Wie unterschiedlich in Deutschland mit Gewalt umgegangen wird, ist immer wieder aufs Neue erstaunlich. In Leipzig etwa gibt es seit Jahren eine massiv gewaltbereite Szene, die sich fast regelmäßig massive Straßenschlachten mit der Polizei leistet und diese etwa mit Pflastersteinen bewirft. Aufschreie? Großes Medienecho? Nicht die Spur. Ein Kollege von mir, der dort lebt, macht sich inzwischen Sorgen, wegen seiner kritischen Berichte ins Visier der örtlichen Linksextremisten zu geraten.
Zu Neujahr gibt es wieder schlimme Nachrichten: „Besonders aggressiv gingen Randalierer im Leipziger Stadtteil Connewitz gegen Polizisten vor. Mehr als 1000 Menschen waren am Connewitzer Kreuz um Mitternacht zusammengekommen“, schreibt die Welt. Laut Leipziger Polizeidirektion wurden Beamte, die sicher auch lieber Zuhause mit ihren Angehörigen gefeiert hätten, „massiv mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen“. Weiter teilt die Polizei mit: „Eine Gruppe von Gewalttätern versuchte, einen brennenden Einkaufwagen mitten in eine Einheit der Bereitschaftspolizei zu schieben und beschoss diese massiv mit Pyrotechnik.“
Dabei wurde den Angaben zufolge eine 38 Jahre alter Polizist „so schwer verletzt, dass er das Bewusstsein verlor und im Krankenhaus notoperiert werden musste“. Laut „Welt“ ermittelt nun in diesem Fall die „Soko LinX“, eine Spezialeinheit gegen Linksextremismus, wegen versuchten Totschlags.
Man stelle sich vor, der arme Beamte wäre Opfer eines Angriffes von Rechtsextremen geworden, oder es gäbe zumindest einen dringenden Tatverdacht gegen diese. Das würde – völlig zurecht – überall in den Schlagzeilen thematisiert: „Polizist schwer verletzt nach Angriff von Rechtsextremen“. Und vielleicht gäbe es auch schon Sondersendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zumindest Pläne für eine Lichterkette.
Sucht man nun bei google-news nach Nachrichten zu dem tragischen Vorfall von Leizpig, gibt es davon zwar viele. Dass die Tat irgend eine Verbindung mit Linksextremismus haben könnte, ist jedoch in keiner der Schlagzeilen zu finden, die als erste erscheinen.
Geht man weiter in die Suche, findet man nur bei drei Zeitungen einen entsprechenden Hinweis in der Schlagzeile, in welcher Ecke die Tatverdächtigen vermutet werden: In den beiden Springer-Blättern Welt und Bild; und im Spiegel. Das Hamburger Blatt sagt es durch die Blume, da ist einfach vom Ort die Rede, von einem „linksextremen Viertel“. Aber immerhin. Bei allen anderen Meldungen, die in der großen google-Suche erscheinen, ist der Hintergrund offenbar im Artikel versteckt.
Wenn überhaupt. Bei n-tv etwa ist nur die Rede davon, dass der Tatort „Hochburg der linken Szene“ sei. Den Rest muss der Leser erahnen bzw. zwischen den Zeilen lesen. Zum Vergleich rechte Berichte über Attacken gegen die Polizei von Rechtsextremisten.
Hat man sich an solch unterschiedliche Maßstäbe bei der Berichterstattung in Deutschland inzwischen fast schon gewöhnt – obwohl sie gefährlich sind, denn linker Extremismus ist nicht harmlos und darf nicht durch rechten relativiert werden, – so waren einige Reaktionen aus der Politik derart unfassbar, dass sie einem fast den Atem verschlugen. „Selbst schuld“: Auf diesen Nenner lässt sich eine Reaktion der in Sachsen mitregierenden Sozialdemokraten bringen – zur Verletzung eines Polizisten, die so schwer war, dass der Mann notoperiret werden musste. (siehe tweet links).
Noch dreister fiel die Reaktion einer Volksvertreterin von der Linken (rechtsidentisch mit der SED) aus. ie Landtagsabgeordnete „Juliane Nagel berichtete schon am Silvesterabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von ,Schikane´ durch die Polizei, weil zwei Personen vor dem Linke-Treffpunkt Linxxnet kontrolliert worden seien“, wie die „Welt“ schreibt: „Zwei Stunden später schrieb sie: ,Im Minutentakt durchkämmen die Cops Connewitz´ und weiter ,Normalität? Deeskalation? Fehlanzeige´“.
Kurz nach dem Jahreswechsel, also nach 0 Uhr, postete Nagel dann laut Welt Fotos des Randale-Treffpunktes mit dem Text: „Scharmützel am Connewitzer Kreuz. Brutale Festnahmen jetzt.“ Und wenig später: „Anstatt dass die Polizei den Kiez einfach mal verlässt, läuft sie immer wieder behelmt durch die Menge, rennt Menschen um und löscht Feuer. Sinnlos.“
Knapp zwei Stunden später twitterte die Landtagsabgeordnete: „Uff. Cops raus aus Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.“
Auf gut deutsch: Das Opfer, der Polizist, der notoperiert werden musste, ist in den Augen der Linken-Politikerin offenbar der Übeltäter. Man könnte das als Verwirrung einer einzelnen Abgeordneten abtun – wenn diese Opfer-Täter-Umkehr nicht geradezu ein Verhaltensmuster in Deutschland wäre, insbesondere bei vielen Linken, auch in der Justiz.
Die sächsische Linkspartei war für die Welt nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen, ebenso die Abgeordnete selbst. Schlimmer noch: Sieht man sich ihren Twitter-Account heute an, hat man den Eindruck, dass sie statt einer Entschuldigung ihre Position nur noch untermauert (siehe hier). In solchen Momenten kann man sich nur fremdschämen. Und sich kaum vorstellen, was in den Köpfen von Polizeibeamten vorgeht, die gerade erleben mussten, wie ihr Kollege schwer verletzt und notoperiert werden musste, wenn sie solche Aussagen von einer Abgeordneten hören.
Die tragischen Ereignisse von Leipzig in der Silvesternacht werfen erneut die Frage auf: Warum gibt es in diesem Land nur einen Kampf gegen rechts, und keinen gegen Links? Jede Art von Extremismus ist gefährlich. Vor allem dann, wenn Medien und Politik wegsehen. Und das tun sie bei uns vor allem bei einer Richtung.
David gegen Goliath
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Bild: Ann Fossa/Unsplashed, ev/Unsplashed, Die Linke Sachsen Urheber: DiG / Thomas Kläber 2019, CC BY-SA 4.0