Er wurde gebeten, gegen die AfD vorzugehen, doch das habe er abgelehnt, mit der Begründung, dass er nicht der „Konkurrenzschutz“ für die großen Parteien sei: Das erzählte mir der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Juni 2019 in einem Interview über seine Zeit an der Spitze der Behörde. Und den Druck, den die Politik auf ihn als Spitzenbeamten ausübte.
War diese Weigerung, die AfD zu verfolgen, ein Grund dafür, dass er gehen musste? Sein damaliger Stellvertreter und heutiger Nachfolger Thomas Haldenwang, ebenso wie Maaßen Mitglied der CDU, zeigte sich gegenüber den Bitten der Politik ganz offensichtlich weniger abweisend. Und hat den Verfassungsschutz in eine Behörde verwandelt, die das tut, was sie nach dem Grundkonsens der Väter unserer Bundesrepublik nie tun sollte: sich massiv in den Wettstreit der Parteien einmischen. Und auf die vorgeschriebene Neutralität demonstrativ pfeifen.
Dass die Fixierung auf die AfD für Verfassungsschützer lohnend sein kann, zeigt das Beispiel von Felor Badenberg. Die gebürtige Iranerin war als Vize von Haldenwang beim Verfassungsschutz vor allem für ihre überaus harte Linie gegen die AfD bekannt. Dafür wurde sie von Berlins neuem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) belohnt: Er machte sie zur Justizsenatorin der Hauptstadt.
Parteilichkeit zahlt sich aus.
Es sei dahingestellt, ob das auch Badenbergs ehemaligen Chef Haldenwang motivierte, als der die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts vor der Bundespressekonferenz auch zu einer Anti-AfD-Veranstaltung machte. Kritische Fragen dazu hatte er in der von Regierungskritikern „gesäuberten“ Bundespressekonferenz nicht zu fürchten. Im Gegenteil. Die rot-grüne Journalistenschar stichelte ihn geradezu an, noch parteiischer zu werden: Ein „Kollege“, den so zu nennen ich mich schwertue, fragte sowohl die Innenministerin Nancy Faeser als auch Haldenwang nach einer Botschaft für Menschen, die momentan erwägen, die AfD zu wählen.
Nein, Sie haben sich nicht verlesen – so parteiisch agieren Journalisten heute.
Wenigstens Faeser bemerkte, wie daneben die Frage ist – und wollte trotz des Offensichtlichen versuchen, den Schein zu wahren: „Ich würde mal sagen, das nehme ich Herrn Haldenwang ab. Ich halte es nicht für geboten, dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Empfehlungen an Wählerinnen und Wähler abgibt.“
Faeser riet den Wählern, „danach zu schauen, wer ein tatsächliches Angebot für die Lösungen der Probleme habe“. Im Vergleich zu allen anderen Parteien sehe sie dabei die AfD „ganz hinten“, so Faeser. Unparteilichkeit bei der Ausübung ihres Amts ist für sie offenbar ein Fremdwort. Und von Oppositionsarbeit hat sie eine eigenwillige Vorstellung.
‚Gestatten Sie ...‘
Obwohl die Ministerin wollte, dass er den Schein wahrt, konnte sich Haldenwang neben ihr nicht zurückhalten. „Aber gestatten Sie, ich möchte auch was sagen“, fügte er hinzu, und Faeser neben ihm lächelte. Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall in Sachen Rechtsextremismus bedeute, dass seine Behörde „hinreichend große Bestrebungen innerhalb der Partei“ beobachte, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten, so Haldenwang.
Sodann holte der Behördenchef aus: „Diese Teile der AfD verbreiten Hass und Hetze gegen alle Formen von Minderheiten, insbesondere Migrantinnen und Migranten.“ „Teile der AfD sind sehr stark von Moskau beeinflusst und verbreiten russische Narrative weiter. Das sind alles Umstände, die auch die deutschen Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung im Hinterkopf haben sollten.“
Völlige Geschichtsvergessenheit
Der Chef des Inlandsgeheimdienstes ist damit in die Rolle des Wahlkampf-Werbers für die „ganz große Koalition“ von Union, SPD, Grünen, FDP und „Linke“ geschlüpft. Genau in die Rolle, in die ein Geheimdienstchef in Deutschland nach den Lehren aus dem Nationalsozialismus nie mehr schlüpfen sollte.
Und dass kein kritischer Journalist in der Runde sitzt, der deswegen nachhakt und das kritisiert, dafür hat der Vorstand der Bundespressekonferenz gesorgt – der Journalisten-Verein, der als Hausherr bei solchen Veranstaltungen agiert, verweigert kritischen Journalisten mit hanebüchenen Begründungen die Aufnahme oder schließt sie, wie mich, mit ebenso hanebüchenen Begründungen aus. Dabei hat sich der Verein gerade wieder einen unglaublichen Bauchklatscher geleistet – doch dazu in Kürze mehr.
Geheimdienst-Chef Haldenwang jedenfalls darf sich nicht nur seines Postens sicher sein, obwohl er als CDU-Mann unter einer SPD-Ministerin dient (ich benutze explizit dieses Wort) – er hat mit Sicherheit auch große Karrierechancen. Seine ehemalige Stellvertreterin, die jetzt Senatorin ist, lässt grüßen.
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