Von Daniel Weinmann
Karl Lauterbach erreicht auf der nach oben offenen Unbeliebtheitsskala einen neuen Spitzenwert. Dieses Mal sind es die Ärzte, die unverhohlen ihren Unmut gegenüber dem Bundesgesundheitsminister äußern.
Stein des Anstoßes ist eine neue Kopfgeburt des Corona-Apokalyptikers. Die Neupatienten-Pauschale soll abgeschafft werden. Die vor drei Jahren von Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn eingeführte Vergütung sollte Ärzten als Anreiz dienen, neue Patienten aufzunehmen, die damit schneller an einen Termin gelangen sollten – insbesondere bei Fachärzten.
Die Folgen sind, wie könnte es bei einem Vorstoß Lauterbachs anders sein, höchst unerfreulich. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) befürchtet bereits eine massive Verschlechterung der ambulanten Patientenversorgung. „Es wird unweigerlich zu Leistungskürzungen kommen, zu Einschränkungen des Angebots von Sprechstunden, längeren Wartezeiten auf Termine und Aufnahmestopps in den Praxen“, warnt etwa Björn Parey, stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Hamburg.
»Inzwischen haben wir eine kritische Situation in der ambulanten Versorgung«
„Lauterbach gefährdet die ambulante Versorgung unserer Patientinnen und Patienten, dagegen müssen wir uns wehren“, so Parey. Nebenbei seien die geplanten Kürzungen ein desaströses Signal an den ärztlichen Nachwuchs. „Lauterbach saugt Praxen aus – und gefährdet damit Ihre Versorgung“, nennen die Hamburger Vertragsärzte und -psychotherapeuten ihre Informationskampagne. Zudem soll es am 5. Oktober zu umfassenden Praxisschließungen kommen.
„Wenn künftig die Wartezeiten auf Facharzttermine länger werden, führt das dazu, dass unsere Patientinnen und Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf verstärkt in der Klinik landen, – das ist schlecht für sie und verteuert die Versorgung“, setzt sich Silke Lüder, niedergelassene Hausärztin in Hamburg und Mitglied des Protest-Komitees, für die Aktion ein. Für den Streik am kommenden Mittwoch will die Kassenärztliche Vereinigung für Notfälle den ärztlichen Bereitschaftsdienst (Rufnummer 116117) unterstützen.
Auch in Bayern gehen Ärzte und Psychotherapeuten auf die Barrikaden. Dort sollen die Arztpraxen am 10. Oktober zwischen acht und zehn Uhr schließen. „Wir kämpfen für die Versorgung – und damit für unsere Patienten“, unterstreicht Ullrich Zuber vom Hausarztverein Coburg Stadt und Land, „inzwischen haben wir eine kritische Situation in der ambulanten Versorgung.“
Toxische Mischung aus krankhafter Hybris und Realitätsverlust
„Die angedrohte Rücknahme der Neupatientenregelung hat das Fass für die bayerischen Praxen zum Überlaufen gebracht. „Nicht nur dieser Wortbruch der Berliner Politik sorgt für Frust.“ Auch für den bayerischen Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek ist klar: „Der bisherige Entwurf von Karl Lauterbach ist nicht tragbar. Der Bundesgesundheitsminister muss die Kritik und Vorschläge aus den Reihen der Verbände und der Länder ernst nehmen.“
„Wir sehen schwarz“, lautet das Motto des landesweiten Aktionstags der Kassenärztlichen KV Rheinland-Pfalz am 12. Oktober. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung spricht deren Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen Tacheles: „Wir brauchen sichere und verlässliche politische Rahmenbedingungen, keine willkürlich anmutenden Schnellschüsse.“
Teflon-Lauterbach wird sich vermutlich selbst von dieser geballten Kritik nicht beeindrucken lassen. Die toxische Mischung aus krankhafter Hybris und Realitätsverlust ist bei ihm bereits zu weit fortgeschritten.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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