Agrarverbände wittern Klima-Hütchenspiel beim Umweltbundesamt Widersprüche bei Bio-Sprit und Öko-Landwirtschaft

Von Kai Rebmann

Zuletzt waren es die schrittweise geplanten Kürzungen beim Agrar-Diesel, die die Bauern bei bundesweiten Protesten gegen die Politik der Ampel-Koalition auf die Straßen getrieben haben. Ebenso deutlich wurde dabei aber auch, dass die mittelfristige Streichung dieser für viele landwirtschaftliche Betriebe existenziellen Subvention nur der letzte Tropfen war, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte.

Neben diesem Hauptschauplatz begehrt der Deutsche Bauernverband (DBV) derzeit noch in einem weitaus weniger beachteten Punkt gegen die Bundesregierung auf. Genauer gesagt gegen das Umweltbundesamt (UBA), das wiederum dem Bundesumweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) untersteht.

Anstatt des Agrar-Diesels, mit dem landwirtschaftliche Maschinen betrieben werden, geht es diesmal um den Bio-Sprit, den Millionen von Verbrennern an den Tankstellen zapfen – und dessen Produktion die Existenzgrundlage von tausenden Betrieben sowie zehntausenden Mitarbeitern sichert. Die entsprechenden Bezeichnungen wie etwa „E5“ und „E10“ bei Benzin oder „B7“ bei Diesel dürften den meisten Autofahrern geläufig sein, wobei die Zahl jeweils für den prozentualen Anteil an Bio-Sprit steht.

Ideologische Urteile im Umweltbundesamt

Doch selbst bei diesem Sprit soll es sich um eine „umweltschädliche Subvention“ handeln, meint zumindest das Umweltbundesamt, wie aus einem entsprechenden Bericht der Behörde hervorgeht. Weiter heißt es dort: „Der Anteil von Kraftstoffen auf Basis von Anbaubiomasse sollte weiter sinken und mittelfristig sollte darauf verzichtet werden.“

Die Argumentation für diese Einschätzung liest sich so: Für den Anbau dieser Biomasse würden „wertvolle naturnahe Flächen und Habitate“ genutzt, was wiederum zu einer „hohen Freisetzung von Treibhausgasen“ führe. Mit anderen Worten: Durch den Anbau von Biomasse werden hochwertigere Agrarprodukte, etwa Getreide für die Ernährung, auf andere Flächen verdrängt, was in gewissen Kreisen als „indirect land use change“ (ILUC), sprich „indirekte Landnutzungsänderung“, bezeichnet wird.

Und genau gegen diese Einschätzung, Bio-Sprit sei umwelt- bzw. klimaschädlich, richtet sich die aktuelle Protestnote des Bauernverbandes. Denn: Die ILUC-Theorie gilt außerhalb des Umweltbundesamts in Fachkreisen als äußerst umstritten. Zum einen verweist das UBA auf Berechnungen aus dem Jahr 2013 – aktuellere Zahlen liegen offenbar nicht vor – und zum anderen auf eine Studie von Forschern der Universität Utrecht (Niederlande) zu dieser Frage.

Aber: Deren Leiter, Vassilis Daioglou, widerspricht der Interpretation des UBA ausdrücklich. In ihrer Studie aus dem Jahr 2020 stellen die Autoren fest: „Es ist unmöglich, den tatsächlich aus der Biokraftstoff-Produktion resultierenden ILUC zu kontrollieren oder zu messen. Dies macht ILUC zu einem schlechten Leitprinzip für die Landnutzungs- und Klimapolitik und hilft bei der Bestimmung der Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen nicht weiter.“

Gutes ILUC, böses ILUC?

Wie kommt das Umweltbundesamt aber dennoch zu seiner „einseitigen und falschen“ Einschätzung bezüglich des Bio-Sprits, die es nicht nur im Brustton der Überzeugung vorträgt, sondern sich dabei auch noch auf offensichtlich „fehlerhafte und veraltete Darstellungen“ stützt? Diese Vorwürfe erheben zumindest der Deutsche Bauernverband sowie fünf Agrarverbände aus der Biomasseproduktion, die sich dem Schreiben angeschlossen haben.

Und die Unterzeichner des Briefs äußern auch einen kaum verhohlenen Verdacht: Das Umweltbundesamt macht bewusst Stimmung gegen Verbrenner – konkret: sämtliche Formen von durch Benzin und Diesel betriebenen Fahrzeugen – um damit das Dogma vom E-Auto als vermeintlich alternativlose Zukunftslösung zu untermauern.

Wörtlich heißt es dazu: „Wir erwarten, dass das UBA falsche und veraltete Aussagen zu indirekten Effekten durch Biokraftstoffe an den aktuellen Stand der Wissenschaft anpasst.“ Und weiter: „Das Beharren auf nicht haltbaren Aussagen schadet der Reputation des UBA und widerspricht dem gesetzlichen Auftrag Ihrer Behörde.“ Adressat des Schreibens ist UBA-Präsident Dirk Messner, den die Agrarverbände zu einer „ideologiefreien Analyse“ in Bezug auf den Bio-Sprit auffordern.

Und was steckt hinter dem ebenfalls erhobenen Vorwurf der „Einseitigkeit“? Tatsächlich hat das UBA seine Thesen zur ILUC-Theorie – bewusst oder unbewusst – nicht konsequent zu Ende gedacht. Wer Bio-Sprit auf eben dieser Grundlage verteufelt, wie es das UBA ausdrücklich macht, müsste dasselbe auch bei der Öko-Landwirtschaft tun.

Denn: Timothy Searchinger, der als Vater der ILUC-Theorie gilt, verleiht aufgrund des deutlich erhöhten Flächenverbrauchs auch der ökologisch betriebenen Landwirtschaft das Attribut „klimaschädlich“. Doch anders als beim Bio-Sprit sind weder aus dem UBA noch dem Bundesumweltministerium oder anderen Stellen der Bundesregierung kritische Anmerkungen zu Bio-Produkten zu hören – eher im Gegenteil.

Der Bauernverband und die fünf Mitunterzeichner – namentlich: Bundesverband Bioenergie, Verband der Deutschen Bioethanolwirtschaft, Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie, Vermarkter der Ölsaaten sowie die Betreiber von Ölmühlen – formulieren ihre Kernforderung deshalb so: „ILUC für alle oder ILUC für keinen.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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