Sind Sie auch mit dem Räuber Hotzenplotz aufgewachsen, und mit der kleinen Hexe, dem kleinen Wassermann und dem kleinen Gespenst? All diese Gestalten aus den Werken von Otfried Preußler waren fester Bestandteil meiner Kindheit. Und ich wäre nie im Traum auf die Idee gekommen, dass Preußler, der so wunderbare Gestalten schuf und so wunderschöne Bücher schrieb, ein „Böser“ sein könnte. Und sein Werk schädlich.
Jedenfalls wurde der 1923 in Böhmen geborene Schriftsteller jetzt Opfer des Cancel-Wahns – den es laut rot-grün-woken Ideologen gar nicht gibt. Denn erst kürzlich erschien ein Buch, in dem Stanforder Professor Adrian Daub behauptete, es seien nur Gespenstergeschichten, dass unliebsame Künstler und Wissenschaftler immer öfter „gecancelt“ werden.
Diese Leugnung des Cancel-Wahns ist fast so empörend wie das ständige Canceln selbst – von allem und jedem, der nicht bei drei auf einem rot-grünen Ideologie-Baum ist oder war.
Sogar die inzwischen selbst rot-grüne „Frankfurter Allgemeine“ (FAZ) kommt nicht umhin, sich über die These des Stanforder Professors lustig zu machen: „Tatsächlich erreichen uns aber wöchentlich Meldungen von ausgeladenen Künstlern, durch Geschrei gesprengten Podien, aufgrund von ebensolchem Geschrei abgebrochenen Vorträgen und von Büchern, an denen herumretuschiert wird, weil sie danach angeblich moralisch sauberer sind. Mal ‚canceln‘ dabei die moralisierenden Linken, mal werden sie gecancelt, weil sie einen offenen Brief unterschrieben haben, den die moralisierenden Rechten nicht ertragen.“
Eine etwas eigenwillige Darstellung – denn dass Linke gecancelt werden aufgrund von moralisierenden Rechten, scheint doch eher die verschwindend seltene Ausnahme.
Aber zurück zu Preußler. Die Leitung des Otfried-Preußler-Gymnasiums in Pullach bei München will den Namen der Schule ändern. Unter anderem, weil Preußler in seiner Jugend ein überzeugter Nationalsozialist gewesen ist – was erst posthum bekannt wurde. Aber ändert das etwa an den schriftstellerischen Verdiensten Preußlers?
„Die Schulleitung wusste die Eltern und die Schüler des Gymnasiums hinter sich“, schreibt Jürgen Kaube in der „Frankfurter Allgemeinen“ (FAZ) hinter einer Bezahlschranke: „Sie alle stimmten in den Umbenennungsvorschlag ein. Vor so viel Ablehnung musste der Gemeinderat kapitulieren.“
Die Einstimmigkeit von Schulleitern und Eltern zeigt, welch hysterisches Ausmaß der Drang nach ideologischer und politischer Reinheit in Deutschland inzwischen wieder erreicht hat – und nicht nur da.
2013 hatte das Staatliche Gymnasium Pullach es noch gefeiert, sich nach dem in Böhmen geborenen Autor zu benennen, wie der „Bayerische Rundfunk“ berichtet. Man schrieb seinerzeit: „Otfried Preußler ist für unser Gymnasium ein würdiger Namenspatron, der für pädagogische Ziele und Ideale steht, und, der als Schriftsteller und Bühnenautor in Bayern und Deutschland, in Europa und der ganzen Welt bekannt und beliebt ist.“
„Diese Haltung Preußler gegenüber hat sich grundlegend gewandelt“, so die öffentlich-rechtliche Anstalt weiter: „Der seit 2017 das Gymnasium leitende Oberstudiendirektor Benno Fischbach übt sich seit geraumer Zeit nachgerade in der Schulmeisterei“. Neben seinen jugendlichen NS-Sympathien hält Fischbach Preußler vor, sein Werk sei schwierig – wegen der “fragwürdigen Konfliktlösungsstrategien durch Gewalt und/oder Hexerei.“
„Wir können dem Schuldirektor zugutehalten, dass er ein Mathematik- und Physiklehrer ist, mithin bei Literatur entschuldigt fehlt. Dass in den Kinderbüchern von Otfried Preußler bei den ‚Konfliktlösungen‘, wie er schreibt, Magie und Gewalt eine Rolle spielen, streicht er rot an“, so Kaube in der FAZ: „Was die Gewalt angeht, so möchten wir darauf hinweisen, dass sie in vielen Konflikten eine Rolle spielt und Kinderbücher nicht dazu da sind, das vor ihren Lesern zu verbergen. Kinderbücher sind keine Handbücher für Coaches. Was die Magie angeht, so ist sie, wenn Hexen und Zauberer zu den Figuren gehören, schwer zu umgehen.“
Ignoranter Schulleiter
Dass Preußler Magie subtil kritisiert, ist den Kultur-Kriegern in Pullach offenbar entgangen. „‚Die kleine Hexe‘ bietet hier vielfältige gymnasiale Anknüpfungspunkte“, schreibt Kaube. Und fragt: „Würden die Gegner seines Namens auch Goethe-Gymnasien mit dem Magie-Argument umbenennen wollen? Hat der Schulleiter schon einmal davon gehört, dass das erfolgreichste Jugendbuch der jüngeren Zeit von einer Zauberschule handelt? Hat er überhaupt einmal ein Buch von Preußler gelesen, ‘Der kleine Wassermann’ etwa oder den ‚Räuber Hotzenplotz’? Oder gehört er zu den Erwachsenen, denen ihre Kindheit und Kindlichkeit überhaupt peinlich ist? Die in Magie nur Unfug erkennen können und in Gewalt keine Wirklichkeit, die sich durch Weiterbildungsseminare austreiben lässt? Wie buchstabiert Direktor Fischbach Phantasie?“
Das sehr zutreffende Fazit von Kaube: „Es ist wie bei anderen Beispielen für das Canceln: Sie sind von einer solchen Dummheit, dass es wehtut. Der Name des größten deutschsprachigen Kinderbuchautors, er soll nicht mehr zu einer Schule passen. Und Jim Knopf, ein Buch gegen Rassismus durch und durch, wird in Text und Bild so lange nachbearbeitet, bis man glaubt, keinen Vorwurf aus der Abteilung des ‚sensitivity reading‘ fürchten zu müssen.“ (siehe hier).
„Otfried Preußlers und Michael Endes Ruhm wird es überleben“, glaubt Kaube: „Man wird ihre Bücher noch lesen, wenn kaum einer mehr weiß, wer seine Gegner waren: lachhafte Reinigungskräfte, altkluge Kinder ihrer faden Zeit. Das Schulwort dafür ist: Streber.“
Dem kann man nichts mehr hinzufügen.
Außer, dass es einen besonderen Treppenwitz der Geschichte in der Causa gibt. Ausgerechnet diejenigen, die heute besonders stramm auf Linie sind, empören sich darüber, dass Preußler in jungen Jahren stramm auf Linie war.
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