Was denkt die FDP über Impfzwang und Ungeimpfte? Für Ministerposten opfert Christian Lindner Rest an Glaubwürdigkeit

Von Alexander Wallasch

Warum erkennen so wenige Männer die Vorzüge ihrer .Vorherrschaft?

Die FDP schreibt am 28. Juli 2021 auf der Webseite der Partei: 

Die Freien Demokraten lehnen Einschränkungen für Nicht-Geimpfte ab, die Kanzleramtsminister Helge Braun für den Fall stark steigender Inzidenzen ins Gespräch gebracht hatte.

Die Haltung der Freien Demokraten wäre hier „eindeutig.“ Parteichef Lindner wurde vor etwas mehr als drei Monaten deutlich, wie der Internetauftritt damals zusammenfasste:

Auch für Nicht-Geimpfte, die negativ getestet seien, müsse ein Lockdown ausgeschlossen sein. Aus Sicht des Chefs der Freien Demokraten zeige die Debatte nach Monaten der Pandemie, dass „bei manchen Kolleginnen und Kollegen, die Sensibilität für Grundrechte, für die Grundfreiheiten der Menschen nicht hinreichend ausgeprägt ist.“

Christian Lindner weiter:

Wenn von einem Menschen keine Gefahr ausgeht, sind Freiheitseinschränkungen unverhältnismäßig. Von Geimpften, Genesenen und tagesaktuell Negativ-Getesteten geht keine besondere Ansteckungsgefahr des Corona-Virus aus.

Zwischenzeitlich war Ende September Bundestagswahl, der FDP gelang es trotz eines nicht existenten Wahlkampfes ein zweistelliges Ergebnis einzufahren. Entscheidend war hier vor allem die desaströse Aufstellung der Mitbewerber.

Zum Glücksfall für die FDP wurde eine fehlende Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Weniger glücklich war man, dass es leider keine schwarz-gelbe Mehrheit gab.

Also war das Finanzministerium für den FDP-Parteichef nur noch im Rahmen einer Ampelkoalition greifbar. Lindner hatte allerdings schon 2017 die Jamaika-Koalition (mit CDU und Grünen) hingeschmissen – wie sollte man jetzt dem Wähler glaubwürdig machen, es könne besser laufen, wenn man mit den Grünen weiter macht, die Union aber durch die Sozialdemokraten ersetzt?

Gar nicht, die Wahlen sind gelaufen, Glaubwürdigkeit ist bei der FDP keine Ressource, warum also nicht noch die letzte Neige für Lindners Traumjob verschwenden?

Noch ein Rückblick: Ende Juli erklärte Christian Lindner im ZDF:

Es muss jetzt die politische Garantie geben, dass ein neuer Lockdown ausgeschlossen wird. Denn die sozialen, die gesellschaftlichen und die wirtschaftlichen Folgen dieser Stillstands-Politik sind inzwischen so erheblich, dass ich sie nicht mehr für verantwortbar halte.

Hat sich Österreich demnach aus Sicht von Lindner mit seinem Lockdown für Ungeimpfte unverantwortlich verhalten?

16. November 2021: Die Verhandlungen der Ampelkoalition kommen voran. Zwar bisweilen noch schleppend, aber der Finanzministerposten für Christian Lindner scheint für die FDP in trockenen Tüchern, nachdem Grünen-Parteichef Robert Habeck signalisiert hatte, nicht mehr darauf zu bestehen. Aber zu welchem Preis für Lindner?

Die FDP signalisiert ihrerseits, dass sie sich einen Impfzwang für bestimmte Einrichtungen nun doch vorstellen könne.

Als am Dienstag die Generalsekretäre von SPD und FDP vor die Presse traten, um über den Fortschritt ihrer Verhandlungen zu berichten, schwieg man sich bezeichnenderweise schon kategorisch aus zum Impfzwang oder zu Fragen, welche Corona-Maßnahmen betreffen.

Olaf Scholz (SPD) will gerne schon Anfang Dezember Kanzler der Ampel-Koalition sein. Anlässlich eines „SZ-Wirtschaftsgipfels“ der Süddeutschen Zeitung vom 15. bis 17. November – man lud die politische und wirtschaftliche Prominenz ganz mondän ins Hotel Adlon – sprach Scholz mit Blick auf den Impfzwang darüber, dass es richtig sei, „dass wir jetzt eine Diskussion darüber begonnen haben, ob man das machen soll.“ Diese dreitägige Veranstaltung endet am heutigen Nachmittag mit einem Auftritt von Annalena Baerbock. Anschließend darf Christian Lindner nochmal seine Sicht der Dinge verkünden.

