Desinformation – das betreiben in den Augen von Rot-Grün immer die anderen. Getreu dem uralten Motto, dass der Dieb immer am lautesten „haltet den Dieb!“ schreit. Was wir gerade in Sachen FDP und Medien erleben, ist ein klassisches Beispiel für eine groß angelegte und überaus geschickte Desinformations-Kampagne. Und zwar in dem Stil, in dem „Desinformation“ im modernen Sprachgebrauch kaum bekannt ist, aber der ihren Kern ausmacht: Weniger Agitprop, eine Mischung aus Agitation und Propaganda, als vielmehr das geschickte, manipulative Steuern von Narrativen. Ihre Ursprünge hatte diese Kunst noch im deutschen Kaiserreich, später übernahmen sie die Kommunisten – KGB und Stasi haben sie zu einer Wissenschaft gemacht und perfektioniert.
An diese alte Schule von KGB und Stasi musste ich auch denken, als ich jetzt in fast allen großen Medien – und auch in diversen alternativen – empörte Schlagzeilen und Artikel las mit einer gemeinsamen Stoßrichtung: Die FDP und Lindner hätten den Koalitionsbruch geplant, und das sei ein Skandal. Angestoßen wurde diese klassische Desinformationskampagne wieder einmal – wie schon die Causa Aiwanger – von der „Süddeutschen Zeitung“, die nicht zu Unrecht den Spitznamen „Alpen-Prawda“ trägt. Das Kampfblatt bringt Informationen von angeblichen Insidern, denen zufolge die FDP-Spitze schon im Frühherbst einen Ausstieg aus der Ampel durchspielte und plante.
„Empörung nach Berichten über angeblich minutiös geplanten FDP-Ausstieg“ apportiert die einstmals konservative „Welt“ brav – wie die meisten anderen Medien auch, selbst kritische. Erstere werden damit möglicherweise bereitwillig zum Verbreiter von Desinformation, letztere fallen auf diese herein.
Warum Desinformation? Sind die vermeintlichen Insider-Informationen in der „Süddeutschen“ eine Lüge? Wohl nicht. Dass sich Verräter in der FDP der Alpen-Prawda offenbarten, ist durchaus möglich. Ein Schelm, wer dabei an den Überläufer und Verkehrsminister Volker Wissing denkt, der als Generalsekretär einer der Architekten der Ampel war und bis zuletzt in rot-grünem Kadergehorsam an diesem festhielt.
Desinformation ist also nicht die Tatsachenbehauptung – sondern ihre Einordnung. Und die ist ein Lehrstück dafür, wie Journalisten Hand in Hand mit Politikern die Menschen in ihrem Sinne in die Irre führen – und wie viele darauf hereinfallen. KGB und Stasi hätten ihre wahre Freude daran gehabt.
So wenig ich ein Freund von Christian Lindner und der heutigen FDP bin, so sehr muss ich sie hier in Schutz nehmen.
Denn das, was Medien und Politik nun erfolgreich skandalisieren, ist das Gegenteil von einem Skandal. Wenn wir schon unbedingt einen Skandal suchen, besteht dieser sicher nicht darin, dass sie mit einem Aus der Ampel liebäugelten und ein Ende der Koalition vorbereiteten – der Skandal ist, dass sie sich damit viel zu viel Zeit gelassen haben. Und damit dem Land massiv schadeten.
In einem meiner ersten Artikel zum Koalitionsbruch habe ich genau das beschrieben – und beklagt, dass Lindner sich von Scholz hat überrumpeln lassen und es nicht hinbekam, selbst stolz die Ampel zu verlassen – sondern sich stattdessen feuern ließ.
Wie die Medien nun Hand in Hand mit der Politik dieses Narrativ drehen, ist atemberaubend. Ein Lehrstück. In Sachen Dreistigkeit des polit-medialen Komplexes – und politischer Naivität in weiten Teilen der Bevölkerung – bis hinein in die alternativen Medien.
