AOK meldet neuen Rekord bei Krankschreibungen wegen Alkohol Spätfolge von Lockdowns und sozialer Isolation?

Von Kai Rebmann

Die Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum erreichen jetzt auch die deutsche Wirtschaft. Zum zweiten Mal in Folge erreichte die Zahl der alkoholbedingten Fehltage einen neuen Rekordwert. So war es schon im Jahr 2022, als 15,3 Fehltage je 100 Versicherte gemeldet wurden. Im vergangenen Jahr stieg diese an sich schon besorgniserregende Marke dann auf 16 sogenannte Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) je 100 Versicherte infolge von Alkoholkonsum.

Das geht aus einer aktuellen Auswertung der AOK Rheinland/Hamburg hervor, über die die „Rheinische Post“ zuerst veröffentlicht hat. Demnach bezeichnete eine Sprecherin alkoholbedingte Erkrankungen als ein „nach wie vor bedeutendes Problem“. Männer kamen dabei auf 1,01 Krankheitsfälle je 100 Versicherten, bei den Frauen waren es mit 0,37 Fällen je 100 Versicherten deutlich weniger, wobei ältere Arbeitnehmer bei beiden Geschlechtern häufiger betroffen waren als jüngere.

Lockdowns sind 'idealer Nährboden für Süchte'

Was aber weder die Zahlen zeigen noch von der AOK selbst thematisiert wird, ist die Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung. Dabei sollte eben dies das erste sein, was einem dabei in den Sinn kommt. Oder soll es möglich sein, dass das zweite Rekordjahr in Folge auf bloßen Zufall zurückzuführen ist?

Wohl kaum! Erst recht nicht, wenn man sich den zumindest zeitlichen Zusammenhang mit der Corona-Krise vor Augen führt, die sehr stark durch tiefgreifende Maßnahmen wie Lockdowns und einer daraus folgenden weitgehenden sozialen Isolation der Bürger geprägt war. Diese wiederum macht die Menschen – und das ist kein Geheimnis – für Verlockungen durch Alkohol oder auch das Rauchen besonders empfänglich.

So bezeichnete das „Ärzteblatt“ die COVID-19-Pandemie in einem früheren Artikel bereits als „idealen Nährboden für Süchte“ und meinte damit weniger die „Pandemie“ als solche als vielmehr die damit in Verbindung stehenden Maßnahmen. Der Artikel verwies auf zahlreiche entsprechende Studien und Stellungnahmen, die den Zusammenhang zwischen Quarantäne und entsprechenden Krankheitsbildern wie etwa einer Posttraumatischen Belastungsstörung belegen.

Selbst die WHO, die an der Maßnahmen-Front gegen Corona ganz vorne mitmischte, warnte bereits im Frühjahr 2020 vor zunehmendem Alkoholmissbrauch infolge von sozialer Isolation. Der Konsum von Alkohol sei „in Zeiten persönlicher, aber auch gesellschaftlicher Krisen ein bei vielen Menschen gelernter Bewältigungsmechanismus, da er Ängste und Sorgen abmildern, entspannen und beruhigen“ könne, so das „Ärzteblatt“ damals zur Einschätzung der WHO.

Auswirkungen der Maßnahmen auf psychische Gesundheit waren früh bekannt

In ganz ähnlicher Weise äußerte sich der Suchtexperte Falk Kiefer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim im Dezember 2021 mit Blick auf die Lockdowns während der Corona-Krise: „Menschen, die ohnehin schon regelmäßig Alkohol zu Hause getrunken haben, zum Beispiel zum Schöntrinken des Abends – zum Vertreiben von Einsamkeit, Langeweile oder Sorgen – die trinken nun mehr.“

Dazu passt auch die Meldung des Bundesverbandes Wein und Spirituosen International, dass im fraglichen Zeitraum über steigende Umsätze im Online- sowie Lebensmitteleinzelhandel verzeichnet werden konnten. Über eine entsprechende Entwicklung dieser Absätze hatte der „Spiegel“ am 27. Dezember 2021 berichtet.

Um es abschließend nochmal klar zu formulieren: Ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Lockdowns oder ähnlichen Maßnahmen kann durch die von der AOK Rheinland/Hamburg veröffentlichten Zahlen zu alkoholbedingten Fehltagen nicht belegt werden. Sie werfen jedoch berechtigte Fragen auf, insbesondere wenn diese im Lichte dessen betrachtet werden, was über das allgemeine Suchtpotenzial des Alkohols und den gestiegenen Konsum während der Corona-Krise bekannt ist.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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