Von Daniel Weinmann
Der digitale Corona-Impfpass der Europäischen Union macht Schule. Vor fast genau zwei Jahren eingeführt, konnten EU-Bürger damit Impfungen, Tests und Genesungen per QR-Code nachweisen. Es war gleichsam die Eintrittskarte in eine vergleichsweise freie Welt ohne willkürliche Freiheitsbeschneidungen.
Noch in diesem Monat übernimmt die Weltgesundheitsorganisation das EU-System der digitalen Zertifizierung – vorgeblich „zur Stärkung der globalen Gesundheitsvorsorge angesichts wachsender Gesundheitsbedrohungen“. Ziel ist ein weltweites System, „das die Mobilität erleichtern und die Bürgerinnen und Bürger auf der ganzen Welt vor aktuellen und künftigen Gesundheitsbedrohungen besser schützen wird“.
Laut WHO ist dies der erste Baustein des globalen Netzwerks für digitale Gesundheitszertifizierung, „das eine breite Palette digitaler Produkte für eine bessere Gesundheit für alle entwickeln wird“. Im Fall einer weiteren „Pandemie“ soll das weltweite Zertifizierungsnetz der WHO das Reisen erleichtern und die Bürger besser schützen, teilte die EU-Kommission in schönstem Orwell-Neusprech am Montag in Brüssel mit.
„Ich freue mich, dass die WHO auf den datenschutzfreundlichen Grundsätzen und der Spitzentechnologie des EU-Zertifikats aufbauen wird, um ein globales Instrument gegen künftige Pandemien zu schaffen“, frohlockte Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton. Mit fast 80 Ländern und Gebieten, die an das digitale Covid-Zertifikat der EU angeschlossen seien, habe die EU einen weltweiten Standard gesetzt. Die EU-Kommission spricht von einem globalen WHO-System, das auf dem Erbe der EU aufbaue. „Die Ausweitung solcher digitalen Lösungen ist eine wesentliche Voraussetzung für eine bessere Gesundheit der Bürger auf der ganzen Welt.“
»Wenn man geimpft oder ordnungsgemäß getestet wurde, dann kann man sich frei bewegen«
Die Entwicklung scheint unaufhaltbar. „Die digitale Identität bestimmt, auf welche Produkte, Dienstleistungen und Informationen wir zugreifen können – oder umgekehrt, was uns verschlossen bleibt“, befand das Weltwirtschaftsforum (WEF) schon im September 2018 in einem „Insight Report“. Im Februar vergangenen Jahres wiederum erklärte das WEF, dass Impfpässe als eine Form der digitalen Identität dienen.
Ein gutes halbes Jahr später, im November, hatten sich die G20-Staaten auf ihrem Gipfeltreffen in Bali im November auf ein weltweites digitales Gesundheitszertifikat mit standardisiertem globalem Impfpass und digitalem Identitätssystem geeinigt. „Wir sollten ein digitales Gesundheitszertifikat einführen, das von der WHO anerkannt wird. Wenn man geimpft oder ordnungsgemäß getestet wurde, dann kann man sich frei bewegen“, forderte der indonesische Gesundheitsminister Budi Gunadi Sadikin – und sprach damit seinen Kollegen aus den anderen Staaten aus der Seele.
Frei bewegen darf sich demnach künftig nur, wer ein digitales Gesundheitszertifikat – vulgo: seinen Impfpass – präsentieren kann. Kritiker betrachteten bereits den digitalen Covid-19-Impfpass als tiefgehenden Eingriff in die Privatsphäre. Er könnte Regierungen und Unternehmen befähigen, über das Verhalten der Menschen zu bestimmen. Als Beispiel nennen sie den Zugang zu Infrastruktur oder Dienstleistungen, der verweigert werden könnte. Selbst der Gang in den Supermarkt könnte eines nicht allzu fernen Tages nur noch mit einem digitalen Identitätssystem samt Impfnachweis möglich sein.
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