Der nur noch geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn hatte schon am Vormittag auf diesem Gipfel gesprochen und gesagt, er sei der erste Minister, der mit der Masernimpfung eine Pflichtimpfung eingeführt hätte. „Aber eine verpflichtende Corona-Impfung könnte für viele der Schritt zu viel sein.“

Wird Christian Lindner jetzt den „Schritt zu viel“ trotzdem wagen? Ist ihm hier gar der scheidende Gesundheitsminister auf der Zielgeraden noch dazwischen gegrätscht? Waren die beiden nicht mal befreundet? Welche Rechnung war da für Spahn noch offen?

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hielt sich gegenüber n-tv jedenfalls weiter bedeckt:

Die Debatte um die Impfpflicht ist da, aber sie ist noch nicht entschieden. Wir werden in den nächsten Wochen schauen, ob wir eine Impfpflicht auf den Weg bringen oder nicht.

Nach einer Absage an einen Impfzwang klingt das allerdings ganz und gar nicht. Ein FDP-Europaabgeordneter wurde gegenüber dem Deutschlandfunk konkreter:

Einen Impfnachweis fürs Reisen halte er für sinnvoll. Dadurch dürfe es aber nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft kommen, so Andreas Glück (FDP). Und wie er das verhindern will, sagt er auch: Ungerechtigkeiten bekäme man nur beseitigt, wenn jeder möglichst zeitnah eine Möglichkeit zur Impfung erhalte. Freidemokrat Glück ist Mitglied im Gesundheits- und Umweltausschuss des Europaparlamentes.

Die Zeit meldete bereits vor fünf Tagen: „Ampel-Parteien diskutieren Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen“.

Ja, die FDP zeige sich in der Frage einer Impfpflicht noch „zurückhaltend“, heißt es da. Mit anderen Worten: Man ziert sich noch, Lindner weiß um die Absage der FDP an eine Impfpflicht in den letzten drei Monaten. Jetzt passiert mutmaßlich Folgendes: Die FDP wartet ab und hofft womöglich auf ein aufregendes Großereignis, welches die Menschen bewegt und in dessen Windschatten man dann den Wortbruch vollziehen kann.

Bezeichnend auch, wie man sich ziert: Christine Aschenberg-Dugnus, eine Gesundheitspolitikerin der FDP-Fraktion, will von Freiheitsrechten gar nichts mehr wissen. Sie befürchtet stattdessen, dass ein Impfzwang dazu führen könne, dass Pflegekräfte ins Ausland abwandern.

Abwandern werden aber nicht nur Pflegekräfte. Nicht wenige Deutsche denken angesichts einer drohenden Impfpflicht schon ans Auswandern. Die linkspopulistische taz hat dazu dieser Tage ihre eigene Auffassung, wie man diesen Fluchttendenzen begegnen könnte: Die Tageszeitung bittet einen Berater für „Angehörige von Menschen, die an Verschwörungen glauben“ zum Interview. Und dieser Berater meint gegenüber der Zeitung, es gäbe „extremere Fälle, in denen ein Partner auswandern möchte, weil sich Deutschland im Krieg befinde. Oder Eltern, die ihren Kindern mit Suizid drohen, wenn sie sich impfen ließen.“

Und der Gast der taz bringt noch einen guten Rat mit: „Die Fälle sind natürlich individuell, aber grundsätzlich raten wir Angehörigen immer davon ab, zu versuchen, über Fakten ins Gespräch zu kommen. Denn das bringt in der Regel nichts.“

Christian Lindner konnte mit Fakten nicht davon überzeugt werden, dass es für dieses Land besser wäre, er würde zur Befriedigung seiner befremdlichen Gier nach dem Posten des Finanzministers – sprichwörtlich gemeint – nicht über Leichen gehen.

Im Deutschland im Winter 2021 haben die Umkipper und Unglaubwürdigen Hochsaison. Und die FDP schreitet erwartungsgemäß vorneweg. Von den Mitbewerbern hatte man von vorneherein nichts erhofft – diese Einschätzung alleine reichte für die FDP, zweistellig in den Bundestag einzuziehen. Wie weit muss man eigentlich zurückschauen, um für irgendjemanden noch einen Rest Hochachtung für eine politische Leistung verteilen zu können?

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: 1take1shot/Shutterstock
Text: wal

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