karim spricht in Warschau mit einem Vertreter der Jüdischen Kulturvereinigung in Polen. Der Filmemacher fragt sein Gegenüber ganz konkret, was der meine, ob Europa denn Probleme bekäme, wenn die Menschen einfach hereingelassen würden.

Die Antwort fällt eindeutig aus: „Wir alle kennen das Problem in Deutschland. Damals sagte Frau Merkel: Alle willkommen! Und heute weiß jeder, dass dort alles schwierig ist, das weiß jeder“, so Artur Hofman.

„In Polen atmet die Seele Europas noch“, so das irgendwo zwischen Pathos und Wehmut angelegte Fazit des libanesisch-deutschen Filmemachers, der in den letzten Filmsequenzen seiner nachdenklich aufwühlenden Dokumentation „Polens deutsche Migrationskrise“ auch daran erinnert, dass es die Polen waren, die verhindert hatten, „dass Westeuropa muslimisch wurde“:

Imad Karim steht vor dem Denkmal für Johann III. Sobieski in Warschau, das hier 1788 aufgestellt wurde, um an den Sieger der Schlacht von Kahlenberg zu erinnern. Unter der Führung des polnischen Königs schlug ein deutsch-polnisches Entsatzheer die osmanische Armee vernichtend und leitete damit das Ende der islamischen Expansion ein. Nicht nur Wien, ganz Europa war gerettet worden.

Aber, so Imad Karim lakonisch: „Heute empfinden die Wiener das Ereignis als Provokation ihrer neuen Werte wie Diversität, Multikulturalismus und Toleranz. Und als Beleidigung für die muslimischen Mitbürger in der Stadt.“

„Vielleicht“, so Karim weiter, „zählt dieser Prozess der Selbstentkernung zu einer fest verankerten Dialektik der Hochkulturen. Auch Zivilisationen können nicht unsterblich leben. Aber sie können sich umwandeln und einige Jahrhunderte länger leben. Aber da, wo die Seele einer Kultur noch atmet.“

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: screenshot Film
Text: wal

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