Von Kai Rebmann
Baden-Württemberg gehörte einst zu den Ländern, in denen ein schwarzer Ministerpräsident als gesetzt galt. Bis die CDU im Zuge der „Ära Merkel“ für immer mehr Konservative schlicht nicht mehr wählbar war. Inzwischen fristen die Christdemokraten im Ländle ein Schattendasein als Juniorpartner und Steigbügelhalter der Grünen – was zu Zeiten eines Lothar Späth noch außerhalb jeder Vorstellungskraft lag.
Was der frühere Ministerpräsident (1978–1991) mit der Gender-Debatte zu tun hat? Dessen einstiger persönlicher Referent, Klaus Hekking, steht an der Spitze der Bürgerinitiative „Wir sprechen alles, bloß kein Gender“, die ein Verbot der Fantasie-Sprache in Behörden, dem öffentlichen Rundfunk (SWR), Schulen und Universitäten anstrebt. Der Heidelberger Jurist ist auch heute noch CDU-Mitglied und hat die erste Hürde auf dem Weg zu einem Volksbegehren bereits mühelos gemeistert. Dachte er jedenfalls!
Anstatt der laut Landesverfassung geforderten 10.000 Unterschriften konnten Hekking und seine Mitstreiter in den vergangenen Wochen und Monaten sogar derer 14.000 sammeln. Wohl auch, weil die Initiatoren im Text ihrer Petition die Sprache des Volkes sprechen.
„Ärgern Sie sich über das Gendern?“, wird rhetorisch gefragt. Oder „über sogenannte geschlechtsneutrale Formulierungen, die aus Männern und Frauen geschlechtslose Wesen machen, aus einer Aktionärsversammlung eine ‚Versammlung von Anteilshabenden‘, aus einem schlafenden Radfahrer einen ‚schlafenden Radfahrenden‘ und aus einer Apothekerin eine ‚approbierte Arzneikundige‘?“
Innenminister Strobl zieht die Reißleine
Von Bürgernähe scheint man in Stuttgart inzwischen aber ebenso weit entfernt zu sein wie in Berlin. Das Gendern wird nicht nur von einer überdeutlichen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, sondern sogar vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, einem studierten Lehrer. Was dessen CDU-Innenminister Thomas Strobl aber keinesfalls daran, hindert, die von seinem Parteifreund Hekking eingebrachte Petition aufgrund vermeintlicher Formfehler zu torpedieren.
Der vorliegende Antrag auf ein Volksbegehren zum Verbot des Genderns sei „nicht vorschriftsmäßig gestellt“ worden und genüge obendrein nicht dem „verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz“, so die Antwort aus dem Haus des Innenministers. Soll heißen: Strobl meldet „verfassungsrechtliche Bedenken“ an – und gibt sich wirklich alle Mühe, von der Öffentlichkeit als Anwalt des Gendersternchens wahrgenommen zu werden.
Die Bürgerinitiative hatte ihre Anti-Gender-Petition am 7. Dezember 2023 mitsamt den Unterschriften im Landtag eingereicht. Sodann sandte der Innenminister offenbar seine Paragraphenreiter aus, um nach möglichen Fehlern zu fahnden – schließlich nahm man im Ländle schon immer alles ganz genau.
Und siehe da, tatsächlich wichen der Entwurf, der für das Innenministerium maßgeblich ist, und die von den meisten Bürgern unterzeichnete Version in einigen Textstellen voneinander ab. Dies sind zwar keine sinnentstellenden Passagen, sodass der Bürgerwille – wenn man es denn möchte – nach wie vor erkennbar blieb. Aber Paragraphen sind nun einmal Paragraphen, sodass Strobl den betreffenden Unterschriften die Gültigkeit versagte und das erforderliche Quorum damit nicht mehr erfüllt war.
Sicher ist sicher – noch ein ‚Formfehler‘?
Klaus Hekking und seine Mitstreiter haben in der Petition gefordert, die Schreibweise in öffentlichen Einrichtungen müsse sich in Baden-Württemberg am Amtlichen Regelwerk orientieren. Daraus drehte ihnen das Innenministerium prompt den nächsten Strick und nur die bösesten Zungen würden unken, man habe auf Nummer sicher gehen wollen – nicht dass die gestrichenen Unterschriften nicht doch noch von einem Gericht anerkannt werden.
Einerseits sehe das Amtliche Regelwerk, so jedenfalls die Argumentation in Stuttgart, durchaus auch Regelungen zur geschlechtsneutralen Sprache vor, sodass sich schon alleine hieraus ein Widerspruch ergebe. Andererseits unterlägen die Regelungen zur Rechtschreibung ganz grundsätzlich einem „dynamischen Wandel“. Das Ministerium will darin einen Verstoß gegen den „Bestimmtheitsgrundsatz“ erkennen, was ebenfalls eine Ablehnung der Petition rechtfertige.
Mit anderen Worten: Nur weil eines Tages X Gendersternchen, Unterstriche und Co. vielleicht doch noch ins Amtliche Regelwerk aufgenommen werden könnten, kann man das Gendern in Baden-Württemberg heute nicht verbieten. Dass andere Bundesländer – etwa Bayern und Hessen – das ganz anders sehen, scheint dabei ebenfalls keine Rolle spielen, wie eine derartige Argumentation jeder vernunftbasierten Grundlage entbehrt.
Am Freitag nächster Woche soll es jetzt zum Gender-Gipfel im Innenministerium kommen, bei dem Hekking und Strobl versuchen wollen, die Kuh doch noch außergerichtlich vom Eis zu bekommen. Im Falle eines Scheiterns stünde den Initiatoren danach noch der Weg vor den Verfassungsgerichtshof in Stuttgart offen.
Dass sich die Anzahl der Unterschriften in den wenigen Wochen seit der Abfuhr durch Thomas Strobl bis heute von 14.000 auf 25.500 fast verdoppelt hat, spricht für sich und verleiht der Anti-Gender-Initiative zusätzlichen Rückenwind.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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