Die „Welt“ etwa schreibt, ohne mit der Wimper zu zucken und die gespielte, unerhörte Empörung kritisch zu hinterfragen: „Führende Vertreter von SPD und Grünen haben empört auf Presseberichte reagiert, wonach die FDP über Wochen minutiös den Bruch der Ampel-Koalition vorbereitet haben soll. ‚Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode‘, schrieb Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Online-Dienst X. Er sei ‚tief erschüttert über dieses Verhalten der FDP‘.“
Das ist an Lächerlichkeit und Doppelmoral nicht mehr zu überbieten. Wenn Scholz Lindner rausschmeißt, wenn er eine bereits sorgsam vorbereitete Rede für diesen Fall parat hat, die er vom Teleprompter abliest (und so tut, als sei es freie Rede), wird uns das als etwas Normales verkauft bzw. kaum thematisiert; wenn Lindner plante, aus einer Koalition, die Deutschland massiv schadet, auszusteigen, wird das als Skandal aufgebauscht.
Es ist die heiligste Pflicht einer Partei, wenn sie glaubt, dass sie in der Regierung bzw. in einer Koalition Schaden für das Land anrichtet, sich Gedanken zu machen und Pläne auszuarbeiten, diese Koalition zu verlassen. Dass sie dabei nicht sofort mit offenen Karten spielt, mag man kritisieren – doch man muss entweder sehr naiv sein oder so tun, als sei man es, um sich darüber zu wundern. In der Politik ist das leider mehr als üblich – siehe auch Scholz und sein Teleprompter.
Dass Scholz mit dem Ausrufen der Notlage zur Umgehung der Schuldenbremse das Grundgesetz aushebeln will, eine Dreistigkeit sondergleichen, ein kleiner Staatsstreich, wird in den großen Medien allenfalls beiläufig thematisiert. Dass Merz einen stillen Putsch gegen das Parlament und das Grundgesetz, das ein freies Mandat vorschreibt, ausheckte mit seiner Ankündigung, nur noch Vorlagen in den Bundestag einbringen zu wollen, die vorher mit Rot-Grün abgestimmt wurden, wird ebenfalls kaum thematisiert. Während also die wirklichen, himmelschreienden Skandale unter den Tisch gekehrt werden, wird die Selbstverständlichkeit zum Skandal hochgeschrieben.
Was hier geschieht, ist phänomenal.
Und viel zu wenige durchschauen dieses schmutzige Spiel; zu viele beißen wie Pawlowsche Hunde zu bei den Informationshappen, die ihnen sorgsam vorsortiert und auf Skandalisierung heischend vorgelegt werden.
Wir haben es hier mit einer geradezu Orwellschen Spiegelung zu tun, mit einer Umdrehung von Begriffen und Werten. Krieg ist Frieden, Unfreiheit Freiheit, Unterdrückung Demokratie – all diesen Vorhersagen des geradezu prophetischen britischen Schriftstellers kommen wir in der heutigen Bundesrepublik – und nicht nur da – erschreckend nahe.
Bei der Erfindung und dem Aufblasen der Causa Lindner haben wir es mit einer Umdrehung des Narratives zu tun, das ebenso genial wie böse ist. Und leider sehr erfolgreich. Auch aufgrund der für Bürgerliche leider allzu typischen Mischung aus Feigheit und Naivität bei der FDP – statt dem Narrativ massiv zu widersprechen, duckt sie sich weg. Auf Anfrage der „Zeit“ etwa wollte sich Lindner nicht äußern.
Das Ziel hinter der großen Attacke, zu der die „Süddeutsche“ geblasen hat, ist nicht schwer auszumachen: Es geht darum, mit aller Gewalt zu verhindern, dass die FDP wieder in den Bundestag einzieht. Eine Unmenge von Stimmen bürgerlicher Wähler könnte dann im Bundestag ohne Repräsentation bleiben – und das würde Rot-Grün erheblich stärken und die Merz-CDU noch mehr lähmen, als dies ohnehin schon der Fall ist.
Manchmal hat man – genauso wie bei Corona – den Eindruck, man habe es mit einem groß angelegten Intelligenztest zu tun. Um das böse Wort „Idiotentest“ zu vermeiden.
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